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Die Gleich beit

in einer. Reihe von Entschließungen, daß sie sich über die Bedeutung der Friedensbestimmungen flar ist. Sie pro­testiert auf das schärfste dagegen und gibt uns so die Ge­wißheit, daß wir in unserem Kampf gegen den Zwangs­frieden nicht allein stehen. So wurde folgende Entschlie Bung Macdonalds einstimmig angenommen:

Die Konferenz hält die schleunige Aufnahme Deutsch  lands in den Völkerbund für unerläßlich, wie auch die unver­meidliche Revision derjenigen Bestimmungen des Friedens­bertrages, die mit den Bedingungen des Waffenstilstands­abkommens unvereinbar sind. Die Konferenz ruft die Ar­beiterbewegung zu einer kraftvollen Aktion auf, um gemein­sam mit der Internationale die Unterstützung der Völker für dieses Ziel zu erlangen."

In einer anderen Entschließung wurde gegen die Hunger­blockade protestiert und eine internationale Kontrolle über bie Rohstoffverteilung verlangt, an der auch Arbeitervertre­ter beteiligt sein sollten.

Auch Henderson trat für die schleunige Aufnahme Deutsch­Tands in den Völkerbund ein. Und der Vorsitzende des Non­gresses, Mc Gurk, erklärte: Die Arbeiter aller Länder wer­ben nicht eher ruhen, bis die Friedensbedingungen abgeän­bert und in Uebereinstimmung gebracht seien mit den demo­kratischen Prinzipien, für die die Arbeiter gekämpft hätten."

Weiter wurde beschlossen, sofort eine alliierte Abordnung nach Deutschland   zu senden, um die Lage dort zu untersuchen.

Es ist nun an uns, der Welt zu zeigen, daß es uns mit bem Sozialismus ernst ist. Dies wird der schnellste Weg sein, um das Mißtrauen zu zerstreuen, das in allen Län­dern noch gegen uns besteht. Aus der Zusammenarbeit mit der internationalen Arbeiterschaft aber wird auch uns der Frieden erblühen, den wir für uns, für unser Land und unser Volk brauchen. Die Haltung der englischen Ar­beiter auf dem Kongreß in Southport   läßt uns hoffen, daß dieses Ziel nicht mehr allzu fern ist. Kurt Heilbut  .

Mitteilungen

Rundschau. Als eine Wirtschaftliche Revolution" bezeichnet eine Denkschrift des englischen Kriegsausschusses für die Frauenarbeit den weiblichen Anteil am Wirtschaftsleben der Gegenwart. Ueber die Entwicklung der Frauenarbeit und ber weiblichen Löhne werden hier wichtige Angaben ge­macht. Das Einströmen der Frauen in die Industrie be­gann in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts mit der Zunahme der Maschinenarbeit. Die Zahl der in maschi nellen Betrieben beschäftigten Frauen stieg in England in dem Beitraum von 1901 bis 1911 um 52,4 Bros. Die Zahl der weib­lichen Arbeiter betrug im Juli 1914 172 000 und stieg während bes Krieges auf 819 000. Noch erstaunlicher war die Steigerung der Arbeitslöhne. Im Jahre 1833 erhielten die in den Baum­wollmühlen arbeitenden Frauen einen Lohn von 4 bis 10 Schilling die Woche, während die Männer bis zu 28 Schilling verdienten. 1886 war der wöchentliche Durchschnittsverdienst der Frauen in ber Metallindustrie 13 Schilling und der der Männer 80 Schilling. Bor dem Kriege hatte sich dann der Verdienst der Frauen wieder berringert und betrug wöchentlich nur etwa 11 Schilling durch­schnittlich. Erst der Krieg brachte eine durchgreifende Mende­rung. In der Metallindustrie verdienten gegen Ende 1918 die Frauen durchschnittlich 35 Schilling die Woche, und viele Frauen, bie schwere Arbeit verrichteten oder als Schaffnerin angestellt maren, brachten es auf 60 Schilling und mehr. Die Frauen, die To hohe Löhne erzielten, werden nun nicht mehr zufrieden sein, wenn sie wieder auf die Lohnstufe vor dem Kriege herabgedrückt werden sollten; und in der Lösung dieses Problems liegt eine Hauptfrage der Frauenarbeit. Die Bedingungen, unter denen bie Frauen vor dem Kriege arbeiteten," sagt die englische Denk­schrift, waren nicht derartig, um ihnen volle Gesundheit und Kraft zu sichern. Niedrige Löhne, ungenügende Ernährung, lange Arbeitszeit und der Mangel an Bewegung in frischer Luft riefen förperliche und wirtschaftliche ungenügende Leistungen hervor und ließen den Wert der Frauenarbeit zu gering einschätzen. Die Erfahrungen bei der Beschäftigung von Frauen während des

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Krieges haben bewiesen, wie wichtig gute Nahrung und häus­Itches Wohlbehagen für bie Gesundheit und die Leistungen der Frauen sind. Gut genährte Frauen tönnen eine viel größer Kraft entfalten als man ihnen bisher zugetraut hat, und ste tönnen unter günstigen Bedingungen ohne jebe Schädigung zu viel schwereren Arbeiten herangezogen werden, als man in ber Bergangenheit für möglich hielt." Diese Höchstleistungen der Frau sind aber nur möglich bei einer guten und ausreichenden Bezahlung, und deshalb fordert die Denkschrift, daß zur Siche rung und Erhaltung der körperlichen Gesundheit und Letftungs­fähigkeit teine erwachsene Frau ohne eine ausreichenden Unter halt gewährende Entlohnung beschäftigt werden darf". Diese geforderte Beschäftigung der Frau ist aber mur möglich bei einer außerordentlichen Steigerung der Produktion. Das Arbeitsfeld muß vergrößert werden, wenn die Frau neben dem Manne ihren Blaz an der Sonne voll behaupten will. Wenn die Frau, wie es die Kriegserfahrungen als möglich erscheinen lassen, in vielen Betrieben als Arbeiterin gleichberechtigt neben den Mann tritt, so muß sie auch den gleichen Lohn wie der Mann erhalten nach dem Gesetz: Gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit." Zwar wird dem Mann bei seiner größeren Erfahrung und seiner besonderen Eignung in manchen Arbeitsformen stets der Vorrang vor der Frau zugesprochen werden, jedoch gibt es wieder andere Arbeiten, in denen nach den Aussagen englischer Sachverständiger die Frauenarbeit der des Mannes vorzuziehen ist.

Am 19. Juni haben sich der Hamburg  - Altonaer Berein für Frauenstimmrecht G..", der Deutsche   Frauenausschuß für verschmolzen zu einer Internationalen Frauenliga für dauernden dauernden Frieden" und die Sozialpolitische Frauengruppe" Frieden." Die Beitung liegt in den Händen der bisher führen­ben Personen, wovon besonders Lida Gustava Heymann   als Joealistin wegen ihrer sehr radikalen Forderungen bekannt ist.

E. M.

Die freie wissenschaftliche Agrarkorrespondenz bringt einen Artikel, wonach Kinderarbeit der Billigkeit wegen befürwortet wird, und auch weil es erzieherisch und gesund ist. Disteln stechen, Rüben ziehen usw. wird mit leichten Turnübungen ver­glichen.

Ich bin gegenteiliger Meinung. Stundenlang dieselbe Bewe­gung machen, z. B. Rüben ziehen ist das Gegenteil von gesund, und es mit Turnen vergleichen, heißt die armen Kinder höhnen. Die sittlichen und anderen Gefahren sind für Erwerbsarbeit für E. M. Kinder auf dem Lande ebenso groß wie in der Stadt.

Formalsozialismus

Auf dem Parteitage sprach Wissell das Wort von der Formaldemokratie. Ich möchte von den Formalsozialisten sprechen, von denen, welche noch den Geist des Sozialismus nicht verstanden und in sich aufgenommen haben, deren Mitgliedschaft also noch leere Form ist.

Wir sind mit Bekenntnis unseres Zieles auch zum Stre­ben nach ihm verpflichtet ,, daß ihr es mit Freuden tut

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und nicht mit Seufzen", das wäre Beweis für eine richtige Weltanschauung. Im Gegensatz zu der durch tausend Jahre vom Staat gepflegten, will die sozialistische Welt­anschauung nichts davon wissen, daß Lebensfreude Sünde sei und vergebungsbedürftig. Wir Sozialisten erkennen nur Wirkliches an, wollen durch wirtschaftliche Gleichstel­lung aller im Leben zum hellenischen Bekenntnis zur Sinnenfreude, zum Genuß der Lebensschönheit, zur geistigen und moralischen Gleichheit auch der Geschlechter kommen. Wer davon wahrhaft erfüllt ist, kann nicht anders als sich glücklich fühlen bei der Pflege dieser Weltanschauung, welche den dumpfen Druck der Gemüter durch die staatliche Er­ziehung zur Entsagungstheorie, zum knechtseligen Glauben an die Erbsünde belastete.

Wir sehen mit leuchtenden Augen die Dinge der Welt, die von Menschen für Menschen gemacht wurden, und leben im sonnigen, freudigen Glauben an unser moralisches Recht zu glücklichem Dasein und zum Weiterbau der Menschheit. Ella Wierzbikki.

Verantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Bohm- Schuch. Druck: Vorwärts Buchdruckerei. Verlag: Buchhandlung Vorwärts Paul Singer G. m. b. S., fämtlich in Berlin   SW 68, Lindenstraße 3