Nr. 13
Die Gleichheit
die Trennung der Ehe öffentlich erklärt und innerhalb sechs Monaten amtlich beglaubigt werden.
§ 3. Wird die Probeehe gelöst, so bleiben, von besonderen Fällen abgesehen, die Kinder bei der Mutter. Denn die größere Wahrscheinlichkeit einer neuen Eheschließung liegt bei dem Manne.
§ 4. Die getrennten Ehegatten sorgen gemeinsam für den Unterhalt der Kinder. Der zu leistende Anteil beträgt einen fejt= gesetzten Teil des Einkommens eines jeden. Da die häusliche Erziehung der Mutter obliegt, wird der Beitrag des Vaters entsprechend höher sein.
§ 5. Das Kind hat beiden Eltern gegenüber alle Rechte des ehelichen Kindes.
§ 6. Hat bei Schließung der Probeehe eine Frau auf Wunsch ihres Mannes ihren Beruf aufgegeben, so ist der Mann nach Lösung der Ehe verpflichtet, die Frau zu unterstüßen bis zur Herstellung des vollen früheren Erwerbes, falls es sich um einen notwendigen Broterwerb handelt, jedoch nicht länger wie zwei Jahre. Tritt die volle Erwerbsfähigkeit früher ein, so erlischt der Anspruch der Frau auf Unterstützung durch den Mann.
Hat eine Frau auf Wunsch des Mannes das Erlernen eines Berufs aufgegeben, so ist der Mann verpflichtet, sie zwei Jahre nach Lösung der Ehe zwecks Erlernens eines zu ihrem Unterhalt notwendigen Berufs zu unterstützen.
§ 7. Wird in dem zweiten Jahre der Probeehe oder kurz vor Lösung der Ehe ein Kind empfangen oder geboren, so hat der Vater unter allen Umständen die Mutter bis zum vollendeten ersten Lebensjahr des Kindes zu unterstützen.
§ 8 Erkrankt die Frau infolge einer Schwangerschaft, so hat fie der Mann bis zu ihrer Gesundung respektive Herstellung ihrer Erwerbsfähigkeit zu unterstützen.
§ 9. Wird eine ansteckende Krankheit von einem Ehegatten auf den anderen übertragen und wurde diese Erkrankung vor Schliefung der Che verheimlicht, so muß der schuldige Teil den anderen bis zur Herstellung der Erwerbsfähigkeit unterstützen.
Beide Ehegatten haben das Recht, vor der Schließung der Ehe ein ärztliches Gesundheitsattest von dem anderen Teile zu verlangen. § 10. Die Verpflichtungen getrennter Ehegatten gegeneinander erlöschen mit einer neuen Eheschließung des unterstüßten Teiles. § 11. Die Kosten, die dem Manne aus§ 6, 7, 8 erwachsen, werden durch eine besondere Art der Mutterschaftsversicherung ge= deckt, die bei der Eheschließung abgeschlossen wird. Die Versicherungsprämien haben beide Gatten gemeinsam zu entrichten, und zivar zu gleichen Teilen.
Ich bin mir bewußt, daß viele Gefühlsmomente gegen die Probeehe sprechen. Die meisten Menschen hoffen, bei der Eheschließung ein dauerndes Glück zu finden; vor allem das Gefühl der Frau strebt nach dauernder Vereinigung. Schwerwiegender noch scheint mir ein anderet Punkt: Wir streben danach, die wirtschaftlichen Bedingungen so zu bessern, daß die Eheschließung dadurch erleichtert wird. Die Probeehe aber, wenn sie gelöst wird, bedeutet eine wirtschaftliche Belastung für den Mann. Demgegenüber kann hervorgehoben werden, daß auch die uneheliche Vaterschaft belastet. Neu find die Verpflichtungen gegen die Mutter. Diese Verpflichtungen des Mannes sind aber unbedingt in der Würde des ehelichen Verhältnisses miteingeschlossen. Im übrigen dürfte es wahrschein lich sein, daß viele Probeehen zu Dauerehen führen werden. Die Welt hat die verborgenen Opfer der Frauen immer für selbstverständlich gehalten. Ich frage: Ist es selbstverständlich, daß eine Pflanze keine Knospe trägt? Selbstverständlich, daß der Schoß des Weibes, zum Hegen und Tragen wundersam gebildet, leer und arm bleibt? Selbstverständlich, daß die Erfüllung der Seele versagt bleibt, die Stunde des Werdens im Opfern, der Wiedergeburt im Gebären? O, wie weit sind wir von den großen Gedanken des Schöpfers!
Frauen, Mütter, eure Stunde ist da. Die Stunde, in der ihr gehört werdet! Bereitet die Wege, die zu euren Zielen führen! Die Welt braucht Liebe, Versöhnung, Reinheit, Hingebung, Erlösung, die Menschheit braucht die Herzen ihrer Mütter. Dr. Strider.
* Der Weg zur Ruhe geht nur durch das Gebiet der allumfaffenen Tätigkeit.
Nirgends hör' ich ein Vöglein fingen, Nirgends seh ich ein Blümlein blühn! Über die kahlen Berge ziehn Wilde Stürme auf grauen Schwingen.
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Was die Sonne leuchtend beschienen, Alles dahin! Tot ist die Welt! Tot? O nein, sieh, über dem Feld Liegt schon ein Schimmer von Hoffnungsgrünen.
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minna heimannsberg.
Weimar , den 27. Februar 1919. Vormittagssitung. Nach einer Pause von einem Tage, an dem die Fraktion fleißig den vorliegenden Stoff durcharbeitete, tritt heute das Plenum erneut zusammen, um in der Debatte über das Wehrgesez fortzufahren. Der Unabhängige Braß entfesselt mit seiner Rede Stürme des Widerspruchs. Seine Stellungnahme zu den Vorgängen im Ruhrgebiet , das Hineinziehen dieser Dinge in die Erörterung, und so ganz unabhängig" betrachtet, läßt eine mehr laute als schöne Debatte heraufbeschwören, an der Schöpflin, Hue, Noske, Cohn und Thiele fich beteiligen. Für uns Frauen besonders widerlich ist die Erörterung über die Herkunft und Verwaltung des russischen Geldes, das in der deutschen Revolution eine Rolle gespielt hat. Wir begreifen die Handlungsweise Cohns und Luise Zietz ' in dieser Sihung niemals. Der übelste Augenblick ist mir, als Leute, die ehemals das größte Vertrauen befaßen, sich ganz strupellos über die einfachste, selbstverständlichste Schweigepflicht hinwegsehen konnten. Zu welchem Zwecke benutzen fie die an sich wunderschöne Tatsache, daß das deutsche Proletariat den Opfern der russischen Revolution von 1905 zu Hilfe eilte?
Das Wehrgesetz wird angenommen. Eine Kleine, geschickte Rede der Frau Schmitz vom Zentrum, die einen Antrag über die Härten und Beschwernisse im besetzten Gebiet begründet, macht den Beschluß der reichhaltigen, aber nicht reichen" Vormittagssigung. Nachmittagssigung. Reichsjuftizminister Landsberg begründet das Übergangsgesek, das den während der Revolutionszeit geschaffenen Verordnungen Rechtskraft verleihen soll. Selbstverständlich geht das auch nicht so einfach ab; denn wir haben eine sehr kritiklustige Opposition von links und rechts. Es ist lebhafte Diskussion, aber in einer maßvollen Form.
Den 28. Februar 1919. Vormittagssigung. Der Präsident läßt Telegramme verlesen. Sie sind nicht schönen Inhaltes: deutsche Stadtverwaltungen rufen nach Hilfe gegen Spartakus. Terror, Wahnsinn! Die Menschheit tommt ins Taumeln, und unsere ganze glühende Liebe zum Vaterland ist nötig, um nicht verzweifelnd die Hände in den Schoß zu Tegen.
Fischer- Berlin, für unsere Partei als Redner zur Verfassungsvorlage bestimmt, erledigt in sehr feiner und befriedigender Weise seine Aufgabe. Er spricht kurz, spart aber nicht an der sehr be= rechtigten Kritik. Wir unterstreichen jedes Wort; aber ganz be= sonders empfinden wir Frauen mit, daß unsere Schulforderungen in absolut ungenügender, mehr als spärlicher Weise behandelt worden sind.
Spahn vom Zentrum ist beim ehrlichsten Willen nicht zu ver= stehen. Aber v. Delbrück operiert sehr klug und fachmännisch; man merkt, daß er staatsrechtlich vom Bau" ist.
Nachmittagssizung. Herr Abgeordneter Koch von den Demofraten macht seine Sache ausgezeichnet und spart nicht mit parlamentarischen Liebenswürdigkeiten gegen rechts. Seine Kritik am Entwurf ist beachtenswert, auch ihm ist nicht genügend„ neuer Wein in die Schläuche" gegossen. Folgt Herr Dr. Heinze, Deutsche Volkspartei , und dann Dr. Cohn, U. S. P., der sich erfreulicherweise einer wohltuenden Sachlichkeit befleißigt. Schluß nach 7 Uhr, hierauf Sigung der Fraktion. Eigentlich müßten wir in einen Streit für den Achtstundentag eintreten.
Den 1. März 1919. Vormittagssizung. Eine reiche Tagesordnung liegt vor, und unsere Hoffnung, mit Wochenschluß fertigzuwerden, müssen wir begraben. Frau Neuhaus vom Zentrum begründet in warmer, mütterlicher Art die von allen Frauen des Hauses eingebrachte Erklärung, daß die deutschen Frauen schleunigste Aufhebung der