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Die Gleichheit
Am wichtigsten für die Stellung des Reichspräsidenten aber ist der Artikel 50 der Verfassung, der hier im Wortlaut folgt: Alle Anordnungen und Verfügungen des Reichspräsidenten , auch solche auf dem Gebiete der Wehrmacht, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung durch den Reichskanzler oder den zuständigen Reichsminister. Durch die Gegenzeichnung wird die Verantwortung übernommen.
In der Folge bestimmt die Verfassung dann die Aufgaben und Pflichten der Reichsregierung. Hier finden wir wieder eine große grundlegende Aenderung gegenüber dem alten Regierungssystem. Wohl ernennt der Reichspräsident die ihm von den Parteiführern vorgeschlagenen Minister, jedoch bedürfen diese nach dem Artikel 54 der Verfassung zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Reichstags. Jeder Minister muß zurücktreten, wenn ihm der Reichstag durch ausdrücklichen Beschluß sein Vertrauen entzieht. Auch Wilhelm II. ließ sich früher von seinen Ratgebern Kandidaten für den Posten eines Reichskanzlers nennen, aber diese Handlung war dem Reichstage gegenüber ganz unverantwortlich. Saß der ReichsKanzler erst einmal auf seinem Sessel, konnte ihn nur allerhöchste" Ungnade davon entfernen. Er hatte dann stets die Macht, sich seine Mitarbeiter aus ihm passenden Kreisen auszuwählen. Dadurch fehlte der gewählten Volfsvertretung stets die Macht, die Politik im Sinne der Mehrheit der Wähler zu führen.
Auch weiter sind die Pflichten des Reichskanzlers und der Reichsminister durch die Verfassung nach demokratischen Grundsätzen geregelt. Von größter Wichtigkeit und in Deutschland vollständig neu ist der Inhalt des Artikels 59, der den Schluß des dritten Abschnittes der Verfassung bildet und der auch am besten im Wortlaut folgt:
Der Reichstag ist berechtigt, den Reichspräsidenten , den Reichskanzler und die Reichsminister vor dem Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich anzuflagen, daß sie schuldhafterweise die Reichsverfassung oder ein Reichsgesetz verlegt haben. Der Antrag auf Erhebung der Anklage muß von mindestens hundert Mitgliedern des Reichstags unterzeichnet sein und bedarf der Zustimmung der für Verfassungsänderungen vorgeschriebenen Mehrheit. Das Nähere regelt ein Reichsgesetz über den Staatsgerichtshof.
des Staates, der Wissenschaft usw. beschämten, da sie die einzigen waren, die den Frauen neben den gleichen Pflichten gleiche Rechte zusicherten. Als die Frauen des Bürgertums wie das Bürgertum selbst nicht imstande waren, die Freiheitsideale zu erkämpfen, da waren es die Frauen der ArbeiterKlasse, die diese Kämpfe aufnahmen und fortführten. Ein ehrendes Angedenken aber bewahren sie den Frauen, die ihnen den Weg bahnten, und ihre Schicksale sind für sie von besonderer Bedeutung. Aus diesem Grunde habe ich versucht, den Lebenslauf verschiedener Frauen des neunzehnten Jahrhunderts zu stizzieren, die für die Entwicklung der heutigen Frauenbewegung im sozialistischen Sinne von Bedeutung sind. Jede dieser Frauen hat ihr Bestes gegeben im Kampf uni die Befreiung ihres Geschlechts. Sie alle haben„ strebend sich bemüht". Sie waren Frauen ihrer Zeit mit ihren Irrtümern und Fehlern, aber sie begriffen die Größe ihrer Zeit, und darin liegt ihre Größe und Bedeutung.
Was die Frau von heute ist und was sie erreicht hat, nicht zum mindesten dankt sie es diesen Bahnbrecherinnen der Frauenbewegung.
I.
Bettina von Arnim war ein echtes Kind ihrer Zeit, und doch ragte sie auch wieder weit über sie hinaus. Wunderbar erschien sie den einen, wunderlich den andern ihrer Zeit. genossen. Ein seltsames Gemisch von Stomantik und Realis. mus, scheinbar voller Widersprüche, so sehen wir diese seltene Frant.
Und doch hätte eine jorgiame Erziehung, eine geregelt: Ansbildung manche dieser Widersprüche ausgleichen, die hervor
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Darin liegt die höchste Verantwortlichkeit der Regierung dem Volk gegenüber und die beste Gewähr, daß die vom Volk und der Volksvertretung gewählten Menschen das in sie gesetzte Vertrauen nach bestem Wissen und Können zu rechtfertigen suchen.
Unsere Schulen
Bon Lisbeth Weiß- Nathenau
( Fortsetzung)
Ein anderes Kapitel bildet die Bibel in der Schule. Die meisten Kinder erhalten ihre ersten seruellen Aufklärungen aus der Bibel und bekommen dadurch außer ihrer moralischen Schädigung auch einen ganz falschen Eindruck von diesem herrlichen Buche. Da die Bibel in der Schule aber niemals ganz gelesen wird, so könnte man doch die gewünschten Rapitel aus der Lutherbibel auswählen und für die Schulen zusammenbinden; denn diese Luthersprache muz natürlich geistiges Eigentum der Kinder werden. Selbst in der neuen Schule, in der der Religionsunterricht hoffentlich fortfallen wird, müßte ein Teil der Lutherbibel in der deutschen Stunde gelesen werden. Anstatt des Religionsunterrichtes, der vom Dogma nicht abstrahieren konnte, müßten die Kinder die biblischen Geschichten als schöne Märchen kennenlernen. Die Ethik müßte, um sie den Kindern recht nahe zu bringen, auf das tägliche Leben angewendet werden. Es müßte Ihnen dargelegt und an Beispielen erläutert werden, welche Handlungen zerstörend und welche förderlich auf das Zusammenleben der Menschen wirken. Auf die gegenseitige Hilfe müßte hingewiesen werden, auf die Hilfe, die der Säugling haben muß, um zum Menschen zu werden. Aber auch z. B. auf die Feuerwehr, auf alle sozialen Einrichtungen, die geschaffen sind, um schwachen Menschen zu helfen.
Der Geschichtsunterricht bestand bis jetzt hauptsächlich im Auswendiglernen von Schlachtendaten und Regierungszeiten der Könige. Wirkliche Kulturtaten, wie die Sklavenbefreiung, Aufhebung der Leibeigenschaft, die französische Revolution, wurden selten richtig dargestellt und in ihrer Bedeutung für die Menschheit gewürdigt. Anstatt das
ragenden Gaben Bettina's fonzentrieren fönnen. Aber das entsprach den damaligen Ansichten über weibliche Erziehung feineswegs. So entwickelte sich Bettina wie eine Pflanze, der die Schere des Gärtners die wilden Triebe nicht beschneidet. Sie ließ ihrer Phantasie jederzeit ungehindert die Zügel schießen. Ihre Umgebung stärkte noch ihren Hang zur Nomantik. Ihr Wesen erscheint zersplittert und fahrig, und erfährt daher häufig eine Beurteilung, die ihr nicht gerecht wird, weil sie ihr innerstes Wesen nicht erkennt.
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Am bekanntesten ist Bettina von Arnim geborene Brentano durch ihre Beziehungen zu Goethe. Schon ihre Großmutter, Sophie Laroche , war eine Freundin des großen Dichters. Als dieser im Herbst 1771 von Wetzlar schied, das Herz erfüllt von seiner unglücklichen Liebe zu Charlotte Buff , die er später als Werthers Lotte unsterblich machte, empfahl ihm sein Freund Merck, das gastliche Haus des Geheimrats v. Laroche im Lahntal aufzusuchen. Dort fand der junge Goethe eine so freundliche Aufnahme, daß er noch nach vierzig Jahren in Wahrheit und Dichtung" begeistert von der Familie Laroche erzählt:„ Mit der Mutter verband mich mein belletristisches und sentimentales Streben, mit dem Vater ein heiterer Weltfinn, mit den Töchtern meine Jugend."
Die älteste dieser Töchter, Marimiliane, half dem unglücklich Liebenden die Erinnerung an Charlotte Buff zu überwinden. So sieht man bei untergebender Sonne gern auf der entgegengesezten Seite den Mond aufgehen und erfreut sich an dem Doppelglanze der beiden Himmelslichter."
Frau von Laroche war eine gefeierte Dichterin, und in ihrem literarischen Salon gingen die Größen des geistigen Lebens der damaligen Zeit aus und ein. Wieland war ihr stets ein