Nr. 35

Die Gleichheit

Es ist ersichtlich, daß schon diese erste Frage Schwierigkeiten be­reitet und ihre gewaltsame oder schematische Lösung zu offenbaren und gerecht zu umgehenden Ungerechtigkeiten führen muß. Das Rechtsleben eines Volfes muß in festen Bahnen sich abwickeln, wenn es nicht einer Katastrophe zutreiben soll.

Wir brauchen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, und auch die Landwirtschaft, die die schwere Aufgabe hat, unser Volt ausgiebig zu ernähren, muß vor unnötigen Erschütterungen bewahrt bleiben. Deshalb braucht man den Gedanken der Sozialisierung land­wirtschaftlicher Großbetriebe nicht fallen zu lassen. Wir haben deren genug, die heute schon reif dazu sind. Hierzu sind zu rechnen. Betriebe, die zur Zwangsversteigerung stehen, ferner solche, die erwiesenermaßen seit Jahren schlecht bewirtschaftet werden, dann Wirtschaften, welche von Nichtlandwirten, womöglich Kriegs­gewinnlern, lediglich in der Absicht der Verschiebung ihrer Ge­winne und der Steuerflucht erworben sind. Auch Staatsdomänen fönnten der Sozialisierung zugeführt werden. Vor allen Dingen soll man aber den Majoraten etwas fräftig zu Leibe gehen. Hier macht sich in neuester Zeit das Bestreben geltend, die größten Be­sigungen unter die Kinder( und wären sie kaum geboren) und sonstigen Verwandten lediglich formell aufzuteilen. Tatsächlich ändert sich im Besitzverhältnis nicht das geringste. Es ist nichts anderes als ein Spiel mit vielen Strohmännern; dem Gesetze ist Genüge geschehen und dem Allgemeinwohl ein Schnippchen geschlagen. An sozialisierungsreifen Betrieben der Landwirtschaft fehlt es also feineswegs.

Haben wir nun einen solchen Betrieb in der Hand, so entsteht die Frage, ob die Errichtung einer Aktiengesellschaft, einer Gesell­schaft mit beschränkter oder unbeschränkter Haftpflicht im Interesse der Boltsernährung zweckmäßig sei.

Aus meiner Kenntnis des ländlichen Genossenschaftswesens heraus möchte ich nun der Aktiengesellschaft oder der G. m. b. H. das Wort reden. Vorausjeßung ist, daß die Leitung dieser Ge­sellschaften fast ehrenamtlich erfolgt.

Aftien oder Gesellschaftsanteile müßten, um all und jede Spe= tulation auszuschließen, auf den Inhaber lauten und in Stücken von je 100 mf. etwa ausgewiesen werden. Zu verhüten ist die Ansammlung zu großen Besizes an diesen in einer Hand; damit würden wir zum Kapitalismus gelangen. Die Festsetzung einer Höchstgrenze an Aktien- oder Anteilbefit in einer Hand ist somit nicht zu umgehen.

Schach dem Mord!

Von Anatole France .

Der berühmte französische Schriftsteller Anatole France hielt auf dem französischen Lehrerkongreß in Tours eine Rede, in der er, wie die Humanité" berichtet, zunächst des großen Jaurès gedachte und seines Eintretens für das Vereinigungsrecht der Lehrer im Jahre 1906. Dann ermahnte er die Lehrer, alles zu tun, um die Gedanken von Haß und Rache, Blut und Mord aus der Schule zu verbannen. Er sagte u. a.:

Lehrerinnen, Lehrer! Teure Freunde! Mit tiefer Bewegung wende ich mich an euch, und alles, was ich euch sage, ist die Frucht einer Ungeduld und einer Hoffnung. Wie sollte man nicht von großer Verwirrung ergriffen werden, wenn man bedenkt, daß ihr es seid, in deren Händen die Zukunft liegt und daß sie zum großen Teile werden wird, was euer Geist und eure Pläne aus ihr machen werden!

Wenn ihr das Kind bildet, werdet ihr die Zukunft bestimmen. Welche Bedeutung des Augenblics, in dem wir leben, da die alte Gesellschaft unter dem Gewicht ihrer Fehler zusammenbricht, da Bestegte und Sieger Seite an Seite in gemeinsamem Elend ein­ander bekämpfen und Blicke des Haffes austauschen!

In der sozialen and moralischen Unordnung, entstanden durch den Krieg und besiegelt durch den Frieden, der ihm folgt, habt ihr alles zu tun und alles neu zu machen. Erhöhet euren Mut, er= hebet euren Geist! Eine neue Menschlichkeit gilt es zu schaffen, neues Geistesleben müsset ihr erwecken, wenn ihr nicht wollt, daß Europa in Schwäche und Barbarei verfällt....

Vor wenigen Tagen verlangte der liebenswerte La Fouchardiere in einer Buchhandlung Bücher für ein kleines Mädchen. Man gab ihm nichts als Schilderungen und Bilder von Mord, Greuel­taten und Verwüstung; mit nächstem Fasching wird man in den Boulevards von Paris Tausende und aber Tausende kleiner Buben sehen, von der törichten Pflege ihrer Mütter als Generäle und Marschälle angezogen. Der Kinematograph, wird ihnen die Schön­heiten des Krieges zeigen, man wird sie so für den militärischen

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Da das Aktiengesetz und das Gefeh betreffend der Gesell­schaften mit beschränkter Haftpflicht die Bildung eines Referbe­fonds vorschreiben, so würde man in Jahren schlechter Ernten und damit verminderter Ginnahmen, jedoch womöglich vermehrter Ausgaben, gegen Verluste gedeckt sein.

Ist mun ein zu sozialisierender Besiz erworben, die Gesellschaft gegründet, ganz gleich in welcher Form, so ist es erste und größte Pflicht und Sorge einen Landwirt zu finden, der nicht nur in seinem Fach durchaus tüchtig, sondern zugleich auch ein guter, borausschauender Kaufmann sein muß. Er muß, soll er tatsächlich etwas leisten, mit größtmöglichster Selbständigkeit ausgestattet sein, und man hüte sich, ihm einen Wirtschaftsrat", oder wie man sonst das Gebilde nennen will, überzuordnen. Ein tüchtiger Fachmann wird sich das schon gar nicht gefallen lassen und sicher auch keine Anordnungen befolgen, die, von Nichtfachleuten aus­gehend, die Wirtschaft herunterbringen könnten. Jedoch gebe man ihm einen Rechnungsführer zur Seite.

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Alle Beamten sind so zu stellen, daß sie einer Versuchung nicht erliegen. Gehalt und Naturaldeputate müssen möglichst hoch be­messen sein.

Vorstand und Wirtschaftsleiter bestimmen die Wirtschaftsweise; ihre Ausführung ist allein Sache des Wirtschaftsleiters. Die Natur des Landwirtschaftsbetriebes ist viel zu sehr verschieden, daß sich allgemein gültige Regeln gar nicht aufstellen lassen.

In erster Linie richte man sein Augenmerk darauf, daß Wirt­schaftsgebäude, Maschinen und Geräte dauernd in guten Zustand versetzt werden und so bleiben. Hier zu sparen wäre ein nicht gut­zumachendes Uebel.

Will man aber dem Wirtschaftsleiter eine allzu große Selb­ständigkeit nicht einräumen, so stelle man den ganzen Betrieb unter die Wirtschaftsberatung einer landwirtschaftlichen Autorität; es lohnt die Kosten. Selbstverständlich müßte der Wirtschaftsleiter von der Absicht einer solchen Maßnahme vor seiner Anstellung von verständigt werden, da sie vielfach jedoch irrigerweise- den Wirtschaftsbeamten als Mißtrauensvotum aufgefaßt wird. Naturgemäß und verständlich ist der Wunsch, daß jeder Aktionär oder Gesellschafter von seinem Gute soviel an Lebensmitteln be= ziehen möchte als möglich ist. Dem ist jedoch, will man sich sehr unliebsame Erfahrungen ersparen, mit aller Energie entgegenzutreten

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Besonders schlimm würden solche Erfahrungen sein, wenn die Wünsche der Höhe der Beteiligung an dem Unternehmen angepaßt würden.

Beruf vorbereiten. Solange es Soldaten gibt, wird es Krieg geben, und unsere Diplomaten haben den Deutschen Soldaten ge­lassen, um bei uns welche halten zu können. Man wird vom Wickelbettchen an sie für den Militarismus vorbereiten.

Meine Freunde, mik diesen gefährlichen Methoden muß man brechen. Der Lehrer muß das Kind den Frieden und seine Werke lieben machen; er wird es lehren, den Krieg zu verabscheuen, er wird aus dem Unterricht alles verbannen, was zum Haffe beiträgt, auch zum Hasse gegen den Feind von gestern. Ich meine nicht, daß man nachsichtig sein solle gegen das Verbrechen und allen Schuldigen verzeihen, sondern ich meine, daß ein Volf, welches immer es sei, zu welcher Stunde immer, aus mehr Opfern denn Schuldigen besteht, und daß man das Verbrechen der Bösen nicht an den unschuldigen Generationen rächen darf, und schließlich, daß alle Völker einander genug zu vergeben haben.

Meine Freunde, wecket den Haß gegen den Haß! Das ist das Wichtigste eurer Aufgabe und zugleich das Einfachste; die Zeit, da ein verderblicher Krieg Frankreich und die ganze Welt ge­schwächt hat, gibt euch eine Aufgabe von umfangreicher Bedeutung, die schwierig zu erfüllen ist. Gestattet, daß ich wiederhole: Das Ohne Hoffnung, ist der große Fattor, von dem alles abhängt. Unterstüßung zu finden, kaum Verständnis, müßt ihr die Er­zichung vom Grundstein bis zum Dachfirst umändern, um ar­beitende Menschen zu schaffen. In unserer Gesellschaft gibt es heute Platz nur für Arbeiter, der Rest wird im Wirbel ver­schwinden. Schaffet denkende Arbeiter, wissend in den Künsten, die sie ausüben, bewußt ihrer Pflichten gegen die Gemeinschaft des Volkes und die Gemeinschaft der Menschen.

Verbrenait! Verbrennet alle Bücher, die den Haz lehren! Predigt die Arbeit und die Liebe! Schaffet uns vernünftige Menschen, fähig, ben eitlen Glanz des barbarischen Ruhmes mit Füßen zu treten und den blutigen Bestrebungen der Nationalismen und Imperialismen zu widerstehen, durch die ihre Väter ver­dorben wurden. Keine industriellen Rivalitäten mehr, feine Kriege: Arbeit und Frieden!