Nr. 13

Die Gleichheit

Als Berichterstatterin auf Gewerkschaftskongressen hatte ich dann später oft Gelegenheit, ihre Geschicklichkeit bei der Lösung berwickelter Verbandsfragen auf den Generalversammlungen der Buchdruckereihilfsarbeiter und-arbeiterinnen zu bewundern, zu­letzt noch im Juli 1918, wo sie, trotzdem sie bereits vom Tode ge­zeichnet war, den Vorsiz geschickt und sicher wie immer führte.

Sie war aber nicht nur eine tüchtige Kraft für die Arbeiterbewe­gung, sie war auch ein prachtvoller Mensch, der nach des Tages Last und Mühe auch ein heiteres Zusammensein liebte. Treue Freundschaft verband sie mit der leider so früh verstorbenen Ge­nossin Emma Jhrer.

Nun hat der Tod auch Paula Thiedes Wirken ein Ende gesetzt, nachdem sie ein halbes Menschenalter in treuer Pflichterfüllung ihrem Verband als Zentralvorsißende wie der gesamten Arbeiter­bewegung gedient hat. Die Früchte ihrer politischen Lebensarbeit, die auch durch die Nevolution der Reife nähergebracht worden sind, hat fie leider nicht mehr ernten können.

Ihre Verbandskollegen und die tätigen Genossinnen werden sie in ehrendem Andenken behalten. Der Name Paula Thiede   wird in der Arbeiterbewegung stets einen guten Klang behalten.

Wilhelmine Kähler  .

Die Frauenbewegung des Auslandes Aus Holland   wird uns von unserer Mitarbeiterin geschrieben: Seit September 1918 haben wir in Holland   eine konservative, so= gar reaktionäre Regierung; jedoch ist die Novemberwoge auch über unser Land geschlagen. Die Furcht vor einer möglichen Revolution, selbst in unserem ruhigen Holland  , hat unsere Minister plötzlich so sehr für allerlei Reformen begeistert, daß die Königin am 20. No­vember ein Manifest veröffentlichte, in welchem sie allerhand Neue­rungen versprach, welche, wie sie erklärte, mit der Geschwindigkeit des Pulsschlages der Zeit erfolgen sollten.

Unter diesen Neuerungen waren der Achtstundentag und das Frauenstimmrecht. Allein, da die Minister sahen, daß das nieder­ländische Volk noch nicht einstimmig und sogleich auf einer Umwälzung bestand, so waren sie nicht sonderlich zur Eile geneigt. Der Frauen­stimmrechtsverein sah sich daher genötigt, die Erfüllung des fönig­lichen Versprechens zu fordern. Am 5. Februar durfte der Verein aber noch nicht die Frucht seines Wirkens ernten, denn noch fehlt den Frauen das volle Bürgerrecht: zwar hat uns die Verfassungs­

wirkt noch heute wie aus der Jezzizeit entstanden, wo uns das Elend der Heimarbeiterinnen so viel beschäftigt.

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Luise Otto   veröffentlichte in der Folge eine Reihe von Aufsätzen in der von Ernst Keil   geleiteten Gartenlaube". Diese mußte sie aber mit dem Namen Otto Stern   zeichnen, da es nicht üblich war, daß Damen über dergleichen schrieben". Dabei handelte es sich bei diesen Aufsäßen nicht ausschließlich um politische Fragen, son­dern um die Forderung einer besseren Bildung für die Frauen, denn in dieser sah Luise Otto   die Möglichkeit der Erhebung ihres Geschlechtes. Wenn das deutsche Staatsleben sich freier, selbstän­diger entwickeln kann, dann werden auch die Frauen selbständig werden. Daher zuerst nur für jenes gekämpft!"

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Ihre politischen Bestrebungen suchte Luise Ctto auch in ihren Romanen zum Ausdruck zu bringen. Im Jahre 1846 erschien der bedeutendste Roman Schloß und Fabrik", der zunächst beschlag­nahmt wurde und ihr viele Freunde, aber auch viele Feinde schuf. Unter den Freunden waren es vor allem die Arbeiter, die sich der jungen sozialistischen   Bewegung schon damals angeschlossen hatten. Als Nachtigall im Winter" begrüßte sie Robert Blum  , den sie zum Freunde gewonnen hatte, und ihre Gedichtsammlung Lieder eines deutschen Mädchens" nannte Alfred Meißner  , einer der ersten Verteidiger der Frauenrechte, ein Schwert in Rosen.

Für uns Sozialistinnen ist besonders bedeutungsvoll Luise Ottos Adresse eines Mädchens" an den Minister Oberländer nach Zu­sammentritt des Frankfurter   Parlaments, worin sie auf die trau­rige Lage der Arbeiterinnen und auf das sich daraus ergebende soziale Elend hinwies:" Wenn Sie sich mit der großen Aufgabe unserer Zeit, mit der Organisation der Arbeit beschäftigen," schrieb fie, so wollen Sie nicht vergessen, daß es nicht genug ist, wenn Sie die Arbeit für die Männer organisieren, sondern daß Sie die­selbe auch für die Frauen organisieren müssen." Daß aber nur die Arbeiterschaft allein schon damals die Gleichberechtigung der Frauen forderte, auch das war Luise Otto   durchaus klar. Denn sie schrieb dem Verein deutscher Arbeiter, daß sie die Männer, des Staates, der Wissenschaft usw. beschämt hätten, weil diese nie daran gedacht hätten, in der Frau etwas anderes zu sehen als eine

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revision vom Dezember 1917 die Wählbarkeit gegeben, doch das, Wahlgesetz verbietet den Frauen noch immer das Abgeben ihrer Stimme. Jegt strebt der Verein nach baldiger Annahme des Gesetz­entwurfes von Marchant, der Frauen und Männer politisch gleichstellt. Inzwischen bleibt der Arbeitsminister nicht müßig, wahrlich nicht! Gott   hat ihm die Macht gegeben, damit er das Volf glücklich mache, seine Partei zu Ehren bringe und seinen Wählern gefällig sei. Und nun hat er ein Mittel gefunden, um das alles zustande zu bringen ohne irgendwelche Kosten für die Staatskasse, denn er schlägt jetzt vor, einfach den Frauen am Samstagnachmittag nach 1 Uhr die Arbeit in Fabrifen und Werkstätten zu untersagen. Dadurch schützt er die Frauen, liefert dem Arbeitgeber einen bequemen Vorwand, um seinen Arbeiterinnen geringeren Lohn zu zahlen als den Ar­beitern, und gibt den Arbeitern die Aussicht, vielleicht die vertrie­benen Frauen ersetzen zu können. Der Minister macht sich also gratis zum Wohltäter nur auf Kosten stimmrechtloser Frauen! Die einzige Frau in der Zweiten Kammer, die Sozialdemokratin Suze Groeneweg  , hat gegen den Minister geltend gemacht, daß zwar eine allgemeine Einschränkung der Arbeitsstunden für alle durch Schließung der Fabrifen am Samstagnachmittag ein Segen wäre für die Arbeiterschaft; bei der von ihm vorgenommenen Regelung sei das jedoch nicht der Fall, denn wer einer Gruppe die Arbeit untersagt, der bringt diese Gruppe in eine schlechtere Lage dent andern gegenüber. Ein Sonderschutzgesetz nur für die Frauen wird diesen zum Nachteil auf dem Arbeitsmarkt, solange für die Ar­beiter kein Schutzgesetz gilt. Martina G. Kramers.

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Tätigkeit, etwas freiben, womöglich etwas machen, wenigstens aber etwas lernen, ist zum Glück des Menschen unerläßlich, seine Kräfte verlangen nach ihrem Gebrauch, und er möchte den Erfolg desselben irgendwie wahrnehmen. Die größte Befriedigung jedoch in dieser Hinsicht gewährt es, etwas zu machen, zu verferligen, sei es ein Korb, sei es ein Buch; aber daß man ein Werk unter seinen Händen täglich wachsen und endlich seine Vollendung erreichen sehe, beglückt unmittelbar. * Schopenhauer  .

Wer sich von seiner Hände Arbeit nährt, der glaubt kaum, daß Geiffesarbeit den gleichen Schweiß kosten könne, er ahnt nicht, daß der Geistesarbeiter inwendig schwiht; umgekehrt achtet der Mann des geiffigen Berufs die Mühen des Handwerkers oft viel zu klein. So erwächst dort Neid, hier Hoffart, überall aber ein höchst ungerechtes Urteil über die Ehre fremder Arbeif. Riehl.

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Sflavin, eine Puppe, niemals aber ein gleichberechtigtes Wesen. Von großer Bedeutung wurde für Luise Otto   die zunächst nur briefliche Bekanntschaft mit August Peters  , der ein demokratisches Wochenblatt Die Barrikade" herausgab und ihrer Teilnahme empfahl. Auch Peters war ein eifriger Befürworter der Frauen­emanzipation, und zwar in dem Sinne, daß es weniger darauf ankomme, die Frauen den Männern gleichzustellen, sondern viel­mehr darauf, das Ewigweibliche zur Geltung zu bringen.

In ihrem Schmerze um Robert Blums Erschießung fand sich Luise Otto   mit August Peters   zusammen, dessen persönliche Be­fanntschaft sie nun auch machte. Der Sohn des Volkes und die Beamtentochter fanden sich in der Liebe zur Freiheit des Volfes, und diese Liebe führte zu einem Bündnis ihrer Herzen. Luise Otto  gab damals eine der ersten deutschen Frauenzeitungen heraus mit dem Motto: Dem Reiche der Freiheit werbe ich Bürgerinnen." Hier forderte sie die Frauen zur Selbsthilfe auf:" Mitten in den großen Umwälzungen, in denen wir uns befinden, werden die Frauen vergessen werden, wenn sie selbst an sich zu denken ver­geffen.... Wir wollen unser Teil fordern: das Recht, das rein Menschliche in uns in freier Entwidlung aller unserer Sträfte aus­zubilden und das Recht der Mündigkeit und Selbständigkeit im Staate."

Daß der Dienst der Freiheit ein harter Dienst ist, mußte Luise Otto   in früheren Jahren erfahren. Nicht nur vielen Verfolgungen und Haussuchungen in der Zeit der Realtion ausgeseßt, auch ber­lassen und gemieden von vielen Freunden, erlebte sie, daß ihr Vera lobter, der sich in Baden an den Freiheitskämpfen beteiligt hatte, zu achtjähriger Zuchthausstrafe verurteilt wurde. Nur selten durfte seine Braut ihn im Zuchthaus aufsuchen, aber die unfreiwillige Trennung erhöhte nur die Liebe des schwergeprüften Paares. End­lich gelang es der Fürsprache von befreundeter Seite, daß Peters freigelassen wurde und daß seine Vermählung mit Luife Otto im Jahre 1856 stattfinden konnte. Leider war die Gesundheit von Peters durch die lange Kerkerhaft auf ewig untergraben. Die kurzen Jahre des Glückes, die dem Paare beschieden waren, waren erfüllt von gleichem Streben nach den höchsten Menschheitsidealen.