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Die Gleichheit
Erkennen wir das dankbar an, indem wir zur Wahlurne schreiten mit dem Stimmzettel für die junge, sozialistische Republik, für die sozialdemokratische Mehrheitspartei!
Else Berttons.
Ein Augenblicksbild aus dem Wahlkampf.
Wie bitter not die politische Aufklärung gerade unter den Frauen der sogenannten besseren Stände ist, und wie tief gerade diese Frauen noch immer in den alten politischen Vorurteilen stecken, das zeigte wieder deutlich ein Vortragsabend, der kürzlich von dem Bund Friedenauer Frauenvereine veranstaltet war. Je ein Vertreter der Sozialdemokratischen, Demokratischen und Deutschnationalen Partei sollten den Mitgliedern des Bundes, der politisch ,, neutral" ist, ihre Programme entwickeln.( Wie„ neutral" der Bund in Wirklichkeit ist, beweist die Tatsache, daß es unserer Partei auf das schärfste untersagt wurde, vor der Versammlung Flugblätter und Wahlaufrufe zu verteilen, während nachher die beiden bürgerlichen Parteien ungehindert sogar in der Versammlung ihre Wahlaufrufe verbreiten konnten!)
Die Stimmung und Rückständigkeit der Versammlung fennzeichnet am besten das eine: als unser Redner auf das schöne Beispiel unserer österreichischen Genossen hinwies, die das früher faiserliche Schloß Schönbrunn als Erholungsheim für fürsorgebedürftige Kinder einrichten, und als unser Redner forderte, auch bei uns die kaiserlichen Schlösser für diese Zwecke, also für unsere Kinder, zu verwerten, riefen einige Damen:„ Pfui!"
Um so lauter jubelten sie dem deutschnationalen Redner zu, der in einem widerlichen Phrasenstil die ältesten und abgedroschensten Einwände gegen die Sozialdemokratie vorbrachte, die schon so unzählige Male widerlegt worden sind, daß man sich einfach schämt, es noch einmal tun zu müssen. Einer der Diskussionsredner meinte denn auch:„ Es erübrigt sich wohl, auf die Ausführungen dieses Herrn einzugehen." Dabei brachte er so viele Verleumdungen und falsche Darstellungen vor, daß sich unser Genosse in der Diskussion darauf beschränfen mußte, nur die allergröbsten Lügen sachlich und scharf zurückzuweisen.
Diese Leutchen scheinen die Revolution verschlafen zu haben. Sie leben nicht nur selber in ihrem alten Trott und in ihren alten Auschauungen weiter, sondern glauben immer noch, daß auch das alte Deutschland noch besteht. Ja, sie scheinen nicht einmal zu wissen, daß es keinen Kaiser von Deutschland mehr gibt, denn zum Schluß sang man stehend nicht nur„ Deutschland , Deutschland über alles", sondern auch Heil dir im Siegertrang"!!!( Wilhelm, tehre zurüd, es ist dir alles vergeben!) Kurt Heilbut .
Wen wählen die Frauen und Mädchen?
Noch wenige Wochen vor den gewaltigen Umwälzungen hätten wir Frauen und Mädchen nicht zu hoffen gewagt, daß wir lebendes Geschlecht die Rechte und Pflichten, die wir schon seit Jahrzehnten erstrebten, jemals erhalten würden.
Nun, da wir das gleiche Wahlrecht erhalten haben, da auch wir an die Wahlurne treten sollen, erkennen auch solche Männer den Wert des Frauenwahlrechts an, die bisher stets dem weiblichen Geschlecht alle Fähigkeiten für die Politik absprachen und prinzipielle Gegner des Frauenvahlrechts waren. Nun kommen diese Herren sogar und wollen uns Frauen und Mädchen darüber belehren, wen wir wählen sollen.
Wir aber rufen diesen Herren mit dem neuen Deckmäntel chen, Demokratie", das sie sogar ohne Bezugschein erhalten konnten, zu:„ Bemühen Sie sich nicht, unser harter Lebensweg hat uns reifer gemacht, als Sie ahnen! Wir wissen, daß Ihre angenommene Demokratie feine echte ist, und daß wir schon bald nach den Wahlen die Folgen zu tragen hätten, wenn wir Ihre Bestrebungen unterstüßen wollten. Jeder echte Demofrat gehört in die Sozialdemokratische Partei Deutschlands . Hier kann er zum Wohle der gesamten Menschheit arbeiten!" Genau so, wie wir Frauen und Mädchen uns gegen die falschen Demokraten auf der Rechten wenden, wenden wir uns auch gegen die falschen Freunde auf der Linken, die uns mit einer neuen Gewaltherrschaft beglücken wollen. Auch diese können uns mit ihrem Geschrei nicht betören. Die Taten, die
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diese Brüder als angebliche Volksbeglücker" vollbringen wollen, schrecken uns zurück. Elend und Jammer hat das Volk in den 51 Monaten Krieg genug ertragen, es braucht nicht dazu noch hinterher im eigenen Lande den russischen Bolschewismus kennenzulernen. Unser Volk braucht Friede, Freiheit, Arbeit und Brot, wenn es wieder lebensfähig werden will. Die durch den Krieg geschlagenen Wunden müssen geheilt werden. Das sind die heiligsten Pflichten für wahre Volksfreunde.
Darum erfüllen wir Frauen und Mädchen unsere Pflichten gewissenhaft, wir lassen uns nicht als Wählerinnen kaufen, sondern wir geben unsere Stimmen der Partei, die ihr Firmenschild nicht zu wechseln brauchte, um weiterleben zu können. Wir wählen die Partei, die für unsere Gleichberechtigung schon jahrzehntelang vor dem Kriege eingetreten ist. Dieses ist einzig und allein die Sozialdemokratische Partei DeutschAlma Fritsch. lands.
Welche Arbeit übernehme ich?
Unser Vaterland fordert Arbeit von uns. Nur wenn diese Arbeit überall geleistet wird, wenn wir sie überall gleichmäßig und dazu mit Zuversicht und Freudigkeit leisten, kann der Erfolg eintreten. Der Erfolg ist Ruhe und Frieden, Sicherung unseres Fortkommens, unserer Stinder und unserer Zukunft. Es nüßt kein Sichfreisprechen, kein Fortblicken, keine Täuschung, wir stehen am Abgrund und müssen, ein starkes, mutiges, tapferes, fleißiges Volt, untergehen, wenn wir nicht alle, alle bis zum letzten Mann und zur letzten Frau mitarbeiten.
Das wäre viel schwerer, wenn es nicht eben hieße: mitarbeiten. In der Arbeit liegt ein solcher Segen und ein so starker Trost, daß man ein Volk, dem eine harte Arbeitslast auferlegt wird, nicht zu bedauern braucht, wenn es als freies Volf um seinen Neuaufbau im wirtschaftlichen Leben ringt. Bedauert wollen wir nicht werden, die wir um unsere und unferer Kinder Zukunft in einem freien Lande bis an die Grenzen unserer Straft freiwillig Arbeit auf uns nehmen.
Wo aber ist Arbeit für uns? Wir brauchen uns nur umzuschauen. Für viele von uns Frauen ist die größte und wichtigste Arbeit die Arbeit in unserem eigenen Hause und an unseren Kindern. Eine ordentliche und tüchtige Frau er spart und erarbeitet mehr, als sie selber weiß. Noch jahrzehntelang wird unser Vaterland Snappheit an allem ver
spüren, was vor dem Kriege im Überfluß da war. Alles
Hausgerät, alle Kleidung, alle Lebensmittel müssen dauernd gespart und immer weiter sparsam verwendet werden. Je weniger Verbrauch im eigenen Lande, je sparsamer die Wirtschaftsführung, desto weniger Einfuhr ist notwendig, desto mehr Gold und Geld bleibt dem Volfe zur freien Verfügung.
Aber nicht nur in der eigenen Familie ist Arbeit für die Frau. Ledige Frauen, verheiratete Frauen, Witwen- und Jugendliche sollen weiter durch Arbeit, die ihre Hände leisten können, dem Vaterland helfen.
Und hier lautet auf die Frage, welche Arbeit übernehme ich, die Antwort: die Arbeit, die der Art nach am besten von uns geleistet werden kann. Arbeit schändet nicht, und Arbeit gibt es in Menge. Wer keine feste Arbeit hat, der wende sich an den nächsten Arbeitsnachweis.
Botengänge, Reinmachen, Waschen, Gartenarbeit und ähnliches ist nächstliegende, einfache Frauenarbeit. Auch kann man Aufwartung und Reinigung von Schulen übernehmen. Darüber hinaus kommt natürlich Qualitätsarbeit aller Art, erzicherische und fürsorgliche Tätigkeit, Arbeit in Bureaus und im Handel usw. Jede Frau wird wissen, wie weit sie den Streis ihrer Arbeitsmöglichkeit ziehen kann, wenn sie selber nur den Willen hat, ihn zu vergrößern.
Und noch etwas. Alle Arbeit, die wir übernehmen, sollen wir schnell angreifen. Zeit ist immer Geld gewesen und ist es jetzt mehr denn je. In meinem Hause wohnte eine Handwerkerfrau. Sie war leidend und brauchte einen Tag eine