Nr. 36

Die Gleich beit

zu wünschen, daß die Fabrikpflegerinnen, ebenso wie die Gewerbe­inspektion, both Staat angestellt und bezahlt würden. Erst dann iväre die Voraussetzung gegeben, für das allgemeine Wohl der Arbeiterinnen Nützliches leisten zu können.

Das Frauenamt in Nürnberg   hat all diesen Fragen das größte Intereffe zugewandt. Daß diese nicht in gewünschter Weise ge­löst werden konnten, Tag vor allem an den unsicher gelagerten Verhältnissen und dem Mangel an gefeßlichen Befugnissen.

Deshalb wäre es zu wünschen, daß die Bestrebungen des Frauen­amtes von den Arbeiterinnen unterstützt würden, nicht erschwert darf deren Arbeit werden, sondern Genossinnen und Genossen in leitenden Organisationsstellen sowohl auch in den Betrieben müssen sie fördern, wo es nur geht. Margarete Besold.

Die internationale Arbeiterkonferenz Ende dieses Monats soll in Washington   eine inter nationale Arbeiterkonferenz stattfinden. So will es der Friedensvertrag, der aber gleichzeitig in seinem Artikel 387 sagt: Die ursprünglichen Mitglieder des Völkerbundes sind die ursprünglichen Mitglieder dieser Organisation" und damit Deutschland   und Desterreich von der internationalen" Ar­beiterkonferenz ausschließt.

Der internationale Gewerkschaftsfongreß in Amsterdam  hatte beschlossen, nur dann nach Washington   zu gehen, wenn auch Deutschland   und Desterreich mit vollen Rechten eingeladen würden. Diese Einladung ist nicht erfolgt. Der Entente scheinen aber Bedenken gekommen zu sein, daß durch lebergehung der Arbeitervertreter der Mittelmächte die ganze Konferenz in Frage gestellt werden möchte, und so hat sie es dann 3 Wochen vor Beginn der Konferenz für nötig gehalten, Deutschland   und Deutschösterreich in Briefform mitzuteilen, daß einer Entsendung von Vertretern dieser Länder nach Amerika   nichts im Wege liege, und daß ihre Reise durch die Regierung der Vereinigten Staaten   in jeder angemessenen Weise erleichtert werden wird". Die Entscheidung über die Zulassung unserer Vertreter soll bei der Konferenz selber lizgen. Man darf dieses Schreiben wohl ruhig als das werten, was es ist, ein Mittel zur Beruhigung der Arbeiter in den

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Feuilleton

Sonne  

Schickt der Himmel mir Sonnenschein, Trag ich ihn flink ins Herz hinein.

Kommt dann Regen und Sturmgebraus,

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Hol ich mir Sonne von innen heraus, Leuchtet mir hell, bis das Wetter vergangen, Bis ich von neuem kann Sonne fangen.

Karla Berr.

Frauengestalten des 19. Jahrhunderts

Von Anna Blos  , M. d. N.

III. Rahel Levin.  

dr. dem anspruchsloſen Bürgermädchen ohne glänzende Verbindungen, ohne den allgütigen Freibrief der Schön heit und ohne bedeutendes Vermögen, gelang es all­mählich einen Gesellschaftskreis um sich zu versammeln, der ohne allen Vergleich der anziehendste und geistreichste war in ganz Berlin  . Einen Kreis, in welchen aufgenommen au werden königliche Prinzen, fremde Gesandte, Künstler, Ge­lehrte oder Geschäftsmänner jeden Ranges, Gräfinnen und Schauspielerinnen sich gleich eifrig bemühten, und wo jeder bon ihnen nicht mehr Wert, aber auch nie weniger hatte, als er selbst durch seine gebildet: Persönlichkeit geltend zu machen vermochte." So schrieb der Freiherr v. Brinkmann an Rahels Gatten Varnhagen von Ense   wenige Tage nach ihrem Hinscheiden. Treffend charakterisiert er damit den Kreis, der sich Anfang des 19. Jahrhunderts in der Jäger­straße in Berlin   um die kleine Jüdin versammelte, die

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Ländern der Entente oder gar ein Verschleierungsmanöver gegenüber den Gewerkschaften der Länder, die den Amster­damer Beschluß gefaßt haben.

Daß unsere Vertreter unter den Umständen nicht nach Washington   gehen können, ist selbstverständlich. Wir wünschen nichts sehnlicher als die Aufnahme der internationalen Be­ziehungen in der Arbeiterschaft. So aber geht es nicht. Wenn überhaupt wieder eine Verständigung zwischen den Völkern erreicht werden soll, dann müssen sie sich als gleichberechtigt gegenübertreten. Die Regierungen der Entente haben uns in dem Friedensvertrag barte Bedingungen auferlegt, und wir werden die Bedingungen der Sieger erfüllen, soweit es irgend möglich ist; der Stolz der deutschen   Arbeiterschaft darf aber nicht mit Füßen getreten werden.

Nach einer Mitteilung der New Yorker Tribüne" hatte der Nationale Frauengewerkschaftsbund von Amerika   be­schlossen, unmittelbar vor der von Wilson einberufenen Washingtoner Konferenz( siehe Leitartikel d. N. d. G. 3.) einen internationalen Frauenfongreß abzuhalten, der zu den auf der offiziellen Konferenz zu behandelnden Fragen Stel­lung nehmen soll. Einladungen sollen an 34 Länder gesandt worden sein.

Dem Vorsitzenden des Allgemeinen Deutschen Gewerk schaftsbundes" ist am 15. Oktober von der National Womens Trade Unions League( Nationaler Frauengewerkschaftsbund von Amerika  ) telegraphisch eine Einladung zur Teilnahme an der Konferenz zugegangen. Jedes Land hat danach das Recht, bis zu 10 weibliche Delegierte zu entsenden, die Man­date anerkannter Gewerkschaften mitbringen müssen. Die Konferenz soll ant 28. Oftober beginnen.

Die Einladung ist zu spät in die Hände der deutschen Ge­werkschaften gelangt, um eine Delegation noch zu ermöglichen. Es liegt zur Stunde noch keine Entscheidung des Vorstandes des A. D. G. vor, wie er sich andernfalls zu der Einladung gestellt hätte. Nach dem Wortlaut des Telegramms hätte einer Delegation eine Berständigung mit den Vertretern der übrigen Gewerkschaftsrichtungen vorausgehen müssen, da die gleiche Einladung auch, an andere Organisationen gegangen ist.

Rahel", wie sie noch heute fortlebt in unserem Gedächtnis. Ganz wundersam erscheint es uns, wie sie die Kraft hatte, nicht nur die Menschen anzuziehen, sondern auch sie festzu­halten und zu meistern, als sie schon längst nicht mehr unter ihnen weilte.

Schriftstellerisch hat sich Rahel nie betätigt. Was wir bont ihr wissen, entnehmen wir ihren Briefen und Tagebuch­blättern, die ihr Gatte nach ihrem Tode der Deffentlichkeit übergab, oder auch dem, was ihre Zeitgenossen über sie schrieben. Denn die Frau, die nach Gottschall die ausge­suchtesten Kreise der Berliner   Gesellschaft gleich einer Pythia  regierte", war die Freundin aller großen Geister jener Zeit.

Rabel Levin wurde 1771 als Tochter eines reichen jüdischen Geschäftsmannes geboren. Sie trat später zur christlichen Religion über und nahm den Namen Friederike Robert an. Aber ihren Freunden blieb sie immer die Rahel". Schon ihr Vater empfing als einer der hervorragendsten Bankiers Berlins   viele angesehene Perfönlichkeiten bei sich. Da seine Gattin leidend war, übernahm Rahel schon früh die Saus­frauenpflichten und fesselte bald die Gäste durch ihr herr­liches Klavierspiel und durch ihre außerordentliche Unter­baltungsgabe. Noch in jungen Jahren mußte sie aber die traurige Erfahrung machen, daß sie den vornehmen Hercen, die ihr huldigten, doch nur die Jüdin" war, mit der man sich wohl amüsierte, die man aber als unebenbürtig nicht ernst nahm. Sie verfiel in eine schwere Krankheit, von der sie genas, deren Spuren aber ihrem Ausdruck etwas Tiefrühren­des verliehen. Sie war nicht verbittert durch die Erfahrung, daß ihre Liebe um äußerer Verhältnisse willen mit Füßen getreten war. Aber ein tiefes Verständnis für die Leiden der ganzen Menschheit war ihr aufgegangen. Daraus er­