Nr. 12
Die Gleichheit
der schon so viele unserer Volfsgenossen hingerafft hat, weicht auch heute noch nicht von unserer Seite, trotzdem der Friede vor der Türe stehen sollte und trotzdem der Völkerhaß heute schweigen müßte, und es ist das Furchtbarste, was die Entente sich heute in dieser Stunde noch zuschulden kommen läßt, daß sie dieses wehrlose deutsche Volk auch noch weiter dem Hunger überliefert, nachdem sie viereinhalb Jahre und länger diese Blockade aufrecht erhalten hat.
Unser einziger wirtschaftlicher Reichtum ist unsere Arbeitskraft. Nur vermöge dieser Arbeitskraft und ihrer Anwendung ist es möglich, uns wieder aus diesem tiefen Elend zu erheben. Aber wenn man uns nicht die Nahrungsmittel und unserer Industrie nicht die Rohstoffe gibt, wenn man uns nicht in anderer Weise durch Gewährung von Kredit und anderen Hilfsmitteln entgegenkommt, dann macht man uns dieses Aufrichten so bitter schwer, und die Völker der ganzen Welt benachteiligen sich selbst. Denn was ein Volk leistet in der Welt, kommt dem anderen zugute.( Sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien.) Genau so, wie der einzelne Mensch arbeiten muß, um die Volkskraft zu stärken in dem Lande, dem er angehört, so sollten auch die Völker zusammenwirken zu ihrem eigenen Wohl und Besten.( Lebhafter Beifall bei den Soz.)
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Am Donnerstag, dem 20. Februar kam als die Rednerin der U.S. P. Luise Zietz zum Wort. Wir bedauern, über die Rede dieser an sich flugen und tüchtigen Frau kein freundliches Wort sagen zu können. Luise Ziet neigte schon in den normalen Zeiten vor dem Kriege zur Übertreibung, sie liebte die Superlative und starke Unterstreichungen. In den Jahren des Krieges und in den Monaten der Revolution, wo ohnehin alles aus dem Gefüge geraten ist und die ganze Welt nur noch aus Superlativen des Gewalttätigen und Ungeheuerlichen zu bestehen scheint, kann Luise Zietz aus dem Vollen schöpfen. Und sie tut es! Man merkt es ihr an, mit welchem Behagen sie von Anfang bis Ende in schäumender Entrüstung tobt, wie sie selbst die unbedeutendsten Dinge durch übertreibende Worte ins Große zu ziehen sucht, und wie ihr dadurch für wirklich große Dinge feinerlei sachliche Steigerung mehr übrigbleibt, so daß sie Stimmaufwand, theatralisches Pathos und wilde Schimpfworte zu Hilfe nehmen muß.
Fleischmaschine gemahlen. Dann wird das Fleisch mit fein gehackten Zwiebeln, Pfeffer und Salz oder auch nur Salz, wenn der Pfeffer zu teuer ist, ordentlich vermischt,( Ein wenig Paprikapfeffer, der billiger ist, ist zu empfehlen.) Zuerst wußte ich nicht, daß es Roßfleisch ist. Nachdem ich aber versichert hatte, daß es mir vorzüglich schmeckte, verriet mir die Gastgeberin,„ wes Fleisches Kind dies wäre". Darauf ließ ich mir noch etwas geben, ,, denn es schmeckte gar so gut".
Leider sind in manchen Städten jetzt auch die Roßschlächterläden ebenso vereinsamt wie die Rinder- und Schweinemezgereien, feitdem das Publikum„ auf den Geschmack" gekommen ist. Jedenfalls fönnte ich allen Hausfrauen, die dazu kommen", nur raten, sich mit Pferdefleisch zu befreunden.
Man kann ja Pech haben, wenn man zufällig ein Stück Fleisch von einem alten abgedienten Klepper erwischt. Das ist dann ebenso zäh wie ein Stück altes Rindfleisch, das nicht„ klein zu kriegen" ist. Wer sich von dem Vorurteil gegen das Pferdefleisch erst freigemacht hat, wird dasselbe ebenso gern kaufen wie Kaninchen, vor denen man in guten Zeiten auch eine Scheu" hatte. Und heute? Heute werden Kaninchen mit Vorliebe selbst von wohlhabenden Bourgeois gegessen. Für gewöhnliche Sterbliche find allerdings auch Kaninchen nur noch besondere Festtagsbraten, wenn sie solche Berta Marcwald. sich nicht selbst züchten können.
Eingegangene Schriften.
Waldemar Stlarz, Zwischen England und Deutschland . Band 7 der Sozialwissenschaftlichen Bibliothek. Verlag für Sozialwissenschaft, Berlin SW 68 1918. Preis 2,50 Mt. Mahler, Die Programme der politischen Parteien in Deutschland nach dem Kriege. Vierte, umgearbeitete Auflage. Verlag von D. Gradlauer, Leipzig 1919. Preis 1,20 Mr.. Dr. Erwin Ritter, Auf dem Wege zum Voltsstaat. Gedanken zur Verfassung. Verlag der G. Braunschen Hofbuchdruderei, Karlsruhe 1919. Preis 2,50 Mt.
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Schade um sie wie um die ganze Kraftanstrengung der 11. S. P.! Als vorantreibender linker Flügel einer großen einigen Sozialdemokratie hätte sie Großes und Gutes leisten können. Jetzt muß sie ihre Daseinsberechtigung jeden Tag aufs neue durch wüste Anklagen gegen die Sozialdemokratie beweisen, ohne es darum doch ihren eigenen Gegnern zur Linken, den bolschewistisch- spartakistischen Kommunisten recht machen zu
können.
Am darauffolgenden Tage sprach als erste bürgerliche Fran Dr. Gertrud Bäumer , die Vertreterin der Demokraten. Aus dem Grunde einer erfreulich tiefen und soliden Bildung hebt sie ihre Argumente, nicht durch eintöniges Donnern und Schreien, sondern durch seine und gewählte, oft sogar zu sehr geputzte Ausdrucksweise zieht sie den Zuhörer in ihren Bann. Sie wird in der Nationalversammlung und in der zukünftigen parlamentarischen Tätigkeit der Frau überhaupt eine jederzeit beachtete Mitarbeiterin werden.
So kann man mit dem ersten Auftreten der Frauen in der Nationalversammlung wohl zufrieden sein. Allerdings waren es Frauen, die schon lange im öffentlichen Leben als Rednerinnen tätig sind. Aber wir zweifeln nicht daran, daß die Folgezeit auch weitere Frauen auf die Rednertribüne führen wird, und daß sie alle miteinander durch die Tat beweisen, wie nützlich, ja notwendig die Verleihung der staatsbürgerlichen Gleichberechtigung an die Frauen war.
Zu praktischer Arbeit.
Nachdem die Frauen in die Politik eingetreten sind, ist es notwendig, sie auch an der praktischen Arbeit im Staate teilnehmen zu lassen. Und zwar nicht nur, wie es bisher in den Gemeindevertretungen üblich war, ehrenamtlich als Kommissionsmitglieder; sondern als beamtete Mitarbeiterin in den Reichsämtern. Während des Krieges waren an den verschiedenen Kriegsämtern die Frauenreferate eingerichtet worden, und in Form solcher Frauenreferate denke ich mir auch die fernere Mitarbeit der Frauen an den Reichsämtern. Selbst
Parvus, Die soziale Bilanz des Krieges. Verlag für Sozialwissenschaft G. m. 6. H., Berlin SW 68 1918. Preis 50 Pfg.
Im Jahre 1917 zuerst erschienen, in fünf Auflagen verbreitet und in mehrere Sprachen übersetzt, sodann bis kurz vor Ausbruch der Revolution verboten, kommt jetzt diese Schrift wieder heraus. In einem neuen Nachwort rechnet der Verfasser mit dem Oberkommandierenden in den Marken, als dem Vertreter des fluchbeladenen Militarismus, ab und deckt das System der Lüge und Bedrückung auf. Im übrigen ist die Schrift unverändert: sie ist ein historisches Dokument. Sie hat den Mut und die Einsicht gehabt, gegen den damals noch fiegreichen Imperialismus den katastrophalen und ruinösen Charakter des Krieges für alle Beteiligten nachzuweisen und für den Verständigungsfrieden einzutreten. Zu der Auflage ge= sellt sich der bündige, auf die umfassendste Kenntnis der Tatsachen geſtüßte Beweis. Parvus handhabt hier in populärster Form dieselbe ökonomische Methode, als deren Meister er sich in seinen großen Werken erwiesen hat. Aus den Dingen heraus entwickelt er den Sozialismus als die einzige Rettung..
Vorfrühling.
Stürme brausten über Nacht Und die kahlen Wipfel troffen. Frühe war mein Herz erwacht, Schüchtern zwischen Furcht und Hoffen.
Horch , ein trautgeschwätz'ger Ton Dringt zu mir vom Wald hernieder. Nisten in den Zweigen schon Die geliebten Amseln wieder? Dort am Weg der weiße Streif- Zweifelnd frag ich mein Gemüte: Jst's ein später Winterreif Oder erste Schlehenblüte?
faul Heyfe.