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Die Gleichheit

Volkswirtschaft der ganzen Menschheit vor Augen zu führen. Die Lösung ist möglich, sobald wir nur wieder etwas mehr zur Besinnung kommen und der fiebernde Volkskörper fich etwas beruhigen kann. Vorerst haben wir die Probe noch nicht bestanden. Daran ändern alle gegenseitigen Vorwürfe nichts. Ja, wir müssen annehmen, daß der Bruderstreit die beschleunigte Sozialisierung zeitlich und örtlich verhindert, so daß einstweilen das Privatkapital der lachende Dritte ist.

Pläne und Entwürfe zur Sozialisierung gibt es in Fülle. Die Ausführung hängt von der organisatorischen Araft einzelner ebenso ab wie von der sozialen Arbeitspflicht und der Verantwortlichkeit aller. Gerade der sozialistische Gedanke unbedingter Arbeits­pflicht für jedermann ist arg ins Hintertreffen geraten in dieser Zeit, da er erstes Gebot sein sollte. Und über den ganz allgemeinen Forderungen nach Gerstärkter Sozialisierung vergaßen viele ihre sozialen Pflichten.

Wir haber all die Jahre als politische Partei vorwiegend die Gesichtspunkte in den Vordergrund gedrängt, die uns als Konsumenten angingen. Nun, da wir Sozialisten die Produktion bestimmend beeinflussen und lenken sollen, stellt sich dasselbe Bild heraus, was erfahrene Genossen­schaftler im kleinen bereits bei den Produktivgenossenschaften aus früherer Zeit erlebten: es muß vorerst tüchtiger und gewissenhafter gearbeitet werden als im alten kapitalistischen  Betrieb, bis eine gesunde volkswirtschaftliche Basis erreicht ist! Unbeschadet der verschiedenen Richtungen müßten sich die Sozialisten jetzt zum mindesten in einem zusammenfinden: planmäßige Arbeit am Sozialisierungswerk! Die Lei­stungsfähigkeit des Betriebs der gesamten deutschen Industrie muß unter allen Umständen wieder gewährleistet werden. Die Betriebe müssen allen Arbeitern offen stehen, so weit Arbeitspläge benötigt werden. Volkswirtschaftlich un­rentable Betriebe find völlig umzugestalten oder eventuell aus­zuschalten. Die Arbeiterräte müssen selber schärfste Kontrolle führen über den Produktionsprozeß, aber auch über die ge­leistete Arbeit. Darüber hinaus müssen die öffentlich- recht­lichen Körperschaften wie Staat und Gemeinde ihren ent­scheidenden Einfluß zur Geltung bringen in den sozialisierten Betrieben. Überschüsse sind dem Volksganzen zuzuführen, während Zuschüsse nur bei gemeinnötigen Betrieben( Ranali­sation, Wasser, Krankenheilanstalten usw.) dauernd geleistet werden können.

Will man aber wissen, wie wir am schnellsten zur stärkeren Sozialisierung fkommen, so gibt es nur eine Antwort: alle Sozialisten müssen verstärktes Verantwortlich. feitsgefühl aufbringen. Die Frauen nicht minder als bie Männer! Emil Dittmer.

Sozialistische Kindererziehung.

Für jede politische Partei ist es eine Lebensfrage, über einen reichlichen und gesunden Nachwuchs zu verfügen. Die Jugend ist die Quelle, die für den großen Strom der Organi­fation nubbar gemacht wird.

Auch die Sozialdemokratische Partei Deutschlands   muß diese unermüdlich sprudelnde und sich immer wieder er­neuernde Quelle für sich nußbar machen. Es genügt nicht mehr, die Arbeiterjugend einfach in den Sozialismus hinein­wachsen zu lassen. überall gibt es Ablenkungen, die die Jugend auf eine andere Bahn bringen, und gerade die großen und mittleren Städte mit ihren vielen Vergnügungsstätten, fittlichen Gefahren, Geselligkeitsvereinen und bürgerlichen Jugendpflegebestrebungen lassen viele junge prächtige Men­schenkinder der Partei verlorengehen. Wenn auch ein Teil dieser Menschen im späteren Alter durch die Macht der wirt­schaftlichen Verhältnisse den Weg in unsere Reihen findet, so ist uns doch gerade ihr Bestes verlorengegangen, ihre Jugend, in der wir sie mit sozialistischem Geiste hätten erfüllen und sie zu tüchtigen Berufsarbeitern und wahren Bürgern eines fozialen Staates hätten erziehen können.

3wei Mütter.

Wie ich so unter den Bäumen lag, Sah ich zwei mütter. Die erste sprach, Den Blondkopf stolz gen Himmel gewandt: ,, Drei Söhne gab ich dem Vaterland! Der erste fiel stürmend in vorderster Reihn, Dem zweiten zerriß die Granate das Bein, Der dritte kämpft in Berg   und Tal­Teil der Mauer von Eisen und Stahl. Und ob auch ihn der Tod einst küßt: Wenn nur die Heimat gerettet ist!"

Die zweite senkte weinend das Haupt: ,, Drei Söhne hat der Krieg mir geraubt! Der erste ruht auf dem Meeresgrund, Der zweite heimkehrte weh und wund, Der dritte, der jüngste, der Heimat verbannt, Lebt noch, gefangen in Feindesland.

Nr. 17

mich freut kein Lenz mehr, mich freut kein Sieg: Drei Söhne nahm mir der Moloch Krieg! Drei dem schaffenden Leben geboren, Ums Leben betrogen, der Freude verloren...." Und wie sie still vorüber ging,

War mir's, als flocht der Sonne   Licht Dicht um ihr Haupt einen goldenen Ring. Ich aber neigte mich, da sie ging, Tief vor dem heiligen Angesicht.

Kurt Heilbut.

Seitdem es in Deutschland   eine freie Jugendbewegung gibt, die seit dem Jahre 1908 durch die offiziellen Partei­instanzen materiell und ideell unterstützt wird, ist es möglich geworden, auf die schulentlassene Proletarierjugend Einfluß zu gewinnen. Die freien Jugendorganisationen haben vor und nach dem Reichsvereinsgesetz von 1908 tüchtige Auf­flärungsarbeit geleistet. Ihr Kampf gegen Alkohol, Nikotin, Kinoschund und Schundliteratur, ihr Eintreten für bessere Arbeitsbedingungen der Lehrlinge, jugendlichen Arbeiter und Arbeiterinnen, ihre Bildungsarbeit und Pflege der Körperkultur haben der Partei und den Gewerkschaften eine Reihe geistig und körperlich gesunder Kräfte zugeführt.

Aber was bedeuten die Erfolge unserer Jugendbewegung gegenüber der ungeheuren Masse der erwerbstätigen Jugend? Nur der kleinste Teil wird von den Jugendorganisationen erfaßt. Nach wie vor füllen sich die bürgerlichen Jugendver­einigungen aller Schattierungen mit Arbeiterjugend; nach wie vor gehen uns Hunderttausende verloren, weil sie ein­fach unorganisierbar sind. Diele Jugendlichen sind so lebens­hungerig und zu so wenigen Kulturansprüchen erzogen, daß fie in einem Jugendverein, in dem Vorträge gehalten werden und gespielt, gesungen, gewandert, gelesen und debattiert wird, nicht aushalten. Hat sie der Arm der Organisation irgendwo gepackt, so laufen sie doch in allernächster Zeit wieder davon, um in den Vergnügungsstätten, auf der Straße usw. auszutollen, ihre Freiheit zu genießen".

Psychologisch ist das auch verständlich. Diese jungen Men­schenkinder aus den engen Hinterhäusern der Großstadt sind derartig mit Lebenskraft geladen, daß sie alles, was irgend­wie mit Bildung zusammenhängt, als 3wang verabscheiten. Das eintönige Einerlei der Schule steht noch zu frisch vor ihrer Seele. Die bürgerlichen Jugendvereinigungen sind da­her seit langem dazu übergegangen, die Erfassung der Jugend­lichen auf einen früheren Zeitpunkt, in das schulpflichtige Alter hinein, zu verlegen. Mit dem elften Lebensjahr werden die Knaben und Mädchen in besonderen Knaben- und Mäd­chenklubs gesammelt. Ein Pastor, ein Lehrer, ein besonders dafür angestellter Jugendpfleger usw. erzählen den Knaben Lederstrumpf- Indianergeschichten, Geschichten von Till Eulen­ spiegel  , den Schildbürgern, Onkel Toms Hütte, Tausendund­ eine Nacht  , Reineke Fuchs, Kriegsabenteuer, Sagen und ge­