Nr. 27 29. Jahrgang ie Gleichhei Zeitschrist für Arbeiterfrauen und Arbeiterinnen Mit den Beilagen: Für unsere Kinder. Die Frau und ihr Äaus Die Gleichheit erscheint wöchentlich Preis! Monatlich 1,20 Mark. Einzelnummer Zli Pfennig Durch die Post bezogen vierteljährlich ohne Pestellgeld Z,S0 Mark; unter Kreuzband 4,25 Mark Zuschriften sind zu richten an die Redaktion der Gleichheit, Berlin SW k», iiindenstraße 3 Fernsprecher: Amt Morihplatz>4740 Expedition I Berlin SW 08, Lindenstraße 3 Der Kampf gegen die Regierung! Bunt durcheinander wirbeln die politischen und wirt- schastspolitischen Ereignisse an uns vorüber. Was heut wichtig genug erscheint, um die ganze Entwicklung zu be- einslusse.i. ist morgen schon von Wichtigerem überholt. Es ist nicht ganz einfach, in diesem Auf und Ab am Staats­steuer zu sitzen und festen Kurs auf unser letztes Ziel: die Erreichung der sozialistischen Gesellschaft, zu halten. Klarer Kopf, eiserner Wille und menschliches Verstehen sind not­wendig, um stärker zu bleiben als alle Hindernisse, um freie Bahn zu schaffen. Die nationalistischen Rechtsparteien sowohl als die anti­nationalen Kommunisten und ihreunabhängigen" Helfer betrachten den Kampf gegen die Regierung als ihre große historische Aufgabe. Die Konservativen, um ihre alte Herr- schaft wieder aufzurichten; die Kommunisten, um zum ersten Male zur Macht zu gelangen und so an die Stelle der über­wundenen Militärdiktatur dieDiktatur des Proletariats " zu setzen. So verschieden die Gründe der beiden extremen Richtungen auch sind, Ziel, Mittel und Wege sind die gleichen: Sturz der Regierung und Volksvertretung, um die Herrschaft einer Minderheit einzuführen, und zwar durch wirtschaftlichen und bewaffneten Aufstand mit Hilfe der breiten Volksmassen. In gesunden Verhältnissen wäre es sicher sehr jchwer gewesen, die Arbeiterschaft zu politischen Streik» zu bewe­gen oder jeden wirtschaftlichen Kampf zu einem politischen zu machen. Aber unser Staats- und Wirtschaftsleben und damit unser gesamte? Volkskörper sind krank, äu»geblutet, am Rande des moralischen Untergangs. Da kostet es nicht viel, die Menschen leidenschaftsrasend, nur ihrem Lebens­hunger folgend zu machen, oder die Sehenden zur Ver­zweiflung zu bringen... r- Wir sind in einem so tiefen Unglück, wie es nie ein Volk durchlebte. Im Unglück aber gibt es für die Emzelfamilie sowie für die Gesamtheit anständiger Menschen nur eins: Zusammenstehen, gemeinsam tragen. Nur dann kann es überwunden werden, nur dann können auch aus dem schlimmsten Leid noch Werte erwachsen. Wenn aber selbstische Interessen in den Vordergrund treten, dann kann schnell alles verloren gehen. Und nicht viel fehlt bei uns bis zu diesem Ende. Wäre nach dem Noveinbcrmonat die Entwicklung, unge­hemmt von Streiks, Putschen, Sabotage der Unternehmer, in der begonnenen Richtung weitergegangen, so hätten wir einen Teil der Last schon überwunden. So aber ist sie schwerer geworden und täglich fast werden von rechts und links Anstrengungen gemacht, sie unerträglich werden zu lassen. Vor einigen Wochen drohte der Landarbeiter- st r e i k. Wirtschaftlich waren und sind die Forderungen der Landarbeiter in jeder Beziehung berechtigt, denn das Land­leben ist für den, der arbeiten muß, äußerst schwer. Aber die Kommunisten empfahlen nicht die Regelung der Lohn- und Arbeitsverhältnisse durch Tarifverträge, sondern durch Erntestreiks. Die Folge mußte verschärfte Lebensmittelnot, Hunger, Tod, Verzweiflung sein. Und den Junkern und Junkergenossen kam dieser Kampf wie ein Himmelsgeschenk. Seit Monaten hatten sie es verstanden, Waffen und Muni­tion unter der Deklarationlandwirtschaftliche Geräte" in die einzelnen Bezirke zu schaffen. Der Landarbeiterstreik sollte ihnen zum Vorwand werden, Soldaten zu bekommen und dann konnte die Gegenrevolution beginnen. Einmal entfacht, wäre es schwer gewesen, die Flammen zu löschen. Da kam der preußische Landwirtschaftsminister, Genosse Otto Braun , dazwischen und machte den sauberen Plan zunichte. Er sorgte für den Abschluß von Tarifverträgen und die Streiks erloschen; unsere Ernte ist gerettet. Dieses Vorkommnis sollte Kommunisten und Unabhän­gigen zeigen, wohin ihre Methode führt, aber es scheint, als ob ihnen viel weniger an dem Kampf gegen die Reak­tionäre, als gegen unsere Partei und unsere Genossen in der Negierung liegt. Denn schon wieder schwirrt es durch die Welt, daß neue Streiks kommen werden. Der nächste Winter wird eine schlimme Kohlennot bringen, aber es wird zu Bcrgarbeiterstreiks gehetzt. Andererseits ist der Wagen­mangel zum Transport der Kohle so groß geworden, daß es dringend der Aufklärung bedarf, ob die Gerüchte stim­men, nach denen deutsche Unternehmer Wagen an das Aus­land verkaufen. Ebenso werden Verkehrsstreiks propagiert, obwohl sie den Untergang der großstädtischen Arbeiterbe- völkerung bedeuten, denn jeder Mangel an nicht heran­geschafften Waren trifft zuerst die armen Klassen. Die reichen Leute halten's aus. Bei dem Kohlenmangel wird der Verkehr ohnehin stark eingeschränkt werden müssen. Und zu all diesen Kampfmitteln tragen jetzt die Deutsch­nationalen ein neues. Nachdem die Schuld dieser Leute an der Verlängerung des KricgeA dokumentarisch in der Nationalversammlung festgestellt worden ist, scheint ihnen auch das verwerflichste Mittel für ihre Zweck? recht zu sein. Diesmal handelt es sich um die Behauptung, daß die deutsche Regierung nichts tue, um unsere Gefangenen zurückzuerhalten, ja, daß es sogar dem Wunsche der Regie­rung entspräche, wenn sie noch in fremdem Lande blieben und daß deshalb keine Vertreter in die Kommission nach Versailles und keine Schiffe nach Malta entsandt worden seien. Durch solche Nachrichten wird natürlich eine unge­heure Erregung gegen die Regierung in unser Volk getra- gen. Und doch sind diese Behauptungen er­logen! Es gibt keinen anständigen Men­schen in Deutschland , der nicht die Erlö­sungsstunde für unsere gefangene nBrüder ersehnt. Und unsere Regierung hat uner» müdlich- bis heute verhandelt, um ihre so­fortige Heimkehr zu erwirken! Unsere Ver>