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Die Gleich beit

noch viel zu viel Menschen, die von dieser Versicherungsberech­tigung nicht Gebrauch machen. Für sie alle ebenso wie für die fleinen Beamten soll gesorgt werden durch die Bestimmung der Wochenfürsorge für Minderbemittelte, die die oben ge­nannte Unterstüßung vorsieht für Eheleute mit einem Ein­kommen bis zu 2500 Mt. und unverheiratete Wöchnerinnen bis zu einem Einkommen von 1500 Mt. In beiden Fällen erfolgt für jedes Kind ein Zuschlag von 250 Mt. zum Ein­fommen. Hier sind für die Wochenhilfe und das Stillgeld die Säße der Kriegswochenhilfe genommen, nämlich 1,50 Mt. bat. 75 Pf. täglich.

Auch diese Unterstüßung wird von den Krankenkassen ge­zahlt, denen das Reich die Kosten zurückerstattet.

Eine begrüßenswerte Bestimmung ist die, daß die Er­höhung des Entbindungskostenbeitrages gegenüber der Kriegswochenhilfe von 25 Mt. auf 50 mt. auch den noch unter die Kriegswochenhilfe fallenden zugute kommt, da eine diesbezügliche Bestimmung in das Gesetz aufgenommen wor­den ist.

Ebenfalls ist die bisherige Schlechterstellung der Mitglieder der Landkrankenkassen aufgehoben, indem die Bestimmung, daß diese Wochengeld nur für vier Wochen erhalten sollten, in Fortfall gekommen ist.

Auch für die Angehörigen der von der Versicherungspflicht befreiten in der Landwirtschaft beschäftigten Arbeiter ist Vor­forge getroffen worden, indem hier der Arbeitgeber gehalten ist, dieselben Bezüge zu gewähren.

So wird sicher weiten Kreisen der Bevölkerung durch diese Arbeit unserer Fraktion ein großer Dienst erwiesen werden. Wir hoffen, daß bei Erscheinen dieses Artikels das Gesetz von der Nationalversammlung verabschiedet sein wird. Nichts­destoweniger wissen wir, daß mehr geschehen muß, und unsere Forderung nach einer durchgreifenden Mutterschafts- und Fa­milienversicherung wird durch dieses Gesetz in feiner Weise be­einträchtigt. Sobald die vom Ministerpräsidenten in seiner Rede vom 24. Juli angekündigte Reform der Reichsversiche­rungsordnung in Angriff genommen werden kann, werden wir dieses Verlangen mit allem Nachdruck zum Ausdruck bringan.

Bis dahin mag das gegenwärtige Gesez als eine Notver­ordnung angesehen werden, die bestimmt ist, verbesserten Ersatz für die erloschene Kriegswochenhilfe zu schaffen.

Luise Schroeder  .

Die Notwendigkeit hauswirtschaftlicher

Ausbildung

Von Anna Blos  , M. d. N.

Man sollte eben keine heiraten, die nicht kochen kann." Zu­fällig hörte ich diese Aeußerung aus einem Kreis sehr eifrig diskutierender Arbeiter heraus. Eine Klage wurde hier laut, die ficher der Grund manch tiefer ehelicher Not ist. Es flingt gewiß materiell, daß die Liebe durch den Magen geht, aber daß eine geordnete, gut geleitete Häuslichkeit viel zum Glück der Ehe beiträgt, kann man wohl kaum bestreiten. Wenn ich dann aber die Ratlosigkeit so mancher Hausfrau, den Verfall so mancher Häuslichkeit gesehen habe, dann denke ich daran: Ihr stoßt ins Leben sie hinein", nämlich die Frau, von der man so hohe und schwere Pflichten erwartet, wie die der Hausfrau und Mutter, ohne ihr das Rüstzeug mitzugeben, nämlich die entsprechende Vorbildung.

In den letzten Jahren sind ja eine Reihe von Haushaltungs­schulen für schulentlassene höhere Töchter ins Leben gerufen worden. Für die Volksschülerinnen hat man sich mit einem Surrogat, nämlich dem hauswirtschaftlichen Fortbildungsschul­unterricht, begnügt. In etwa 80 Stunden sollen die schulent­lassenen Mädchen kochen lernen. Das ist natürlich nur mangel­haft möglich. Alle übrigen Kenntnisse, die zu der Führung eines Haushalts gehören, wozu ja auch die Mutterpflichten gehören, muß sich die junge Hausfrau selbst erwerben, und es blieb der mehr oder weniger großen Begabung der einzelnen überlassen, wie sie sich zurechtfand.

Die Ernte

Weiße flimmernde Sonnenflut Rings auf den wogenden Weiten rubt; Rüftige Mäher bei scharfem Schnitt Schwirrende Senfen fingen mit: Die Halme fallen.

Und hart am ftaubigen Straßenrain Schafft tief gebückt ein Mütterlein; Schon manche brennende Stunde lang Sirrt und furrt der Sichelklang

Die Halme fallen.

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Da Schaut aus Schimmerndem Aehrenfeld Der Gutsherr auf zum Wolkenzelt: ,, Vorwärts, ihr Leute die Stunde rinnt! In den Klüften murrt der Gewitterwind" Die Balme fallen.

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Und in den perlenden Abendtau Blickt fo fröhlich die alte Frau;

Sie wilcht von der Stirne den hellen Schweiß Und zählt im Geifte der Garben Preis.

Die Halme fallen.

,, Vorwärts, ihr Knechte, die Stunde rinnt! Mein Mahl bereitet das Ingefind; Mein Weib umraufcht ein feidener Flor­Und der Jude wartet am Gartentor." Die Halme fallen!

Und müde legt nach des Tages Brand Das Weib die Sichel aus der Hand: ,, Du goldner Segen auf schmalem Feld, Du gibit mir Brot und du fchaffft mir Geld!"- Die Halme fallen.

,, Vorwärts, ihr бunde, verdient den Lohn!" Er denkt an feinen fernen Sohn. Der schnellite Reiter auf blachem Feld Und der Gott der Weiber

Die Halme fallen.

das koftet Geld!-

,, Und all das Gold" die Alte finnt " In die Ferne fchickt ich's dem einzigen Kind. Sie trieben ihn fort von бaus und бuf, Пun barrt er drüben der Heimat Ruf: Die Halme fallen.

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Und kehrt er heim, wenn der бimmel loht, Wenn der Weizen reif und das Mohnfeld rot, Dann faßt er die Senfe zu heißem Schnitt Und ich laufe und ſammle und jauchze mit: Die Halme fallen!" Klara Müller- Jahnke.

Aus dieser Erkenntnis heraus ging ich in Stuttgart   an die Gründung einer hauswirtschaftlichen Volksschule. Die neue Re­gierung, die städtischen Behörden, eine Reihe einflußreicher Per­sonen fanden Verständnis für mein Bestreben und halfen mir zur Verwirklichung meines Blanes.

Seit dem Frühjahr besteht meine Schule. Zutritt haben nur schulentlassene Boltsschülerinnen im Alter von 15 bis 20 Jahren. Es tamen gleich mehr Anmeldungen als vorgesehene Pläze. Vor­ausschiden muß ich, daß der Besuch unentgeltlich ist. Die Schü lerinnen bezahlen nur 30 Mt. im Monat für Frühstück, Mittag­essen und Vesper.

Die praktische Ausbildung umfaßt drei Hauptfächer. Die Schülerinnen sind daher in brei Gruppen eingeteilt. Die erste Gruppe erhält Unterricht in der Haushaltkunde und Wohnungs­pflege. Wie der Fußboden, ob Stein, Holz oder Linoleum, be handelt wird, wie man Fenster putt, wie man Geschirr spült, wie man Besen, Bürsten, Gegenstände aus den verschiedenen Me­tallen rein hält, alles das wird erst theoretisch vorgetragen, dann sofort praktisch ausgeübt. Diese Gruppe wird auch in Möbel­ausstellungen geführt und es wird ihnen gezeigt, wie man sich billig, praktisch und doch auch behaglich einrichten fann.

Die zweite Gruppe lernt die Behandlung der Wäsche, von der Küchenwäsche angefangen bis zur Reinigung von Woll- und Seidenstoffen. Wie man Wäsche aufhängt zum Trocknen, wie