Nr. 28
Die Gleich beit
man sie mangelt, bügelt, aber auch wie man sie ausbessert, alles das gehört zum Unterricht dieser zweiten Gruppe.
Die dritte Gruppe erhält Kochunterricht. Auch dieser wird zunächst theoretisch erteilt. Nahrungsmittellehre, Einteilung der Vorräte, Berechnung der Preise, immer für eine kleine Familie, Führung des Haushaltungsbuches usw. Die Kochlehrerin geht mit den Schülerinnen auf den Markt, zum Fleischer, zum Kolonialwarenhändler, damit sie einkaufen lernen. Der praktische
Teil beginnt mit dem Feueranzünden. Die Benuhung der Kochtiste, das Kochen auf dem Herd, auf Gas, Baden, Einmachen, alles auf einen einfachen Haushalt zugeschnitten, das ist der eigentliche Kochunterricht. Dann werden die Speisen angerichtet, der Tisch gedeckt, zum Schluß die Küche wieder gesäubert.
Am Nachmittag kommen eine Reihe theoretischer Fächer: Gefundheitslehre, Säuglingspflege am Phantom, Krankenpflege, Erziehungslehre usw.
Der Unterricht bleibt aber keineswegs ein einseitiger. Die Schülerinnen bekommen Vorträge über die reiche Geschichte und Literatur des Schwabenlandes. Sie nehmen Anteil an den großen Ereignissen der Jehtzeit; so habe ich ihnen von besonders eindrucksvollen Sigungen in der Nationalversammlung berichtet. Wir führen fie in die Sammlungen und in die schöne Umgebung Stuttgarts .
Jedes starre Schulsystem ist vermieden. Wir haben einen Schülerinnenrat und das Verhältnis zwischen den Lehrerinnen und den jungen Mädchen ist ein wahres freundschaftliches.
Es ist eine Freude, den Gifer der Schülerinnen zu sehen und die Anerkennung der Eltern, die sehr stolz auf ihre Töchter sind. Mich freut natürlich besonders das Interesse der Arbeiterschaft an dieser Schule. Wie manche Frau sagt mir:" Ja, wenn ich so hätte lernen können!" Und junge Arbeiter bitten mich, ihre Bräute in der Schule aufzunehmen. Schon jetzt drängen sich die Anmeldungen für den nächsten Kurs, der wieder auf sechs Monate berechnet ist.
Mein Wunsch ist, daß mehr und mehr solcher Schulen als #taatliche Schulen eingerichtet werden.
Die Schwierigkeiten der Haushaltführung werden immer größer. In die Hände der Hausfrauen sind unendliche Werte gelegt. Wie sie sie verwendet, darf nicht mehr dem Zufall überlassen bleiben.
Die Mädchen sollen gesunde Frauen und Mütter werden. Sie müssen lernen, sich selbst gesund erhalten und wissen, wie sie für
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Feuilleton
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Flicht alles, was wahr ist, müffen wir fagen, aber alles, was wir lagen, muß wahr fein. P. Rolegger.
Aus dem Leben des kleinen Jan
Jan
Bon Ernst Alms boh
Ein Austausch
an wälzt Vaters Bücher.- 8war sind die Bücher, die er fich mit Vorliebe heraussucht, fast größer als der ganze Dreifäsehoch mit seinen vier Jahren. Aber gerade die großen Folianten haben es ihm angetan.
Auch versteht Jan natürlich kein Wort, so ernsten Gesichts
er auch die Seiten umblättert.
Aber was verschlägt das! Als ob die Großen immer die Bücher verständen, die sie mit ernster Miene wälzen! Also Jan ist bei Baters Büchern.
Das ist ganz natürlich, denn der Vater fizzt ja auch am Tisch und liest und schreibt.
Was sollte Jan da anders tun!
Ja, wenn der Vater jett im Garten wäre und dort herumwirtschaftete!
Dann wäre Jan selbstverständlich auch draußen und schwenkte munter Spaten und Harke.
Aber sol
Selbstverständlich muß Jan immer gerade das tun, was der Vater tut. Denn Jan will doch arbeiten wie der Bater. Sage ihm mal, er solle doch spielen!
Wie er dich anschauen würde!
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die Gesundheit der Familie sorgen fönnen. Als fakultative Fächer fönnte man später noch Gartenbau und Kleintierzucht dazu nehmen.
In Stuttgart hat der Siedlungsverein den Gedanken aufgenommen und richtet solche Schule als Mittelpunkt der Siedlungen ein.
Der Verein zur Förderung der Volksbildung schlägt mir vor, die Hauswirtschaftliche Schule an die im Frühjahr zu errichtende Volkshochschule anzugliedern. Das bedeutet natürlich einen großen Fortschritt. Damit ist die Wichtigkeit der Hauswirtschaft lichen Ausbildung vom Standpunkt der Volkswirtschaft aus anerfannt. Die Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft wird eine immer gehobenere werden, je mehr ihre Bedeutung als Hausfrau von der Frau selbst erkannt wird. Die Unterschätzung der Hauswirtschaftlichen Tüchtigkeit lag wohl zum großen Teil daran, daß es sich hier um einen ungelernten Beruf handelte. Je mehr aber der Mensch weiß und kann auf dem Plaz, auf dem er im Leben steht, um so wertvoller ist er für die Gesamtheit. Das gilt auch für die Hausfrau. Die Lücken in der spezifisch weiblichen Bildung ausfüllen, das ist der Zweck der hauswirtschaftlichen Volksschulen. Hoffentlich gelingt es, das Interesse dafür überall zu weden und zu fördern.
Zur Sozialisierung
der öffentlichen Wohlfahrtspflege
Der Unehelichen Schicksal und Recht Es gibt nichts Erbarmungswürdigeres als ein leidendes Kind.
Es gibt nichts Schußloseres als ein Kind, dem man sein Recht verjagt.
Wir Erwachsene wissen, verstehen und können uns wehren. Ein Kind weiß nicht, warum es leidet. Und es kann sich nicht schüßen und nicht für sein Recht fämpfen. Das schußloseste aber war bis jetzt das außerhalb der Ehe geborene Kind. Die Gesellschaft, das Recht, die Moral, d. h. die gewiesenen Schüßer und Anwälte des Lebens und der Gerechtigkeit, hatten sich zu tödlichem Bunde gegen das uneheliche Kind verschworen. Im Laufe des Krieges ist etwas mehr Einsicht und Verständnis,
Als ob das für Jan was anderes wäre als arbeiten! Und ob er was Wichtigeres spielen" könnte als gerade der Vater spielt"!
Jan erhebt sich von seinen Büchern und tritt vor die hohen Regale.
Bewundernd schweift sein Blick von oben nach unten, von der einen Seite zur andern.
Soviele Bücher!
Und so vielerlei! Große und kleine, alte und neue, solche mit glänzenden Goldrücken und bescheidene graue Hefte, Bücher mit Bildern und dann die lange Reihe großer grüner Bücher!
Jans Blick umfaßt alles mit gleicher Liebe, zärtlich streicht seine fleine Hand über die Rücken der Bücher, die er besonders liebt.
Bater!"
,, Na, mein Jung?"
,, Nicht, Vater, wenn ich groß bin, dann krieg ich alle die Bücher?"
,, Natürlich, mein Jan, die kriegst du alle."
Jan kommt näher zum Vater und schmiegt sich liebkosend
an ihn.
Nu, Vater
,, Was denn noch, mein Jung?"
,, Nicht Vater, alle die Bücher krieg ich, alle, alle-- Seine Hand beschreibt einen Bogen. ,, Aber gewiß, alle!"
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und wenn ich erst im Reichstag bin, friege ich auch alle die grünen Bücher, nicht Bater?"
Selbstverständlich, mein Junge, auch die kriegst du alle."