N0 Die Gleichheit Nr. 14 müssen die verlebten Bestimmungen jeder Art verschwinden, die die Frau in die Hand des Mannes gab und aus ihr einen unter­gebenen Menschen machte. Alle Diskussionen über neue Eheform und ein veredeltes Eheleben sind vollkommen zwecklos, wenn nicht wirtschaftlich und von Grund auf verändernd neue Lebensformen geschaffen werden. Zugleich handelt es sich hierbei um eine Erziehungsfrage ersten Ranges. Warum hatte der Mann die größeren Rechte, zugleich da­mit das Eigentumsrecht an seiner Frau? Weil er als Erwerber, Verdiener wirtschaftlich auf starken Füßen stand. Weil seine Er­ziehung zu einem erwerbenden, ihn auch zu einem selbständigen Menschen machte. Wenn in den letzten Jahren der Typ der neuen, selbständigen Frau herangewachsen ist, wein, auch Frauenarbeit eine größere Bewegungsfreiheit des weiblichen Geschlechtes mit sich brachte, so haben doch die gewordenen wirtschaftlichen Zusammenhänge der verflosienen Jahrhunderte die Bevorrechtung des männlichen Ge- schlechtes gründlich besorgt. Alle Gesetze, die bis zum Anbruch unserer neuen Zeit gemacht wurden, tragen den Stempel dieser Einseitigkeit an der Stirn. Die Erziehung der Geschlechter muß darauf gerichtet werden, gute und tüchtige, gebildete und selbständige Menschen heranzu­bilden, die beruflich nach Veranlagung und Eignung dem Staats­ganzen, der höchsten Familienform, das Beste geben. Aber beide, Mädchen und Jungen, müssen gemeinsam so erzogen werden. Die Gleichwertigkeit der Erziehung, somit die Bestrebung, gleichwertige Leistungen zu erzielen, haben die selbstverständliche Voraussetzung der gleichen Wertung aller Leistungen. Diese Erziehung, zugleich geeignet, die notwendige innere Wer­tung bei Mädchen zu Pflegen, wird den Wunsch nach der Ehe aus Gründen der bequemen Versorgung wenn nicht aus der Welt schaffen, so doch auf einen erträglich kleinen Umfang be­schränken. Das Bestreben, in einer Ehe den Kameraden und Freund, den Menschen zu finden, mit dem man das Leben Hand in Hand durch öde Schluchten und auf sonnigen Wegen durch­wandert; das Bestreben, Mutter zu werden der Kinder, die man freudig wachsen sieht, weil beide Menschen in diesem neuen Menschen eins find, das wird die neue, ethische, schönste und natür­lichste Form der Ehe werden müssen. Im Sozialisierungsgesctz wird das Recht auf Arbeit verbürgt. Der neue Staat wird ein sozialer werden in des Wortes voll­kommenster Bedeutung.Alles für den Staat, aber auch alles daneben wußte davon nichts, da war für die Begegnungen des Glückes(das heißt der Jugend) gesorgt." Die Unterhaltung drehte sich um Gegenstände der Kunst und Wissenschaft, Klatscherei verbat sich Goethe:Euren Schmutz kehrt bei euch zusammen, aber bringt ihn mir nicht ins Haus." Das ganze Leben in Weimar   war äußerlich sehr einfach, in Herz und Geist um so reicher. Man hatte viel Zeit füreinander und für sich selbst. Wie schön faßt die Goetheschülerin das zu­sammen, was Goethe den Deutschen   bedeutet:Er gab seinem Volke eine Sprache, den deutschen Geistern einen Mittelpunkt, er weckte schlummernde Kräfte, Gedanken, Gefühle und Bestrebungen in einem Maße, welches sich besonders darin dokumentiert, daß nach einem Jahrhundert seines Wandelns und Wirkens kaum ein deutsches Werk erscheint ohne Motto aus Goethds Schriften und ohne Zitate zur Bekräftigung ausgesprochener Ansichten. So reich und voll er das geistige Leben erfaßte und beherrschte, so bedürf­nislos war er im äußeren Leben. In seiner unansehnlichen Wohn­stube leuchteten und lebten mit ihm, durch ihn und in ihm große und gute Geister, in seiner unansehnlichen Equipage, in seinen unansehnlichen grauen Mantel gehüllt, spendete er Gedanken, Lebensweisheit, menschenfreundliche Gesinnungen; in seinen ein­fachen Gärten war keine Blume für ihn ohne Genuß, kein Licht- und Farbeneffekt ohne Beachtung, keine Naturerscheinung ohne Gedankenanregung." Und die um Goethe! Johanna Schopenhauer  , in deren Zirkel selbst die sonst verpönte Politik Beachtung fand, verstand es, sich selbst in den Hintergrund zu stellen und trotzdem, wie mit un­sichtbaren Fäden, die Geister in Bewegung zu halten. Ihre be- gabte, aber so leidenschaftliche Tochter Adele, die keines ihrer vielen Talente richtig ausbildete, weil sie keine Ausdauer hatte. Artur Schopenhauer  , der sich allen unsympathisch machte und dessen Zerwürfnis mit der Mutter Goethe   so gern ausgeglichen hätte. Ottilie, Goethes Schwiegertochter,das Kind der Phantasie, und doch so erfüllt von dem Gefühl der Pflicht, der Hingebung an den Vater, dem sie täglich viele Stunden widmete, mit dem sie las, der ihr diktierte, der ihr vorlas. Ihr Sohn August, dem von durch den Staat!" Garantieren wir dem neuen Bürger, der neuen Bürgerin die Existenz, dann können wir von beiden die Er­füllung der Pflichten gegen den. Staat verlangen. Beides hängt politisch, aber auch wirtschaftlich eng zusammen. Ein Umbau unserer Gesetze, in erster Linie der Ehegesetze, ist ein dringendes Erfordernis. Fangen wir da sehr bald an und an der Stelle, wo es am nötigsten ist: bei der Umgestaltung des Ehescheidungsgesetzes. Es ist ein Zustand krassester Unkultur und Unsittlichkeit, Menschen gewaltsam zusammenzu- zwingen, die sich innerlich fremd geworden sind. Die vier Jahre Krieg und die damit verbundene räumliche Trennung der un­zähligen Ehen hat vielen Männern und Frauen mit erschreckender Klarheit gezeigt, daß ihre Ehe etwas Hohles und Gehaltloses war und den einzigen Kitt in der Gewöhnung hatte. Die in hohem Maße erstandene wirtschaftliche Tätigkeit und Selbständig­keit der Kriegerfrau hat den Blick der Beteiligten geweitet: sie sehen nicht mehr aus der Enge der kleinen Häuslichkeit die Dinge, ordnen sich nicht selbstverständlich unter die bestimmende Gewalt des zurückgekehrten Mannes. Es sind Konflikte dal Die wenigsten Männer und Frauen werden das alles klar erkennen; aber sie empfinden es, und in irgendeiner Form wird ein Ausweg aus seelischer Bedrückung gefunden. Wieviel könnte hier schon die Formel der alten Gesetzesbestimmungen helfen, die eine Ehe auf Grund gegenseitiger Abneigung trennte! Die neueren Bestim­mungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs  , die einen schlimmen Rück­schritt bedeuteten, müßten gegenwärtig und schnell verschwinden. Bei der heutigen Art der Behandlung aller Ehescheidungsfragen ist es selbstverständlich, daß viele Männer und Frauen die Last ihrer häßlichen Ehen weitertragen, weil die Konstruierung der sogenannten Schuldfrage wirtschaftlich und seelisch beim einzelnen ein ungeheures Maß von Kraft voraussetzt. Was also vor dem Kriege schon viele Menschen, die durch ihre Verbindung miteinander leben mußten, tief unglücklich machte, ist während des Krieges und nachher Massenerscheinung geworden. Hinzu kommt die geradezu verhängnisvoll gewesene Einrichtung der Kricgstrauung, die unzähligen Frauen und Männern die Glücksmöglichkeiten einer Ehe nach dem Grundsatz:Drum prüfe, wer sich ewig bindet", versperrt. Die Motive zur Kriegstrauung können in den meisten Fällen gute und edle gewesen sein. Aber es kommt doch nun auf die Wirkung a». Und diese ist so, daß viel persönliches Glück durch einen übereilten Schritt verloren geht, außerdem aber, vom bevölkerungspolitischen Standpunkt aus, sich frühester Kindheit an jeder, der Goethe aufsuchte, alle erdenklichen Zärtlichkeiten erwies. Die Erwartungen, die sein Vater in ihn setzte, konnte er nicht erfüllen. Außerhalb des Hauses umgaben ihn Schmeichler. Ottilie liebte in ihm den Sohn seines Vaters, den sie mit den schönsten Träumen ihrer Phantasie schmückte. Ihr Geist vermochte ihn auf die Dauer nicht zu fesseln. Ihre Ehe wurde durch beider Schuld sehr unglücklich. Er starb, fern von der Heimat, fern vom Vater, in Rom  . Felix Mendelssohn  , Goethes David, weilte viel in. Weimar   und widerlegte die Annahme, daß Goethe von Musik nichts verstand, init dem schönen Worte:Goethe erfaßt die Musik mit dem Herzen, und wer das nicht kann, bleibt ihr sein Lebtag fremd. Als Felix von Weimar schied, hinterließ er nur trauernde Freunde, nicht einen Feind. Den Antisemitismus, der leider heute auch in die Kunst hineingetragen wird, kannte das klassische Weimar nicht. Von weitestgehendem Einfluß auf die Frauenwelt von damals waren drei Namen: Rahel Varnhagcn, Bettina v. Arnim und Charlotte Stieglitz.  Da werdet ihr Bedeutendes kennenlernen," sagte Goethe  , als er Rahels Besuch in Weimar   ankündigte. Rahel mit dem Prinzip des allgemein Großartigen, des ewig Rechten, mit der einzigen Berücksichtigung de? Wahren, mit der enthusia­stischen Liebe des Schönen und Guten." Dann Bettina,die kleine Elfe unter den Nützlichkeitsmenschen". Ihr BuchGoethes   Brief­wechsel mit einem Kinde" bedeutete der Frauenwelt von damals ein gültiges Meisterstück des weiblichen Vermögens, für das Jahr­hundert eine Bittschrift der Poesie, daß man sie nicht im Schatten der Vernunft erstarren lasse, daß man die bunten Flügel vor dem Verschrumpfen, die zarten Glieder vor dem Erfrieren retten möge". Die dritte, Charlotte Stieglitz  , brachte sich selbst zum Opfer, um ihren Gatten zu der Größe emporzuziehen, in der sie ihn sehen wollte. Sie gedachte in ihren letzten Zeilen deserziehenden Un­glücks" und wurde Schicksal und Opfer durch eigenen Willen und durch eigene Kraft.Irrte auch der Gedanke in dieser treuen Frau, war auch ihre Tat ein grauenvoller Wahn, die Absicht trägt das edelste Gepräge,' und im Gefühl offenbart sich in reiner Glorie da? Ewigweibliche!"