Nr. 31

Die Gleichheit

Hauptgewicht auf die Bedeutung der Kriege zu legen, müßte den Kindern eine unendliche Friedensliebe eingepflanzt wer­den, sowohl die Liebe zu ihren Mitmenschen als auch zum ganzen Volfe und ebenso zur ganzen Menschheit. Ich könnte noch viele Dinge hier anführen, wollte aber nur einige An­regungen geben.

Ganz sicher erhalten die Schüler heute in den Schulen ein ganz anderes, viel reichhaltigeres, positives Wissen als vor 20 Jahren, aber der Wissensdurst, wenigstens in den Lieb­lingsfächern, war früher viel größer. Man ergänzte viel mehr durch Lesen und eigene Fortbildung, während die heuti­gen Schüler nach Abgang von der Schule meist nur noch das treiben, wozu fie ihr Beruf zwingt.

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Die dritte Gruppe, und die wohl am Schulleben am meisten interessierte, sind die Schüler selbst. Wir wissen alle, wie ungemein feine Beobachter die Kinder sind, und diese Beobachtungsgabe sollte man sich zunuze machen. Die Selbstverwaltung der Schule in Form von Schülerräten wird und muß fontmen, so sehr sich auch bis jetzt einzelne Direktoren und Lehrer dagegen wehren. Mit der Zeit wer­den sie einsehen, daß ein Fortschritt nur auf diesem Wege möglich ist. Die Liebe der Schüler zu der Schöpfung, an der fie tätigen Anteil nehmen, wird endlich den Haz über­winden, den die meisten Kinder gegen ihre Benne" haben. Ueberall fürchtet man durch moderne Ideen eine Lockerung der für so notwendig gehaltenen Disziplin. Die ewigen Klagen der Kinder über Ungerechtigkeiten der Lehrer wür­den sofort verschwinden, wenn man die Kinder die Nummern selbst geben ließe. Für die Zeugnisse müßte jedes Kind, unabhängig vom andern, für jedes andere eine Nummer aufschreiben. Der Lehrer müßte dann den Durchschnitt der erhaltenen Nummern nehmen. Diese Beurteilung wäre ficher gerecht und würde vielleicht die Ansicht des Lehrers nur um weniges forrigieren. Für die Beurteilung der schriftlichen Arbeiten möchte ich vorschlagen, die Fehler der ganzen Klasse zusammenzuzählen und durch die Anzahl der Schüler zu teilen. Der Durchschnitt ergäbe dann Nummer 3 " genügend", und die Klassifizierung der besseren und schlech­teren Arbeiten wäre sehr einfach. Haben nun die Lehrer durch 8 bis 15 Jahre den Schülern die Zeugnisse gegeben,

treuer Freund geblieben. Hier war auch der Mittelpunkt der deutschen Rousseau  - Gemeinde. Es läßt sich denken, daß der junge Goethe hier eine allseitig fördernde Teilnahme für sein Streben fand.

Seine Liebe zu Maximiliane Laroche   wurde Goethe   erst ganz klar, als diese sich auf Wunsch ihrer Mutter, kaum acht­zehnjährig, mit dem viel älteren Kaufmann Peter Brentano  , einem Witwer und Vater von vier Kindern, vermählen mußte. Das Paar lebte in Frankfurt  , und Goethe suchte der jungen Frau in seiner Vaterstadt zur Seite zu stehen, denn diese wurde sehr unglücklich in ihrer Ehz. Aber die Eifersucht Brentano's verschloß ihm bald das Haus, in dem er manche Anregung zu Werthers Leiden  " empfing.

Fünfunddreißig Jahre nach diesem Besuch im Lahntal   er­hielt Goethe   ein Billett von Wieland: Bettina Brentano  , Maximilianes Tochter, Sophie Laroches Enkelin, wünscht Dich zu sehen." Die Morgenröte seiner Jugend, der Frühling selbst, trat mit dem jungen Mädchen in das Haus des längst welt­berühmten Dichters, des Ministers von Weimar  . An ihrer Natürlichkeit, an ihrem Enthusiasmus schmolz die Zurückhal­tung des gereisten Mannes. Sie schmiegte sich an seine Brust wie ein Kind an den Vater, wie eine Braut an den lang. erfehnten Geliebten.

Goethe   äußerte Varnhagen gegenüber, Bettina   sei das wunderlichste Wesen von der Welt. Unglücklich schwebe sie zwischen dem Italienischen und Deutschen   hin und her, ohne Boden fassen zu können. Sie habe eine eiserne Beharrlichkeit in dem, was sie einmal ergriffen, aber mittendrin wieder dic unsichersten Launenblite, von denen sie selbst nicht wisse, wo fie hinfahren.

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so möchte ich vorschlagen, daß jeder Schüler beim Abgang aus der Schule seinen Lehrern ein Zeugnis ausstellen darf, und daß er alle Schäden und Vorzüge der Schule noch ein­mal nachdenkt und ehrlich schriftlich niederlegt, um mit seinen Erfahrungen zur Höherentwicklung der Schule beizutragen. Die Lehrer sind auch nur Menschen, und ihr Urteil ist per­sönlich beeinflußt; denn wären sie immer richtige Beurteiler, so müßten die ersten Schüler in den Klassen auch immer die tüchtigsten Menschen im Leben werden, und das ist durchaus nicht der Fall. Daher ist auch die Auslese für den Aufstieg der Begabten so unendlich schwer, und neben der Auswahl der Lehrer muß daher auch die Befähigung durch Aerzte bestätigt werden. Bei der Auswahl für die Mädchenstudien­anstalten wird strenge Musterung gehalten. Man kann dies auch, weil sich immer mehr Kinder zur Aufnahme melden, als Plätze vorhanden sind. Man glaubt, die Befähigsten auszusuchen, die sicher die Schule bis zum Abiturium be­fitchen werden, denn ein in der Mitte unterbrochener Bil dungsgang ist sehr wenig wünschenswert. Man muß dann erleben, daß die Schülerinnen in den sechs Jahren sich gäng lich ändern und daß von den anfänglich Aufgenommenen beint Hogangseramen nur wenige oder keine mehr vorhan­den sind und daß Mädchen, die man für wenig geeignet ge­halten hat, bei ungünstigerer, schnellerer Vorbereitung das schwere Examen als Externe gut bestehen. Allen Kindern des ganzen Volfes muß natürlich die gleiche Schule und Hochschule offenstehen; das bedeutet Unentgeltlichkeit des Unterrichts und der Lehrmittel, Unterstüßung der ärmeren Seinder mit Essen   und Kleidung und für den entgangenen Berdienst der Kinder auch noch eine Entschädigung an die Eltern. Verbot aller Kinderarbeit während der Schulpflicht. Die Durchführung der Einheitsschule ist zu einer Finanz­frage geworden. Um die Sache etwas zu erleichtern, müß­ten die Eltern, die bis jetzt Schulgeld gezahlt haben, dies auch weiter fun. Wie der Bau der Schule beschaffen sein soll, nach welchen Lehrjahren die verschiedenbegabten Schü­Ier in gesonderte Lehrgänge überführt werden sollen, möchte ich hier nicht erörtern. Es sind die verschiedensten Vor­schläge gemacht worden; die beste Art wird sich erst in der Praris herausstellen. Jedes Talent, jede Begabung auf

Auch der große Altersunterschied der Eltern war wohl nicht ohne Einfluß auf Bettinas zerfahrenes Wesen. Und doch hätte eine geregelte, sorgsame Erziehung die Widersprüche ihres Wejens ausgleichen, ihre Gaben reicher entfalten fönnen. Aber mit acht Jahren schon verlor Bettina   die Mutter und bald darauf den Vater. Sie wurde im Kloster erzogen, und hier wurde ihr Hang zum Romantischen noch verstärkt, ihre Phantasie durch den Glanz des katholischen Kultus nur erregt.

Später lebte Bettina   im Haus ihrer Großmutter Larodie in Offenbach   und trat hier ihrem viel älteren Bruder Klemens nahe, der einen tiefen Einfluß auf sie ausübte. Die G:- schwister studierten und lasen zusammen, und Bettina   suchte ihren Geist zu bilden, soweit dies einer Frau damals möglich war. So lernte sie modellieren, studierte den Generalbaß und besaß namentlich eine wunderbare Kunst in improvisiertem Gesang. Sie schloß Freundschaft mit Herder und Tieck  . Kle­mens führte ihr seinen lieben, göttlichen" Freund Arnim   zu, der später ihr Gatte wurde. In diese Zeit fällt auch die Freundschaft mit Karoline v. Günderode, die wohl viel Wer­ständnis für das reich beanlagte, aber allzusehr zur Phantasie neigende Wesen Bettinas hatte, andererseits durch ihre eigene frankhafte Ueberreizung die romantischen Neigungen noch be­stärkte. Die Günderode   beging Selbstmord aus unglücklicher Liebe. Sie ertrug das Leben nicht, das dem Trugbild ibree Bhantasie nicht entsprach. In ihrer Trauer um die Freundin flüchtete Bettina zu Goethes Wutter, und die trotz ihres hohen Alters noch so jugendliche Frau verstand es, das Herz des geistreichen Mädchens zu gewinnen. Ihren Dank für diese Freundschaft hat Bettina   in ihren Schriften über Mutter Aja"