Nr. 22

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Frauenstimmrechtssiege

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Die Gleichheit

Annette Charreau schreibt in der" Humanité": Der Monat Mai bat uns bret große Frauenerfolge gebracht: die französische  Rammer, der schwedische Reichstag und die holländische Kammer haben den Frauen die in dem Zeitraum von drei Wochen gleichen politischen Rechte zuerkannt wie den Männern. Die Befreiungswelle, bie, bom Often lommend, gegen unsere alte Gesellschaft brandete, erschütterte die Hochburgen der alten Ver­faffung. Sie goingt die Barlamente des europäischen   Abend­Landes, den Rhythmus der politischen und sozialen Umwandlung gu beschleunigen.

In Holland  

Die Holländerinnen genießen schon einige politischen Vorrechte. Ohne das Stimmrecht zu haben, waren fie wahlberechtigt für die Beschließenden Versammlungen, und seit einiger Zeit haben die verschiedenen Parteien die Gewohnheit angenommen, auf die Liste ihrer Kandidaten einige Frauennamen zu sehen, ohne ihnen tm allgemeinen eine so gute Stelle einzuräumen, daß sie ge­wählt werden könnten.

Bei den letzten Wahlen indessen wurde die Bürgerin Suze Groeneweg   gewählt, die an dritter Stelle auf einer sozialistischen  Lifte stand.

Diese Teilnahme einiger Frauen menigftens an den politi­schen Kämpfen hat die Bewegung zugunsten des Frauenstimm­rechts sehr begünstigt. Schon 1916 gab es in der holländischen Rammer wichtige Debatten, die ein lebhaftes Licht auf die Frage warfen. Die Sozialisten, besonders Troelstra   und Van Leeuwen, berteidigten energisch die Frauenrechte.

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" Die Frauen," sagte Troelstra  , weil sie Frauen sind aus feinem anderen Grund, sehen ihre Arbeit schlechter bezahlt als die der Männer. Wenn man für sie das Stimmrecht verlangt, damit sie sich endlich schützen können, sagen die Männer der­felben Klasse wie ihre Arbeitgeber, daß die Frau in die Familie gehört, daß das Wahlrecht sie ihre häuslichen Pflichten vergessen Heße, daß der Besitz des Stimmrechts ihnen ihre weiblichen Eigenschaften nehmen werde. Die traurigen Ergebnisse der Aus­beutung der Frauen durch die Arbeitgeber werden von den Männern und Frauen der Arbeit gleich tief empfunden. Sie müssen gemeinsam gegen den Kapitalismus fämpfen. Und dafür brauchen die Frauen wie die Männer das Wahlrecht."

Der Sieg kommt nicht dieses Jahr, aber es wird augenschein­lich selbst für die Widerstrebendsten, daß die Reform nicht lange aufgeschoben werden kann. Nach der Wahl von Suze Groeneweg  brachte der radikale Abgeordnete Marchand ein Amendement ein, einfach das Wort männlich", das im alten Tert des Wahlge­fetes steht, fortzulassen. Bei der Besprechung in der Zweiten Kammer, am 9. Mai, ging es mit 64 au 10 Stimmen durch. Und fein nächster Erfolg bei der Ersten Kammer erscheint nicht zweifelhaft. Die Holländerinnen werden also 1922, bei der näch­ften Wahl zur gesetzgebenden Versammlung wählen, wenn nicht gar die voraussichtliche Revision der Verfassung, oder eine Folge unerwarteter Ereignisse, die immer möglich ist in der Zeit, in der wir leben, das Datum der nächsten Abstimmung näher rückt. In Schweden  

Die Frauenbewegung in Schweden   ist schon alt. Bereits 1864 erhielten die Schwebinnen, die ein persönliches Einkommen hatten oder Steuern zahlten, das Gemeindewahlrecht. Seit dieser Zeit war eine traftvolle Frauenemanzipations- Bewegung im Land, dank des Anstoßes, den sie durch die talentvolle Romanschriftstelle rin und unermüdliche Kämpferin Frédérifa Bremer nach ihrer Rückkehr aus Amerika   1849 erhielt. Die erste Frauenver­einigung wurde allerdings erst 1884 gegründet. Sie trug den Namen Frédérika- Bremer- Bund" und arbeitete seitdem ohne Unterbrechung für die völlige Grorberung der politischen Gleichheit.

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Sie erreichten es nicht. Aber sie hatten doch die Genugtuung, den 1902 abgelehnten Vorschlag angenommen zu sehen. Sie organi fierten eine umfassende Petition und unterbreiteten dem Bar­lament 1907- allerdings ohne Erfolg ein Gesuch, das von 142 128 Namen unterzeichnet war! Dieselbe Petition, 1914 wieder­holt, trug 351 454 weibliche Unterschriften!

Indessen kam der Krieg und mit ihm die Revolutionen, die überall den Fortschritt der Reformen beschleunigten. Im April d. J., als ich Anna Lindhagen   traf, sprach sie mir von ihrer Gewißheit, das Frauenstimmrecht noch in diesem Jahre in threm Land triumphieren zu sehen. Die Ereignisse bestätigen ihre Voraussage. Und seit dem 24. Mai, nach einer günstigen Abstim­mung der beiden Kammern des schwedischen Parlaments, haben die schwedischen Frauen genau die gleichen politischen Rechte wie die Männer.

In Frankreich  

Nach der günstigen Abstimmung der Kammer nimmt nun der Senat die Frage in Angriff. Die großen Frauenverbände haben bereits an die Senatoren einen Brief gerichtet, in dem sie die Gerechtigkeit ihrer Sache klarlegen:

Die Kammer hat verstanden, daß die Töchter der fran­ zösischen   Republik   fünftig nicht auf die gleiche Stufe gestellt werden dürfen und werden können wie die Minderjährigen, Ver­brecher und Unzurechnungsfähigen. Sie hat unsere Demütigung gegenüber den Frauen der ganzen Welt verstanden, die fast alle das Stimmrecht erlangt haben, während unser Land noch an uns au gweifeln scheint.

Unsere Sache liegt jetzt in den Händen des Senats, und in vollem Vertrauen erwarten wir jetzt seine Entscheidung...

Geben Sie uns unseren Anteil an der Verantwortlichkeit des Boltes, und wir werden uns bemühen, Ihres Vertrauens und unseres Landes würdig zu sein...."

Sonnabend trugen die Delegierten der Arbeiterinnen aller lassen: Angestellte des Handels und der Verwaltung, Hütten­arbeiterinnen, Beamtinnen der Post, der Ministerien und Lehre­rinnen, zum Luxembourg die gleichen Forderungen. Der Senat wird sein Ohr dem vereinigten Konzert nicht lange verschließen können, das sich von allen Seiten zugunsten der Frauenemanzipa­tion erhebt.

Die Stunde des beginnenden Frauenrechts ist nahe.

Kurt Heilbut.

Die englische Arbeiterkonferenz

Wer erwartet hat, daß die englische und französische   Ar­beiterschaft sich gegen die harten Friedensbedingungen, die Deutschland   auferlegt wurden, empören und für uns ein­treten würden, der ist schwer enttäuscht worden. Wer da­gegen mit ruhigeren Augen die Dinge ansah, wird nicht weiter überrascht sein, daß die Weltrevolution, auf die so biele hofften, noch nicht da ist und auch nicht so schnell kom­men wird, weil eben sehr viele Vorbedingungen für eine Revolution bei einem siegreichen Volke fehlen. Es wird erst noch eine Zeit vergehen müssen, bis die Völker erkennen, daß auch die siegreichen Völker in diesem Krieg um den Preis ihres Sieges betrogen werden.

Wenn man also ohne große Erwartungen den Kongreß der britischen Arbeiterpartei in Southport   verfolgt, so braucht man sich über die papiernen Beschlüsse", über die gegen­wärtig auch die englische Arbeiterschaft nicht hinaus kann", wie das Hamburger Echo" schreibt, nicht weiter zu erregen. Im Gegenteil darf man hoffnungsfreudig in die Zukunft blicken. Denn ohne Zweifel macht sich in der englischen Ar­beiterschaft gegenüber der Zeit vor dem Krieg ein tief ein­schneidender Stimmungsumschlag bemerkbar in den eng­

Er wurde in diesem heftigen Kampf durch einige farblidende und edle Männer unterstübt, an deren Spike man den gegen­wärtigen Bürgermeister von Stocholm, unseren Genossen Carl Lindhagen  , nennen muß, von dem der internationale Frauen- lischen Arbeitern hat der Krieg das Solidaritätsgefühl, ftimmrechts- Bund schreibt, daß er der unermüdliche Kämpfer für die Sache des Frauenstimmrechts in Schweden  " fei..

1902 legte er der Kammer einen Plan vor, der dahin ging, die Frage des politischen Frauenstimmrechts durch einen könig­lichen Ausschuß zu prüfen. Der Vorschlag wurde mit 111 gegen 64 Stimmen in der Zweiten Kammer und einstimmig in der Ersten Kammer verworfen. 1906, als das Parlament über die Einführung des allgemeinen Männerstimmrechts beriet, machten die Schwedinnen einen Feldzug, um das Wahlrecht zu erlangen.

das Zusammengehörigkeitsgefühl mit den europäischen   Ar­beitern geweckt. Die Bedeutung dieser Tatsache für die Internationale fann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Wenn also die englische Arbeiterschaft wenig geneigt scheint, sich für Deutschland   aktiv einzusetzen, so zeigt sie doch schon in ihrer Stellungnahme gegen Wilson, der ein Werk­zeug der amerikanischen   Kapitalisten sei", und mehr noch