Nr. 37

29. Jahrgang

Die Gleichheit

Zeitschrift für die Frauen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands Mit den Beilagen: Für unsere Kinder. Die Frau und ihr Haus

Die Gleichheit erscheint wöchentlich Preis: Monatlich 1,20 Mart, Einzelnummer 30 Pfennig Durch die Post bezogen vierteljährlich ohne Bestellgeld 3,60 Mark; unter Kreuzband 4,25 Mark

Es soll Licht werden

Berlin

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1. November 1919

Die Nationalversammlung hat befanntlich auf Grund der Verfassung einen Ausschuß zur Untersuchung der Schuld am Striege eingesetzt. Das deutsche Volk will und soll erfahren, welche Kräfte an seinem Unglück so hartnäckig gewoben haben. Ob die Verhandlungen des Ausschusses volle Klarheit bringen werden? Diese Frage ist jekt, am Beginn der Arbeiten, nicht 311 beantworten. Ein ungeheures Material liegt vor. Vier Jahre Krieg und die Vorgeschichte dazu, find in zahllosen Aftenbündeln festgehalten. Der Hauptausschuß hat darum Der Hauptausschuß hat darum eine Teilung der Arbeiten vorgenommen und sie vier Unter ansschijfen übertragen. Der erste soll die Ursachen klären, die 1914 unmittelbar zum Ausbruch des Krieges geführt haben; der zweite hat die vorhanden gewesenen Friedensmöglichkeiten zu prüfen; der dritte wird sich mit allen militärischen und wirtschaftlichen Maßnahmen in Feindesland befassen und vor allem festzustellen versuchen, wieweit die Art der Kriegführung zwar völkerrechtlich erlaubt, aber dennoch unmenschlich gewesen ist und der vierte ist zur Aufklärung der belgischen Greuel beaujen.

Am 21. Oftober hat der zweite Unterausschuß damit begonnen, in öffentlicher Verhandlung den früheren deutschen Botschafter in Amerika , Grafen Bernstorff, als Zeugen dar über zu vernehmen, wieweit durch den Präsidenten Wilson ernste Friedensschritte getan worden sind und welches die Gründe waren, weshalb diese Schritte einen Erfolg nicht

hatten.

Wir haben seit dem Zusammenbruche gewußt, daß bei uns unheilvoll kreuz und quer regiert worden ist während des Krieges, daß Regierung und Großes Hauptquartier Politik für sich machten und daß die Politik des Hauptquartiers Sieger blieb zum Unheil des deutschen Volkes. furchtbarer Tragweite aber und gleichzeitig wie beschämend dieses Durcheinanderregieren gewesen ist, geht erst aus den Zeugenvernehmungen mit aller Klarheit hervor.

Bon wie

Die ganze Tragödie, die wir fünf Jahre durchlebt haben, steigt noch einmal in all ihren Einzelheiten empor und uns Frauen, die an den Verhandlungen teilnehmen, ist es, als müßten wir Schreie ersticken, Schreie des Schmerzes, der Em­pöring, des Haffes gegen die faltrechnenden Menschen, die all das levendige junge blühende Leben wie Schachfiguren auf dem Brett einsetten. Die das Glück, das lebendige Glück von Millionen Menschen mit Füßen traten. Die Männer Sterben, Franen vergehen und Kinder verderben liegen, nicht um des Vaterlandes, nicht um des Volfes willen, sondern, weil fie auch erst die letzte Waffe, das U- Boot, von dem sie den Sieg erhofften, probieren wollten. Den Sieg, der nach deni Urteil einsichtiger Militärs im Oktober 1916 schon nicht mehr 311 erringen war.

Und da drüben in Amerika sitt ein deutscher Botschafter, der Vertrauen und Freundschaft in dem fremden Lande ge­nießt; ein Vorzug, dessen sich deutsche Vertreter im Auslande nicht gar oft rühmen konnten. Dieser Mann, der Graf Bern

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storff, ist ehrlich überzeugt, daß die Vermittelung des Präsi­denten Wilson den Frieden bringen kann und deshalb tut er alles, um diese Vermittelung zu erreichen, wobei er durch den Obersten House weitgehend imterstützt wird. Wilson ist bereit. aber erst müssen die Wahlen vorüber, die feststellen sollen, ob er die Mehrheit des amerikanischen Volkes hinter sich hat. Der Präsident muß mit den Kapitalisten seines Landes rech­nen, nachdem er ihnen soweit nachgegeben hat, daß sie die Herstellung des Kriegsmaterials für die Entente in einem Umfange übernehmen konnten, daß eigentlich von einer Neu­tralität Amerikas nicht mehr gesprochen werden konnte. Air­dererseits gibt dieser Umstand der Friedensvermittelung Wi­sons ein viel bedeutenderes Gepräge; die Entente fonn ohne Amerika den Krieg nicht fortjeben. Deshalb richtet Graf Bernstorff später seine ganze Kraft darauf, den U- Bootkrieg zit verhüten. Die Wahlen fallen zu Wilsons Gunsten aus, also die Friedensaktion fann beginnen. Die deutsche Regie­rung stellt Bedingungen; Amerika soll auf Berührung terri­torialer Fragen verzichten. Es fügt sich, aber es will die Kriegs­ziele der Kriegführenden, also auch Deutschlands , kennen­fernen. In Berlin wird die Bekanntgabe für möglich er­klärt; man einigt sich auf die vertrauliche Mitteilung. Wiljons Appell an die Kriegführenden, welcher die Friedensaktion ein­Ieiten soll, ist für Ende Dezember 1916 geplant. Graf Bern­storff rät, daß die deutsche Regierung sich bis dahin ganz zurückhält, um die Wirkung nicht abzuschwächen. Das wird ihm zugesagt. Da erscheint plöglich, mitten in die Vorberei­tungen des Präsidenten Wilson hinein, das deutsche Friedens­angebot vom 12. Dezember 1916. Zu welchem Zweck, da nian in Berlin mit den amerikanischen Plänen einverstanden war?

Graf Bernstorff weiß es nicht, aber Georg Bernhard behauptet in der Vossischen Zeitung" vom 23. d. M., daß den Presse­vertretern damals bereits nfitgeteilt worden sei, daß das Friedensangebot den Zweck habe, die Wilsonaktion zu durch­Treuzen. Noch wehrt man sich dagegen, zu glauben, daß so ein Verbrechen am deutschen Volke begangen sein kann. Das deutsche Volk glaubte an die Ehrlichkeit des Friedensangebotes und setzte den Krieg fort, weil, so mußte es annehmen, die Feinde den Frieden nicht wollten. So wurde die Stimmint für den U- Bootkrieg in Deutschland geschickt und verbrecherisch vorbereitet, die Militärpartei, der Admiralstab haben wieder geficgt". Und draußen sterben täglich Tausende für Deutsch­ lands

Ehre.

Trotz all dieser Zwischenspiele, und obwohl die Militär- und Marincattachés, welche in Nav York siten und alle friedens. freundlichen Schritte des Grafen Bernstorff in Washington durchfreuzen, gelingt es diesein, Wilson für weitere Vermitt lung zu stimmien. Ende Januar ist wieder Hoffnung auf Belingen, da eröffnet Deutschland den U- Bootkrieg. Im Fe­bruar wird Graf Bernstorff zurückberufen. Sein Schiff wird in Hallifax von den Engländern festgehalten, es findet eine Untersuchung wegen einer Riste mit schwedischen Aften statt, von der der Botschafter, wie er unter Eid aussagt, nichts ge­wußt hat. In Wirklichkeit bezweckt England wohl nur, die