Nr. 18
Die Gleichheit
absehbarer Zeit au neuen friegerischen Zusammenstößen führen. Dieser Gewaltfriede, wenn er so geschlossen würde, würde überhaupt nicht nur der Keim, sondern der Anfang eines neuen Krieges sein.( Sehr richtig!) Das wäre dann die Zukunft unserer Kinder. Wir wollen aber unsere Kinder zu Kulturmenschen erziehen, sie sollen teilhaben an den Schönheiten und Freuden des Lebens. Wir Frauen sind die Trägerinnen des Lebens und nicht die Dienerinnen des Todes, und so fordern wir, daß unsere Schwestern überall in der Welt mit uns einstimmen in den Ruf gegen den Krieg; fie können nicht anders fühlen als wir.
Würde dieser Frieden zur Wirklichkeit, dann bedeutete er auch für die übrigen Völker Europas Versklavung oder Aufruhr und neuen Krieg. Wir lehnen diesen Frieden ab um all dieser furchtbaren Konsequenzen willen, die er nach sich ziehen müßte. Wir fordern Verhandlungen auf Grund der deutschen Gegenvorschläge und auf
Grund der 14 Punkte Wilsons.
Wir Frauen sind Gläubige, bis uns der Tod trifft, und so rufen wir noch einmal das Gewissen der Welt auf, mit uns auf der Grundlage der 14 Punkte Wilsons einen Frieden der Gerechtigkeit zu erkämpfen.( Beifall.)
Wir fordern Gerechtigkeit an Stelle von Gewalt und Rache. Wir wollen den Frieden, aber nicht dieses Zerrbild eines Friedens. Wir wollen die Freiheit zum Arbeiten und zum Leben behalten.
Meine Herren und Damen! Ich glaube, wir Frauen gerade sind uns in diefer Stunde der furchtbaren Verantwortung bewußt, welche wir tragen; denn jede einzelne Mutter hat für die Zukunft ihrer Kinder einzustehen, für jede einzelne Mutter bedeutet es nicht nur den eigenen Untergang, wenn die ganzen Härten dieses Vertrags ausgeführt würden. Wir leben in unseren Kindern, aber weil es so ist, darum wollen wir, daß sie ein freies Leben haben, und um ihretwillen müssen wir diesen Frieden ablehnen.( Leb= hafter Beifall.)
In der Begrüßungsrede wurde uns ein großes Wort aus der Vergangenheit gesagt:. Wenn ihr versinkt, versinkt die ganze Menschheit! Das ist nicht nur ein Wort aus der Vergangenheit, sondern es ist ein Wort, welches aus der Zukunft zu uns herüberklingt.
Es ist für uns Frauen eine furchtbare Stunde! Dieser Frieden, den wir mit brennender Seele fast fünf Jahre lang ersehnt haben, wird uns nun in einer Form geboten, daß wir ihn um der Menschheit willen, um der Zukunft willen ablehnen müssen. Es ist nicht leicht! Aber es ist das, was wir unseren Kindern, was wir der Zukunft der Menschheit schuldig sind. Weil wir den Frieden der
der Menschen, den aller Hilfsmittel beraubten Kranken und Schwerverwundeten. So heißt es am 10. November 1916:
" Ich frage mich wieder und immer wieder, wie lange dieser Schwindel, dieser niederträchtige Betrug noch andauern soll. Wir empfangen täglich 80 bis 100 Liter Milch von der Ortskommandantur, darunter 14 Liter Vollmilch für Schwerkranke( Nierenentzündung, Gasvergiftung usw.), das übrige ist Magermilch. Die Vollmilch wandert sofort in zwei Eimern ins Kasino. Hier werden für die notleidenden Sanitätsoffiziere Streuselkuchen gebacken, desgleichen Torten, Cremeschnittchen, Budding usw. Das geschieht täglich ohne Ausnahme. Unseren Schwertranten, die mit dickgeschwollenen, aus den Höhlen tretenden Augen liegen und sich vor Schmerzen winden, für die die Vollmilch be= stimmt ist, weil fie teine feste Nahrung zu sich nehmen können, gibt man für den ganzen Tag zwei Becher blaues Wasser, genannt Magermilch. Davon sollen sie leben/ und wieder gefund werden. Wo die verordnenden Ärzte aus Pflichtgefühl und als Menschen handeln und den Schwerkranken und Verwundeten Erleichterungen und Zulagen durch bessere, kräftige Verpflegung herbeiführen wollen, streicht dieser gewiffenlose Lump, der sich Chefarzt nennt, auf 8Bureden seines Komplicen, des Lazarettinspektors, den Ärmsten der Armen alles. Ich kann das nicht zu beschreibende Elend nicht mehr mitansehen."
Ganze Ladungen Liebespatete werden von den Offizieren geplündert; auf Anordnung des Chefs wird ein Paket, deffen Verpackung Fettinhalt vermuten läßt, beraubt. Tabat, 3igarren, Seife, Wein, Porzellan, kurz, alles, was sich nur denken läßt, verschwindet im Kasino; die Verwundeten erhalten keine genügenden Lebensmittel, denn:„ Wir wollen hier keine Masttur aufmachen." Diese rohe äußerung stammt vom Chefarzt, einem Manne, der seit Kriegsausbruch 30 000 Mart erhalten hat( abgesehen von allen Unterschlagungen) und dafür bis Ende November dreimal vergeblich versucht hat, einen Zahn zu ziehen! Roheit überall, ja direkter Mord: zwei Veripundete erhalten statt der Kochsalzlösung Wasserstoffsuperoryd eingesprigt: sie sterben!
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Völker wollen, darum ist dieses Berrbild eines Friedens für uns unannehmbar, und aus diesen Gründen müssen unsere Schwestern in den heute uns noch feindlichen Ländern mit eintreten in den Kampf: auch sie müssen diesen Frieden ablehnen. Sie müssen mit uns eins sein, daß ein Friede geschlossen.wird, der auch wirklich garantiert, daß nicht wieder ein solches Blutvergießen über die Menschheit kommen kann. Ein Friede in des Wortes heiligster und höchster Bedeutung!( Lebhafter, andauernder Beifall und Hände flatschen.)
Für den gefährdeten Westen und für die besetzten Gebiete sprach Frau Weber vom Zentrum. In leidenschaftlich- schönen Worten gab sie ihrer Heimatliebe Ausdruck:„ Eupen und Malmedy sollen an Belgien fallen,... dann ist zu gleicher Zeit auch das Schicksal der Stadt Aachen entschieden." Von den Leiden unserer Volksgenossen in den besetzten Gebieten sprach sie und von der zerstörten Hoffnung, welche die Frauen an den Völkerbund geknüpft hatten.
Im preußischen Abgeordnetenhaus sprach von jeder Fraktion eine Frau zu den Friedensbedingungen; für die Sozialdemofraten die Genossin Ege( Frankfurt a. M.).
Die in Berlin erscheinende konservative Tageszeitung„ Die Post" schwieg die Frauenreden der Nationalversammlung tot. Die Leute glauben noch immer, die eine Hälfte der Menschheit in der Entwicklung der Geschichte ausschalten zu können.
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Ein internationaler Frauenkongreß, der vom Frauenkomitee für dauernden Frieden einberufen war, tagte vom 5. bis 15. Mai in Zürich . Es wurden Resolutionen angenommen, welche die Aufhebung der Blockade und den wirklichen Völkerbund verlangen.
Gegen Menschen und gegen Schicksale ist es nicht bloß die edelste und sich selbst am meisten ehrende, sondern auch die am meisten auf dauernde Ruhe und Heiterkeit berechnete Gemütsstimmung, nicht gegen sie zu streifen, sondern sich, wo und wie es nur immer das Verhältnis erlaubt, zu fügen, was sie geben, als Geschenk anzusehen, aber nicht mehr zu verlangen, und am wenigsten mißmutig über das zu werden, was sie verweigern. W. von Humboldt.
Der dem Lazarett zugeteilte Pfarrer predigt von den Lilien auf dem Felde und macht die fluchwürdigen Treibereien mit. Diese Auslese wird genügen. Was man hier erfährt, ist himmelschreiend, läßt sich niemals entschuldigen, auch dadurch nicht, daß diese Vorkommnisse der Ausfluß eines ganzen Systems sind. Und Artur Bidler, der zu diesen Aufzeichnungen ein vortreffliches Vorwort schrieb, hat recht, wenn er sagt:„ Derartige Zustände, wie die hier geschilderten, in einem Lazarett während der langen Dauer des Krieges wären unmöglich, wenn nicht das ganze System einen ausgezeichneten Nährboden für die Fäulnis geboten hätte, wenn nicht der Körper selbst durchfault gewesen wäre.... Das einzige, was übrigbleibt, ist die Pflicht des Volkes, daraus zu lernen, zu lernen, daß um alles in der Welt kein System wiedertehren darf, das sich derartig an einem tüchtigen, arbeitsamen und leider nur zu autoritätsfrommen Volfe vergehen durfte."
Den Frauen.
Karl Diesel.
Frauen! Mütter! Es ward unser Tag! Nun möge kommen, was tommen mag. Nun müssen Mut und Kraft wir spenden Und Segen und Sonne mit Mutterhänden, Daß unserm Volt in des Todes Nacht Noch einmal die Sonne des Lebens lacht. Lasset uns aufrecht zum Tode gehn. Das wir lebten, das Sein war schön. Es war der Arbeit, der Sorgen voll, Und doch von Segen es überquoll. Nun ist es vorbei. Wir flagen nicht. Es trifft uns schuldlos ein schwer Gericht. Wir bleiben aufrecht, wie tief es auch traf, Und sterben so. Lieber tot als Sklav. Henr. Fürth .