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Die Gleichheit

ralisches Gewand zu finden weiß..... Die Leg Welti stellte den Versuch einer Neuregelung des gesetzlich erlaubten Abortus dar. Das neue bestand darin, daß es einem Arzt gestattet sein sollte, Abortus herbeizuführen, wenn die Schwangere noch feine 16 Jahre alt ist; oder wenn die Schwangerschaft unter Ver­gewaltigung oder durch Blutschande entstanden war; oder wenn die Mutter oder der Erzeuger mit einer erblichen Krankheit be­laftet; oder wenn beide Eltern vor Ablauf des dritten Monats aus sozialen Gründen darum bitten. Ich weiß nicht, ob der übliche ,, Sturm der Entrüstung"( in der Schweiz ) sich auch über die ersten drei Voraussetzungen erhoben hat. Wahrscheinlich. Vielleicht war es auch nur ein Stürmchen. Denn Frömmler und Juristen wür­den doch aus ihrer Rolle fallen, wenn sie nicht wünschten, daß auch solche Kinder ausgetragen und geboren werden müssen. Aber die echte, unverfälschte, die garantiert reine, fittliche Entrüstung" ergoß sich doch erst über die lett ausgeführte Voraussetzung.. Mit dem Erfolge, daß, wenn ich nicht irre, diese Bestimmung zu Fall gebracht wurde.. So soll also selbst in Basel der Abortus in dem hier in Rede stehenden Falle noch nicht von einem Arzt herbeigeführt werden dürfen. Auch in Zukunft werden dort wie anderwärts, Menschen mit Verantwortlichfeitsgefühl und Energie sich auf die allerbedenklichsten Gelegenheiten angewiesen sehen, wenn sie sich aus sozialen Gründen zum Handeln genötigt fühlen. Es sei denn, daß sie etliche mehr oder minder plausible medizi nische Gründe anführen können. Und die, die entweder den Mut nicht haben oder zu arm sind, sie bleiben nach wie vor gezwungen, Mutter zu werden aus Ehrfurcht vor dem neuen Leben". Sie werden gezwungen, ohne daß man sich einen Augenblick fragt, was für ein Leben dem neuen Leben wohl bevorsteht!. Was sie( die Verteidiger der überlieferten Moralauffassung) bei Tieren und Pflanzen für unsinnig betrachten würden, das bür­den sie dem Menschen, dem Individuum, der Familie, der Nation, der Rasse auf. Und ich weiß wirklich keine Erklärung dafür, warum sie das eigentlich tun. Es sei denn aus blinder Dogmen­Inechtschaft oder aus mechanischer Gedankenlosigkeit. Denn bei Borliegen von unheilbarer Krankheit oder unaufhaltbarer Degeneration der Eltern, werden doch wohl die meisten Menschen der Wissenschaft das Recht zum Eingreifen zuerkennen wollen...

Im zweiten, größeren Teil des Aufsabes rückt der Schreiber speziell den holländischen.asketisch- dürren" Gegnern der Ler Welti zu Leibe, weil es diesen in letter Linie um ganze Arbeit" zu

Die Hehre seines Berufes war ihm tiefe Beglückung im Sinne der Worte des griechischen Dichters Pindar , die ihm sein Lehrmeister mit auf den Lebensweg gegeben hat und die eingerahmt auf seinem Zimmer in Favoriten hängen:

Was ist einer, was ist einer nicht! Eines Schattens Trainm ist der Mensch. Doch wenn ein Strahl von Gott auf ihn fällt, Da ist ein heller Glanz um den Mann Und ein seliges Leben!

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Ist es die kampflose Stille oder die sanfte, unmerflich dämmernde Schönheit des Abends: feierliche, friedliche Ge­fühle bewegen die Brust des jungen Musifers. Fragen, die er nie gefragt, Gedanken, die er überwunden hat, treten fremd und wunderlich vor ihn hin; Altgewohntes sieht er mit neuen, seltsamen Augen, und die Ahnungen großen, bisher unbekannten Geschehens durchfluten ihn. Während er so da. sigt, mit. inwendigem Blick, friecht die Dunkelheit aus den Gründen und verhüllt die ferne Sicht; die ersten Sterne ent­zünden sich.

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Pepis Handharmonika ist schon lange die Luft ausgegangen. Mit einem Oha!" erhebt er sich und schiebt die Widerstrebende zusammen. Spiel' Du eins auf, Franz'l; ich bring' Dir die Violin ." Nach einer Weile kommt er wieder, die Violine vor­sichtig auf beiden Händen, den Bogen unter den Arm ge­flemmt. Leis flingen die Saiten unter Franzens stimmenden Fingern.

Dann jubelt ein Straußscher Walzer in die schweigende, blaue Nacht. Auf der ganzen Länge des Grabens stehen un­bewegt lauschende Gestalten.

Die Geige verhallt; da heben alle die Köpfe. Drüben bei den Italienern ist ein schallendes Händeklatschen und Bravo­rufen zu hören. Plötzlich ruft einer: Da steht ein Welscher

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tun sei, nämlich um die Unterbindung der die Konzeption ver­hütenden Möglichkeiten. Weil sie glauben, auf diese Weise den Geschlechtsverkehr als der bösen Erbsünde seit Adams Zeiten" am besten begegnen zu können. Coenen sagt da manch treffliches Wort, das ebensogut für Deutschland gelten kann.

p. w.

Nachschrift der Redaktion. Es handelt sich hier um eine Frage, die durch die ganze Welt gehen wird, soweit in ihr Frauen wohnen, die zu ihrem Menschen- und Persönlichkeits­werte erwacht sind. Bei der Reform des Bürgerlichen Gesetz­ buches , die nach der neuen Verfassung eine Notwendigkeit ge= worden ist, wird der§ 218 völlig umgestaltet bzw. beseitigt werden müssen. Auch die französischen Frauen nehmen Stellung. In der ,, Humanité" vom 5. September spricht sich Genossin Annete Charreau für den Baseler Antrag aus, der leider in zweiter Lesung abgelehnt wurde.

Sozialisierung von Landwirtschafts­betrieben!

Die Sozialisierung landwirtschaftlicher Großbetriebe ist neuer­dings ein beliebtes Thema, wenn auch kein neues. Man hatte schon in früheren Jahren davon etwas läuten hören, aber immer zu schnell versant die Anregung in den Staub.

Die November- Revolution aber erweckte diesen Gedanken nicht nur zum Leben, nein, der Gedanke gewann Form, und viele Pläne wurden geschmiedet, ja man verlangte schlechthin die Sozia lisierung aller landwirtschaftlichen Betriebe u a. m.

Bedenkt man, daß diese Forderung meistens von Leuten aus­ging, welche glaubten, das Parteiprogramm ließe sich nun auch sofort restlos in die Tat umsetzen, so werden sie inzwischen gemerft haben, daß gut Ding Weile haben will!

Gewiß, die Gemeinsamkeit des Besizes ist ein verlockender Be­griff, aber von heute zu morgen oder gar noch schneller ist diese Frage denn doch nicht zu lösen. Zunächst wäre es ein Unding, alle landwirtschaftlichen Großbetriebe zu sozialisieren. Was soll denn nun aber als Groß-, was als Kleinbetrieb gelten? Sollen die Fläche oder der Wert des Besizes entscheidend sein? 2000 Morgen in Brandenburg haben meistens forum den Wert von 500 Morgen in der Magdeburger Rübengegend oder in den Marschen Ostfrieslands .

am Verhau!" Alles schaut voll Erwartung über die Wehr und durch die Scharten. Wirklich ist da im Mondschein ein Mann zu sehen, der mit erhobenen Händen, waffenlos, auf die österreichische Stellung losschreitet. Am Verhau bleibt er stehen und ruft in gebrochenem Deutsch, der Mann mit der Violine jolle doch heraufkommen.

Einen Moment überlegt Franz, dann schwingt er sich auf den Wall und läßt sich die Geige nachreichen.

,, Loß Dir's a 3ohl'n!" witzelt Pepi noch, und alle lachen; das Neuartige der Situation reizt sie und macht sie neugierig. Als Franz den schmalen Durchlaß im Verhau passiert, draußen dem Feind die Hand reicht, da spüren alle etwas von dem, was in den beiden Männern da draußen vor, sich geht.

Die Geige fingt. Sie flagt und weint von unsäglichen Leid der Erde, weiß von der Lust, der Schönheit des Lebens und findet ein gütiges Mahnen:

Hat dein heimatliches Land Reinen Reiz für deinen Sinn...?

Lesefrucht

Ter Menich ist so geneigt, sich mit dem Gemeinen abzugeben, Geist und Sinne jumpfen sich so leicht gegen die Eindrücke des Schönen und Vollkommenen ab, daß man die Fähigkeit, es zu empfinden, bei sich auf alle Weise erhalten sollte. Denn einen solchen Genuß kann niemand ganz entbehren, und nur die Un­gewohntheit, etwas Gutes zu genießen, ist Ursache, daß viele Menschen schon am Albernen und Abgeschmacten, wenn es nur neu ist, Vergnügen finden. Man sollte alle Tage wenigstens ein kleines Lied hören, ein gutes Gedicht lesen, ein treffliches Gemälde sehen und, wenn es möglich zu machen wäre, einige vernünftige Worte sprechen.( Goethe, Wilhelm Meisters Lehrjahre ).