Nr. 27
Die Gleichheit
stehenden Frauen zu gewinnen. Nur durch die Frauen kann unser armes Deutschland wieder gedeihen, deshalb, so schloß Gen. Ege, twe jebe ihre Pflicht und helfe!
Nachdem die Vorsitzende einige geschäftliche Angelegenheiten erledigt hatte, erhielt Gen. Ege, Abgeordnete der Landesver= samlung, das Wort zu ihrem Referat:
Die Frauen in den Parlamenten
Die Rednerin schilderte zuerst den Kampf der Frauen ums Wahlrecht. Wie es immer nur die Sozialdemokratie gewesen ist, die dafür eintrat. Sie beleuchtete die Politik der übrigen Parteien im Kampf ums Frauenwahlrecht, dann die Wahlschlacht und ihre Folgen. Die Revolution mußte uns erst zu unserem Rechte verhelfen.
Dann behandelte die Rednerin die Tätigkeit unserer Genossinnen in der Preußischen Landesversammlung in recht verständlicher, wirksamer Weise. Sie wies auf das schöne Zusammenarbeiten von Frau und Mann hin, wie sich beide gegen seitig ergänzen. An allen Fragen nehmen die Frauen regen Anteil. Die ersten Tage im Parlament enttäuschten, doch all mählich gewöhnte man sich an die Tätigkeit. Die Hauptarbeit liegt ja in den Kommissionen, und in allen Kommissionen sitzen Frauen, die tüchtig mitarbeiten. Am meisten machten sich die Frauen bei der Friedensfrage, Erziehungs- und bei bevölke= rungspolitischen Fragen bemerkbar. Dort ist ihr Gebiet und da könnten sie ihre Erfahrungen anbringen. Aber nicht einmal in diesen so wichtigen Fragen waren sich die Frauen der verschiedenen Richtungen einig. Besonders im Ausschuß für Bevölke rungspolitik waren die Frauen vom Zentrum und der Deutschnationalen Boltspartei in Frauenfragen sehr rückständig. So 3. B. sehen sie es für unsittlich an, daß eine verheiratete Lehrerin als Erzieherin wirkt und schließlich die schwangere Mutter unterrichten würde. Rednerin zeigte noch an verschiedenen Fällen, wie notwendig es ist, als Frau im Parlamente aufzupassen, damit wir auch für die Frauen aus unsvem Volke das Beste leisten fönnen.
Bei der Hausangestelltenfrage, wo wir eine reichsgefeßliche Regelung des Arbeitsverhältnisses wünschen, brachten die Frauen aus dem Zentrum ebenfalls Verschlechterungsanträge ein. Soffentlich werden unsere Wählerinnen am nächsten Wahltage besser verstehen, wer ihre Interessen wirklich vertritt.
In der Diskussion erhielt zunächst Genossin Tesch aus der Nationalversammlung das Wort. Sie veranschaulicht an einer Reihe von Eingelfragen die Wirksamkeit der Frauen in der Nationalversammlung.
Gen. Dides aus Schlüchtern wünscht mehr Agitation auf dem Lande. Gen. Wohlgemut, auch Abgeordnete der Landesversammlung, übermittelte Grüße aus dem Often. Der Osten sei teils zu Bolen geschlagen, teils werde er Freistaat unter polnischer Herrschaft. Sie bedauert die Annahme dieses Friedensvertrages, da wir dadurch unter fremde Herrschaft kommen werden und die herrliche Freiheit verlieren, die wir nun in unferer freien Republik genießen.
Gen. Quard wünscht, daß man den Frauen mehr Erkenntnis über den Sozialismus beibringt, durch Kurse, Vorträge und deichtverständliche Broschüren. In ähnlichem Sinne sprach Gen. Reuter, Bad Homburg .
Gen. Wittich, Mitglied der NationalversammIung, sprach der Konferenz seine Anerkennung in warmen Worten aus und gab Fingerzeige zur besseren Aufklärung unter den Frauen.
Gen. Groger als Bezirkssekretär sprach zu den vorliegen den Anträgen und wünschte, daß man dieselben dem Bezirksvor stand zur Beratung und Erledigung überweist. Dem wurde von
Gen. Kirchner widersprochen. Sie befürchtete eine Verschleppung der Wünsche. Es wurde dann der Vorschlag der Gen. Ege, ein zweites weibliches Mitglied in den Bezirksvorstand zu delegieren, angenommen, und die übrigen Anträge dem Bezirksvorstand überwiesen.
Gen. Knösing überbringt Grüße der Jungjozialisten, die regen Anteil an der Arbeit der Frauen im Parlamente nehmen. Gen. Landgraf in Seulburg wünscht mehr Referentinnen für den Kreis.
Zum Schlusse der Vormittagssibung sprach noch Genosse Scheffler aus Biebrich , Mitglied der Preuß. Landesversammlung. Er bergleicht die Konferenz mit dem Ausspruch Schillers: Das alte stürzt, es ändert sich die Zeit und neues Leben blüht
215
aus den Ruinen. Eine Freude sei es, die bielen regsamen Frauen zu hören, herrlich sei das begonnene Wert, nur so weiter und unser ist die Zukunft! Er schildert in bewegten Worten, wie sie in Wiesbaden zu leiden hätten und wie viele Frauen leider ihr Deutschtum vergaßen.
"
Ueber die Verfassung des Reiches und dieFrauen referierte nachmittags Gen. Quard. Die Frauenrechte seien fest. gelegt in den Grundrechten, d. h. im erklärenden Teil der Verfassung. Der Artikel 108 lautet nach der zweiten Lesung:„ Alle Deutschen sind vor dem Gesek gleich. Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben Rechte und Pflichten. Die Debatte drehte sich hauptsächlich um das Wort„ grundsätzlich", das nach Ansicht der Sozialdemokratie einen Vorbehalt in der Anwendung bedeubet. Gen. Juchacz hat ferner mit Recht vorgeschlagen, das Wort Pflichten" auszulassen, da die Frau andersartige Pflichten habe als der Mann. Widerstand kam vor allem aus den Reihen der Zentrumsfraktion. Die Zentrumsabgeordnete Frau Teusch hat erklärt, daß ihre Partei extreme Gleichmacherei ablehne. Sie berwies dabei die Frau auf den üblichen Katalog von Pflichten: Familie, Erziehung, Sitte usw. Dagegen betonte der Redner, daß auch die Sozialdemokratie keine Gleichmacherei will. Die Frau soll den Spielraum, den ihr ihre Selbständigkeit läßt, selbst mit ihrer Persönlichkeit ausfüllen. Auch die Männer sind nicht gleichartig". Troßdem gibt man ihnen allen die bürgerlichen Ehrenrechte. Auch die Demokraten haben gegen die Anträge der Sozialdemokratie gearbeitet, vor allem der Frankfurter . Abgeordnete Bürgermeister Dr. Luppe, der darauf hinwies, daß eine Gleichheit nicht möglich sei, da die Frau von der Wehrpflicht, der Teilnahme an Einwohnerwehr, Pflichtfeuerwehr usw. ausgeschlossen sei. So wurde ein Antrag der Sozialdemokratie, das Wort grundsäßlich" zu streichen und die Feststellung der Gesetzgebung im einzelnen zu überlassen, gegen Demokraten, Zentrum und Konservative abgelehnt. Gen. Quard legte den Hauptnachdruck seiner Ausführungen auf die soziale und wirtschaftliche Entwicklung, in der auch die Beschränkungen für die Frau weggefallen sind. Die Frau am Erwerbsleben teilnehmen lassen und ihr die bürgerlichen Rechte vorenthalten, heiße sie ins Leben stoßen und ihr die Waffen nehmen. Es komme jebt alles auf die erwerbstätigen Frauen an, die organisiert ihre Rechte vertreten müßten. Die zweite Art von Frauenrechten gruppiert sich um die Begriffe Ehe, Mutterschaft, Prostitution. Die Prostitution gehöre nicht in die. Verfassung, sondern in die Ausführungsgesetze. Etn Gesundheitsgesetz gegen die Geschlechtsfrankheiten sei in Vorbereitung, in dem Mann und Frau gleich gestellt würden. In der Ehefrage drang ebenfalls gegen die Stimmen der Sozialdemokratie die fleinbürgerliche Fassung des Zentrums durch, daß die Ehe als Grundlage des Familienlebens unter dem besonderen Schutz der Verfassung stehe. Artikel 118 spricht auch der Mutterschaft Anspruch auf Schutz und Fürforge des Staates zu, gibt den unehelichen Müttern das Recht auf die Bezeichnung Frau" und billigt den unehelichen Kindern die gleichen wirtschaftlichen und sozialen Voraussetzungen allgemein zu wie den ehelichen. Doch wird auch die Fassung von Demokraten wieder angefochten, weil so, Mutterschaft zu nahe an Ehe" sei. Wir verlangen geistige, leibliche und verwaltungstechnische Gleichstellung des unehelichen Kindes und eine Umge= staltung des Erbrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch in diesem Sinne.
In der Diskussion wurden die Ausführungen des Redners zum Teil vertieft. Frau Tesch( M: d. N.) machte Mitteilung über zur Frauenfrage neu eingegangene Anträge zur dritten Lesung. Im einzelnen werde noch gefordert, daß das uneheliche Kind das Recht haben müsse, den Namen des Vaters zu führen. Im Schlußwort teilte Gen. Quard noch mit, daß geplant fei, die Kriegsfürsorge in eine dauernde Mutterschaftsversiche rung überzuführen, an der auch uneheliche Mütter teil haben sollen. Er wies darauf hin, daß in einigen Monaten wieder Neuwahlen stattfinden werden und daß dann den Frauen, als dem zahlenmäßig überwiegenden Teil, die größere Verantwor tung und Entscheidung zufalle. Pflicht der sozialdemokratischen Frau sei das Einsehen der ganzen Persönlichkeit im Dienste der Partei, die ihre Cache bertritt.
Gen. Ege dab dann noch einige Erläuterungen über die Gleichheit" und bat alle Anwesenden für dieses ureigenste Frauenblatt zu werben. Dann schloß Gen. Quard die Konferenz mit einer herzlichen und warmen Anerkennung für den guten Ver lauf und hoffte, daß fie Früchte zeitigen werde.