Nr. 24

Die Gleichheit

Lassen, und die russische Räterepublik hat dem arbeitenden Volk gegenüber zu den schärfsten Zwangsmaßregeln, Taylor­system, Streifverbot usw. gegriffen und greifen müssen. Ge­rade das Entgegengesezte also, was sie, was der Kommu­nismus seinen Anhängern versprochen hat, ist eingetroffen. Mit Recht bemerkt May Adler: daß der Bolschewismus von heute längst nicht mehr dasselbe, sondern etwas viel Ge­mäßigteres ist als der vom Oktober 1917".

An der rauhen Wirklichkeit scheiterten die Träume der russischen Bolschewisten.

Wie wir sehen, sind weder die wirtschaftlichen Verhältnisse noch die Menschen für die sofortige Durchführung des kom­ munistischen und sozialistischen Idealzustandes reif" Und bieses nicht reif" sein heißt hier nichts anderes, als daß eine organische Fortentwicklung zur kommunistischen Gesellschaft eine Unmöglichkeit ist in der D- Zuggeschwindigkeit, mit der die Kommunisten diese Entwicklung erzwingen wollen, in der Schnelligkeit, mit der Kommunisten und Sozialisten sie her­beisehnen und herbeiwünschen.

War also die sofortige Verwirklichung des Kommunismus burch organische Entwicklung eine Unmöglichkeit, so konnte fie nur herbei gezwungen werden. Die russischen Kom­munisten haben denn auch nicht gezögert, die Wirtschafts­berhältnisse wie die Menschen den schärfsten Zwangsmaß­nahmen auszuseßen. Für jeden, der die volkswirtschaft­lichen und gesellschaftlichen Geseze nur etwas kennt, vor ollem für jeden Marristen war kein Zweifel, daß auch dieser unnatürliche, ja widernatürliche Zwang Unmögliches nicht möglich machen kann.

Insofern aber müssen wir Lenin und den russischen Kom­munisten dankbar sein, daß sie bei ihrem Versuch, den Kom­munismus heute schon zu verwirklichen, allen Möglichkeiten hartnäckig und zielbewußt nachgingen. Dadurch haben sie den besten, ja den einzigen praktischen Beweis geliefert, daß bie sofortige Durchführung des Kommunismus ein Unding, eine Unmöglichkeit ist. Wir müssen ihnen ferner dankbar

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alles Gute und Edle aus der unergründlichen Tiefe des menschlichen Herzens hervorzuzaubern vermag, erhält durch Rolland , den Schriftsteller, Dichter. Künstler, eine neue Bestä tigung. Rolland stellt das soll hier gleich festgelegt wer den den Leser seiner Werke in ein ganz besonderes Ver­hältnis zu den Gestalten, die er geschaffen, und das gelingt ihm, indem er in der eigentümlichsten Weise den großen Gedanken, auf den sich das Ganze aufbaut, in den Vordergrund trägt. Ich werde mich darüber im Folgenden näher aussprechen, bin aber schon jetzt gewiß, daß es die Leser Rollandscher Werke selbst merken. Diese Tatsache gibt seinen Büchern das Un­persönliche, das doch dabei sogar nicht entfremdend, erkältend wirkt, sie bewirkt, daß der Leser sozusagen mit allem verschmilzt, daß er mit zum engst Beteiligten wird.

Und noch mehr:

Schon wer den Beethoven " liest, dem wird es flar, daß Rolland , der Franzose Rolland , in einem gewissen Sinne mehr Deutscher ist als wir. Auch das ist eine Tatsache, deren Behauptung mir hoffentlich keinen Steinwurf einbringt. Und Nolland ist nicht der Einzige, an dem sie erwiesen wird. Es sei an Heinrich Heine erinnert, der in ebendemselben Sinne mehr Franzose war als die Franzosen. Das klingt parador, läßt sich aber verhältnismäßig einfach erklären. Ueberlegene, den Durchschnitt weit überragende Geister streben ganz naturgemäß über die Hindernisse hinaus, die ihnen er­ftehen, besiegen sie und vermögen kraft ihrer freieren Stellung, raft ihrer nicht durch Partei ,, standpunkte" eingeengten und Betrübten Objektivität, fraft ihres Genies weit besser alle Schwächen zu erkennen. Und hier, in diesem Augenblick, sett ihr Märtyrertum ein; sie werden zu Verkannten, zu Ver­folgten. Sie alle, ob Frauen, ob Männer, teilen das gleiche Schicksal, denn sie werden nicht begriffen vom Geiste des Noc­

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sein, daß sie die Fehler, die sie gemacht haben, offen und freimütig eingestanden, ja sogar selbst aufgedeckt haben und so den Arbeitern ihres Landes, und darüber hinaus den Pro­letariern der ganzen Welt gezeigt haben, wie man es nicht machen soll. Man darf mit ihnen hoffen, daß das Pro­letariat nun auch wirklich aus dem falschen Weg der russi­schen Bolschewisten lernt und in den anderen Ländern nicht die gleichen Fehler, die dort gemacht wurden, noch einmal begeht. Bei aller Dankbarkeit und Hochachtung, die Lenin und Tropki verdienen, dürfen wir aber nicht verkennen, daß sie das russische Volk auf einen Frrweg, man kann sagen: in eine Sackgasse geführt haben.

Den kommunistischen Heißspornen, die den Kommunismus morgen oder gar heute schon haben wollen, hält selbst Lenin entgegen: daß allein schon die dauerhafte Lösung der Auf­gabe, die Arbeitsproduktivität zu heben, jedenfalls( bc­sonders nach dem qualvollsten und zerstörendsten aller Kriege) einige Jahre erfordert". Und da in der Ver­kennung dieser Tatsache die russische Sowjetregierung zu rasch vorgegangen ist, so war sie nach den eigenen Worten ihres Vollzugsausschusses gezwungen, in bestimmten Fällen einen Schritt rückwärts zu machen oder ein Kompromiß mit den bürgerlichen Tendenzen einzugehen( zum Beispiel die Einführung von hohen Gehältern für eine Reihe von bür­gerlichen Spezialisten).

Von der Wiedereinführung der Affordlöhne, von der An­wendung des Zaylorsystems habe ich oben schon gesprochen. Auch sellen die Löhne den allgemeinen Arbeitsergebnissen angepaßt", das heißt nichts anderes, als heruntergedrückt

werden.

Aber auch im Heer ist die Kommandogewalt bereits Anfang 1918 wieder eingeführt und die Wählbarkeit der Führer beseitigt worden. Und wenn Lenin unter der Rätediktatur die Macht der Mehrheit der Arbeitenden" versteht, so deckt sich das vollkommen mit unseren Anschauungen von der Demokratie, feineswegs aber mit der Praxis, wie sie die Bolschewisten in Rußland bereits durchgeführt haben, wie sie

malen, der der herrschende ist, oder sie werden unterdrückt von der Tyrannei, die für ihre Eristenz fürchtet und jeden zu zec­malmen sucht, der an ihr rüttelt, an ihr zweifelt. Und weil das Vaterland diesen Großen nichts zu geben hat, weil sie dem Vaterlande nichts geben dürfen, weil sie es nur ins­geheim lieben dürfen, gehen sie in die Fremde, finden in ihr die gleichen Ziele und die gleichen Wünsche, wie sie die eigenen Volksgenossen haben und erkennen die Gültigkeit großer und guter Gedanken bei allen Nationen. Sie werden zu Mitbür­gern des fremden Landes, sei es zu persönlichen, sei es zu geistigen und weil sie es beffer studieren können als der Einheimische, lernen sie es auch eher begreifen.

Noch einiges aus seinem Leben:

Er geht nach Italien , er besucht Deutschland . Wieder in der Heimat, wird er Lehrer an der Sorbonne, und während er werden neue, seine Hörer in die Kunstgeschichte einführt, werden große Gedanken in ihm wach, reift in ihm sein bedeutendstes Werk und wird auch in dieser Zeit vollendet. Daneben ent­steht noch eine Fülle von einzelnen Schöpfungen: eine Reihe Dramen; Essays, die frühere und zeitgenössische Musiker be­handeln und aus denen die Beethoven - Biographie hervorge­gangen ist. Späterhin, nachdem sich die Hoffnungen auf das Theater zerschlagen haben, schreibt er die monumentalen Bio­graphien über Tolstoj , Beethoven und Michelangelo .

Anfangs totgeschwiegen, wird endlich sein Name doch be­fannter. Freilich: freiwillig hätte die herrschende Ba­riser Presse wohl schwerlich von diesem Manne Notiz genom­men, aber es ging doch wahrhaftig nicht an, den Träger des Nobelpreises zu ignorieren! Das litt die Eitelkeit schon nicht, die die Feder- Chauvinisten und ihren Anhang er­füllt. Trotzdem wurde natürlich gegen ihn und das preisge­frönte Wert, den Johann Christof" mit allen Mitteln geheßt,