Nr. 33

Die Gleichheit

richtet hatten, aneinanderzuketten. Während die Deutschen   des Reiches wenigstens nach außen hin geeint auftraten und ein ander unterstützten, wurden in dem unglücklichen Desterreich Tschechen   gegen Deutsche  , Deutsche gegen Ungarn  , Ungarn   gegen Kroaten usw. ausgespielt. Diese Taktik, die ja schon lange vor dem Kriege geübt worden war, erzeugte einen derartigen Haß der verschiedenen Völker untereinander, daß heute die Deutschen Desterreichs in Amerika   und in Italien   um die wichtigsten Lebensmittel betteln müssen, weil sie von den Tschechoslowaken nichts erhalten können, auch nicht die Lebensmittel, an welchen die Tschechoslowakei   einen solchen Ueberfluß hat, daß sie sie früher gern nach Desterreich führte. Als das alte Reich in Trümmer ging, erhoben sich viele Stimmen, die von dem Namen Oesterreich nichts wissen wollten, weil sie hofften, das Land werde einer Zukunft entgegengehen und es werde mit dem alten Herrscher­haus und dem alten Namen auch die alte Unterdrückungspolitif ablegen fönnen. Der Name Desterreich" ist nun geblieben und er soll wohl ein Symbol sein dafür, daß die Deutschen   Oester­ reichs   alle Lasten des alten Staates auf sich nehmen müssen, ob sie es können oder nicht.

Desterreich ist vorwiegend Gebirge, zum Teil ganz unfrucht bar. Große Flächen Landes wären wohl für Ackerbau oder doch als Weide zu verwenden, sind aber im Laufe der letzten Jahr­zehnte von verschiedenen hohen Herrschaften aufgekauft worden, um dort Jagdrebiere einzurichten. Es wurden Wälder aufge­forstet und auf diese Weise gingen zahlreiche Weidepläge für das Vieh verloren. Die Wälder werden wohl jetzt abgeholzt, doch wird es voraussichtlich längere Zeit dauern, bis der Boden einen Ertrag liefern fann.

Am schlimmsten ist es mit Wien   bestellt. Wien   war ja bis jetzt die Hauptstadt eines Großstaates. Aus dem ganzen Reiche strömten Menschen in die Hauptstadt, um dort Arbeit zu suchen und sie fanden sie auch. Und aus dem ganzen Reiche wurden Lebensmittel nach Wien   gebracht. Jetzt aber weigern sich die Nachbarstaaten Oesterreichs  , die früher zum Reiche gehörten, die Lebensmittel weiter zu liefern. Die Entente war zwar bis jetzt zur Lieferung der notwendigen Lebensmittel bereit, verlangte aber dafür eine Bezahlung, an welcher Wien   jahrzehntelang tragen wird. Die Folge ist, daß die Preise für die arbeitende Bevölkerung schier unerträglich sind. Die Wochenration Brot beträgt etwas mehr als 2 Pfund und das Pfund kostet zirka 50 Pf. Die Frage, wie die Arbeit verteilt werden soll, ist jetzt für Wien   vielleicht das wichtigste Problem. Im Deutschen Reiche weiß jeder einzelne, daß er seine Arbeit aufnehmen muß, der

nichts mehr nügen konnte. Schon früher hatte sie den Ge­danken geäußert, daß er, der Schwächling im gewöhnlichen Leben, sich vielleicht einem schweren Schicksalsschlag gegen. über als Held zeigen würde. Sie wollte dem Haltlojen, Schwächlichen durch den Eindruck des Unerwarteten, Grau­figen zu einer großen Tat anregen. Diesem Gedanken gab fie in ihrem Abschiedsbrief an ihren Gatten Ausdruck. In diesem Sinne wurde ihre tragische Tat von dem gesamten jungen Deutschland   gefeiert. In diesem Sinne hat sie wohl auch auf manchen jungen Dichter und Künstler befruchtend gewirkt. Nur der, dem dies junge begabte Weib sich opferte, war dieses Opfers unwert. Es schmeichelte seiner Eitelkeit, daß sein Name überall genannt wurde, und er drapierte sich gewissermaßen als Held, dem ein solches Opfer gebracht worden war. Das geht auch aus dem Brief von Theodor Mundt   hervor, den er Stieglitz   schrieb, als dieser sein Werk über Charlotte angriff:" Du willst die Tat nicht zugleich aus Charlottens eigener innerster Natur, sondern bloß aus der einen abgöttischen Liebe für Dich abgeleitet haben." Die gleiche Selbstverherrlichung zeigt Stieglitz   Buch: Erin­nerungen an Charlotte".

Aus Charlottens eigenster innerster Natur ging ihre Tat hervor. Sie fonnte ihre poetischen Ideale nicht mit der Wirklichkeit in Harmonie bringen. Sie konnte im Leben nicht sich selbst treu bleiben, darum ging sie freiwillig in den Tod, ein echtes Kind ihrer Zeit, das im Tode die Lösung des Konfliktes suchte, den die Frau von heute in lebensvollem Wirken sucht.

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er vor dem Kriege nachgegangen ist; nur verhältnismäßig wenige Menschen sind zu einem Berufswechsel gezwungen. Ganz anders ist es in Oesterreich  . Der Deutsche   Oesterreichs  , war bis jetzt gewohnt, daß ein großer Teil der sog. groben Arbeit von Ange­hörigen der jetzt feindlichen Nachbarstaaten übernommen wurde. Das Ideal eines deutschen Handwerkers in Oesterreich  , das er für seine Söhne und Töchter anstrebte, war eine sichere An­stellung" als Schreiber oder als Beamter. Das neue Desterreich hat nun aber keinen Platz für alle die Tausende von Beamten, die die Verwaltungsarbeiten des früheren Großstaates ausführen halfen. Es gibt in Wien   Tausende von stellenlosen Angestellten jeder Art, die voraussichtlich in Oesterreich   überhaupt keine Ar­beit finden werden, wie sie sie gewohnt waren. Diese Menschen werden entweder umlernen und ihren Beruf wechseln oder aus­wandern müssen. Jedenfalls wird es noch eine Weile dauern, bis wir gelernt haben werden, in dieser Richtung die notwendigen Schritte zu tun.

Zu all dem kommt nun, daß Oesterreich gezwungen wird, " seine Unabhängigkeit zu bewahren". Während alle anderen Nationen sich zu nationalen Staaten zusammenschließen dürfen, müssen die Deutschen   Oesterreichs   auf dieses Recht verzichten. Um aus Oesterreich   eine Ententekolonie zu machen, wird es für immer von Deutschland   politisch getrennt. So bleibt uns nur die eine Hoffnung, daß das Proletariat der jetzt siegreichen Länder in diesen einen Umsturz vorbereiten wird, der der Welt die Freiheit bringt. Dr. Flora Hochsinger.

Aus unserer Bewegung

Internationale Arbeitersolidarität. ,, Sozialdemokraten  " zufolge beschlossen die skandinavischen Ge­werkschaften gemeinschaftlich eine Garantiesumme von 10 Millionen Kronen aufzubringen, durch die die deutschen Gewerkschaften in= stand gesetzt werden sollen, für die skandinavische Valuta Lebens­mittel in den standinavischen Ländern einzukaufen. 4 Millionen Kronen entfallen auf Schweden  , 3 Millionen auf Norwegen   und 3 Millionen auf Dänemark  . Auf seiten der dänischen Gewerk­schaftsleitung wird betont, daß man verpflichtet sei, angesichts des niedrigen Markkurses den deutschen Kameraden diese Handreichung zu leisten, zumal die nordischen Arbeiter im Laufe der Jahre viel brüderlichen Beistand in Deutschland   gefunden haben.

Der dänische Anteil der Garantiesumme wird durch die Arbeiter, schaft selbst aufgebracht, und zwar derart, daß die Mittel für den Fall eines bedeutsamen Konfliftes nicht festgelegt sind.

Die Zukunft decket Schmerzen und Glücke Schrittweil' dem Blicke, Doch ungefchrecket Dringen wir vorwärts Und schwer und schwerer Hängt eine Hülle- Mit Ehrfurcht. Stille Ruhn oben die Sterne Und unten die Gräber.  - Doch rufen von drüben Die Stimmen der Geifter, Die Stimmen der Meister: Verfäumt nicht zu üben Die Kräfte des Guten! Wir heißen euch hoffen!

Bücherschau

Goethe.

Paul Olberg  : Briefe aus Sowjet- Rußland". Verlag J. H. W. Diet, Stuttgart  . Preis 3,50 Mt.

Noch immer steht die Frage über den Erfolg des Kommunismus in Rußland   im Vordergrund des Interesses. Ist es den Kom­munisten dort gelungen, durch die Diktatur des Proletariats  " den Sozialismus zu verwirklichen? Man begreift, welche Trag weite die Beantwortung dieser Frage für die sozialistischen   Par­teien der ganzen Welt hat und haben muß.

Olberg   schildert die russischen Verhältnisse unter der Sowjet­Regierung als Augen- und Ohrenzeuge. Was er erzählt, hat er selbst erlebt. Das fühlt man auch aus seinen nüchternen Wor­ten heraus. Man fühlt auch, wie er stets bemüht ist, objektiv und