Nr. 14

Die Gleichheit

ressa Maria Montessori ein Kinderheim gegründet worden, wo sämtliche Mieter des Hauses ihre Kinder abgeben durften, um ihre Arbeit ungehindert verrichten zu können. Die Leiterin hat die Verpflichtung, daselbst zu wohnen, und hat auf diese Weise die Möglichkeit, ein reiches soziales Wirken zu entfalten.

Ließe sich nicht bei uns beim Neubau eines größeren Häuser­Tomplexes, wie zum Beispiel der Idealhäuser, eine ähnliche Ein­richtung treffen? Die Mütter hätten auf diese Weise ohne jeden größeren Zeitverlust die beste Möglichkeit, in ein inniges Zu­sammenarbeiten mit dem Kindergarten zu treten und, je nachdem es ihnen die Zeit erlaubt, selbst aktiv an der Erziehung teilzu­nehmen. Sie müssen es vor allen Dingen lernen, daß man selbst fleinen Kindern ernste und gewissenhafte Arbeit zumuten kann. Die Montessori - Kinderheime legen immer wieder Zeugnis von der Geschicklichkeit und Arbeitsfreudigkeit der Kleinen bei der Übung häuslicher Verrichtungen ab. Da sieht man vier- bis fünfjährige Kinder den Tisch decken, das Essen auftragen, das Geschirr ab­waschen, Staub wischen und dergleichen mehr, und alle haben sie denselben Ausdruck freudiger Erregung auf den Gesichtern. Das Verantwortlichkeitsgefühl und das Vertrauen, das man ihnen ge= schenkt hat, sind es, die das Kind so froh und frei machen, die ihm Riesenkräfte wachsen lassen. Solches ist aber wiederum nur mög­lich, wenn die Arbeit aus dem Interesse der Kinder hervorgeht, und darum müssen wir Erwachsene unser Auge stets offenhalten und unsere Kinder kennen, damit wir sie, von ihrem Interesse aus­gehend, leiten können. Nur die Arbeit, die mit Interesse ausge= führt wird, hat einen wirklichen Wert, und darum kann ein Kindergarten, wo der für die Woche vorgeschriebene Stundenplan noch herrscht, wo die Schulbank die Aufmerksamkeit der Kinder er­zwingt, wo also das Interesse des Kindes nicht berücksichtigt wird, für diese Art der Erziehung nicht in Frage kommen. Damit das Interesse nicht ertötet wird, muß das Kind frei sein, ihm nachgehen zu können. Das viele Einmischen der Erwachsenen, die da glauben, dem Kinde helfen zu müssen, bewirkt gerade das Gegenteil: das Kind verliert die Lust an der Arbeit, weil es das Bedürfnis nach selbständiger Arbeit hat. Das Verhältnis der Lehrerin zum Kinde erfährt auf diese Weise eine grundsäßliche Umwälzung: in den Montessori - Kinderheimen ist die Erzieherin lediglich Beobachterin, Leiterin, da sie das Ziel der Erziehung in der Selbständigkeit des Kindes sieht. Dementsprechend ist auch in diesen Kindergärten das Unterrichtsmaterial ein anderes, als wie man es in den herkömm­lichen Kindergärten findet. Es ermöglicht dem Kinde eine Selbst­

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' ne Stadt ist das nicht,' ne Stadt ist keine Heimat. Die ist heute so und morgen so, gar nicht wiederzuerkennen. Und dann Steine, lauter Steine...."

" Und wenn ich nun eine hätte?"

" Dann würden Sie verstehen, was ich sage. Es ist nicht egal, wo der Mensch liegt. Jeder will zurück in die Erde, aus der er gekommen ist. Jeder will eigentlich liegen, wo man ihn fennt. Nur die Stadtmenschen denen ist's egal; denen ist's egal; die kennen einer den anderen nicht. Die haben ja keine Erde. Die haben bloß Steine...."

,, Möglich," sagte die Köchin. Möglich, daß sie bloß Steine haben."

Sie stand am Herd, ihr Gesicht lohte. Damit war das Gespräch zu Ende.

Das Kind.

( Schluß folgt.)

In seinen Traum vom Leben fällt Verworrenen Lichtes noch kein Schein, Denn lauter gehn und unverstellt Die Dinge seinem Schauen ein. Und was es sieht und was es hört, Genießt es ganz und ungemischt, Weil keines Wortes Fremdheit stört Und ihm das reine Bild verwischt. Die Sehnsucht zweier Seelen blaut In seinen Blicken still und groß, Und dennoch ringt sich nicht ein Laut Don den geschlossenen Lippen Ios. Die Wunder, die es rings gewahrt, Sie sind ihm wohl im Tiefsten kund. Doch daß es keines offenbart, Versiegelt ihm ein Gott den Mund.

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Karl Bröger .

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erziehung, indem es seine Selbständigkeit hervorruft. Die Nach­prüfung geschieht durch das Material selbst und macht ein Ein­greifen der Lehrerin überflüssig.

Die erste Bedingung dieses Materials ist, flare, selbsterworbene Vorstellungen hervorzurufen, um eine gesunde Grundlage für das ganze Leben zu schaffen: aufmerksam für die Dinge und das Ge­schehen der Umwelt zu sein, geistig befähigt zu sein, Vergleiche auszuführen, und letzten Endes, eigenes Urteil auf Grund selbst­erworbener Anschauung zu haben.

Es entsteht die Frage: Sind die bestehenden Kindergärten in der Lage, uns zu dem Ziele zu verhelfen, das wir uns auf dem Ge­biet der Kindergärten sowie der sozialen Zusammenarbeit gestellt haben? Ohne Zweifel hat auch der Fröbelsche Kindergarten seinen großen Wert gehabt, wir leben aber in einer Zeit, wo die gesamte Erziehungsfrage eine Umwälzung erfährt, und da kann eine Er­ziehung, bei der die Hand- und Fußfertigkeit eine so große Rolle spielt, nicht mehr den Anforderungen eines modernen Zeitalters entsprechen.

Auch die Elternabende können diesem Wunsche nach sozialer Zu­sammenarbeit nicht mehr genügen; zweifellos haben sie auch ihren großen sozialen Wert, jedoch sind die Anforderungen unserer Zeit andere, als daß es uns befriedigen könnte, zum gemütlichen Plauderstündchen zusammenzukommen und sich gediegenen Lust­barkeiten wie Lichtbilder, Schatten- und Kasperlevorführungen hinzugeben. Was uns not tut, ist ernste Arbeit und ein ernster Wille. Darum gehe der Ruf an die Mütter, zu prüfen und zu wählen. Elisabeth Schwarz.

Ehereform.*

Es ist ganz ohne Zweifel, daß die gesetzlichen Bestimmungen, die heute das Eheleben regeln oder regeln sollen, vollkommen ver­altet sind und in die neue Zeit, die andere Menschen schaffen wird, nicht mehr hineinpassen. Mit der politischen Gleichberechtigung muß die menschliche Gleichstellung der Frau Hand in Hand gehen,

* Der Artikel von Frau Dr. Stricker in der vorigen Nummer der Gleichheit" über neue Eheformen hat die öffentliche Erörterung dieses wichtigen Problems lebhaft angeregt, wie zahlreiche Zuschriften an uns beweisen. Wir werden gern auch weiterhin Beiträge, die uns wie der heutige einer Klärung der Frage förderlich zu sein scheinen, zum Abdruck bringen. Redaktion der Gleichheit".

Alt- Weimarer Tage.

In einem Briefe Karl Alexanders an Lilli Brauns Großmutter, Jenny v. Gustedt, geb. v. Pappenheim , vergleicht er die Tätigkeit in Weimar mit dem symbolischen Bilde des Januskopfes, denn sie umfaßt die Vergangenheit und wirkt für die Zukunft".

Oft denke ich an diese Worte, wenn ich durch Weimars Straßen gehe, vorbei an Goethes stattlicher Ministerwohnung und seinem idyllischen Gartenhaus, an Schillers so einfachem Dichterheim, über den romantischen Marktplaß mit seinen spizgiebeligen Häusern, durch die Wege des Parkes, in dem Goethe und seine Freunde einst wandelten. Der Vergangenheit nachgehen in Tagen, in denen man berufen ist, an der Zukunft mitzubauen, gibt es Reizvolleres?

Unter Goethes Augen", so nennt Lilli Braun den Abschnitt im Leben ihrer Großmutter, den diese in Weimar zugebracht und aus dem wir manches erfahren, was sonst kein Geschichts- oder Literaturwerk bringt. Hier hören wir, wie Goethe, der so vielen als steif und zugeknöpft erschien, so ganz anders war mit Kindern, wie er ihren Geist zu bilden suchte, indem er ihnen seine schönen Sammlungen zeigte und erklärte, wie er für ihr körperliches Wohl sorgte, indem er ihnen einen Garten zum Tummelplatz verschaffte. Wie Goethe auf ein schwärmerisches Mädchengemüt wirkte, zeigt die Äußerung, wie Jenny v. Pappenheim ihm gegenüber nie fie selbst war, sondern eine Seele, die mit auf der Brust gekreuzten Armen zu ihm emporsah. In inniger Freundschaft lebte sie mit Goethes Schwiegertochter und deren Kinder, und fast täglich führte sie während langer Jahre der Weg die breiten Stufen hinauf in das Goethehaus, nach den Dachstuben, wo Ottilie wohnte, häufig auch in das- und Empfangszimmer oder in den Garten, wo sie Goethe selbst traf.

Hatten sich die Visitenkarten sehr gehäuft, dann gab Goethe eine Abendgesellschaft, bei der der Dichterfürst hoch, groß, etwas steif" die Gäste empfing. Im Aldobrandinizimmer saßen die Mütter und Tanten, und da Goethe bei solchen Gelegenheiten selbst wenig sprach, oft eine große Portion Langeweile; das Urbinozimmer