Nr. 38

Die Gleich beit

Forderungen der Matrosen. Freilich, ganz ohne Blutvergießen ging auch das nicht ab. Hier und da erfolgten noch Schießereien, eine von ihnen forderte 8 Tote und 12 Verwundete. Aber es dauerte nicht lange, und in Stiel war die Ruhe und Ordnung wiederhergestellt. Als im übrigen Reiche die Erhebungen erst begannen, hatte man in Kiel   bereits einen sozialdemokratischen Admiral, den Genossen Noste, und einen Beigeordneten beim Oberbürgermeister, den Genossen Adler, eingesetzt. Wenn es gelang, das ojt stürmische Blut der rauhen Seeleute zu bändigen und unnötige Erregungen zu verhindern, so war das in erster Linie das Werk Nostes.

Nun beschränkte man sich nicht mehr auf die Regelung der Kieler   Verhältnisse allein. Laut Proffamation an die Bevölkerung Schleswig- Holsteins   vom 7. November wurde eine provisorische Provinzialregierung gebildet, die zum Ziel die freie soziale Volks­republik hatte. Die Bewohner der Provinz wurden aufgefordert, überall Arbeiter- und Soldatenräte zu bilden. Der damalige Barteisekretär Kürbis wurde am Sonnabend dem Oberpräsi­denten der Proving als Beigeordneter zur Seite gestellt.

Echon am Mittwoch, den 6. November, war die Kieler   Be­wegung auf Altona   übergesprungen. Die Erlebnisse hier schlossen sich eng an die Hamburger   Begebenheiten an, von denen wohl noch besonders die Rede ist. Ein Zurid gab es nicht mehr; das alte Deutschland   war hinweggefegt, und als am Sonntag, den 10. November, in Stiel die Opfer des ersten Straßentampfes zu Grabe geleitet wurden, da war in Berlin   bereits die deutsche Republik ausgerufen woorden, an deren Spike die Arbeiter und Soldaten, die zuerst in Kiel   ihre Verbrüderung gefeiert hatten, die Führer der beiden sozialdemokratischen Parteien gestellt hatten.

Louise Schroeder  .

In Hamburg   zeigten sich die Vorboten der Revolution be­reits am Vormittag des 5. November. Durch den Kieler Ma­ trosenaufstand   ermuntert, legten Landwehrleute im Bereiche des 9. Armeekorps auf Zureden von Matrosen ihre Waffen nieder. Der Kommandierende v. Fall fühlte sich dadurch veranlaßt, die Genoffen Hense, Stolten und Stubbe zu sich zu bitten zu einer Aussprache über die Situation. Dem dringenden An­raien dieser Genoffen, die Bewegung nicht mit Waffengewalt niederzuschlagen, ist es zu danken, daß größeres Blutvergießen verhindert wurde. Die revolutionäre Bewegung war im Fluß, nennenswerter Widerstand wurde ihr nicht geleistet. Am Mittag des gleichen Tages gab die Kantine der Schiffswerft von Blohm u. Voß durch Verabreichung schlechten Essens den Werft­arbeitern Veranlassung zur Arbeitsnicderlegung. In der zum

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Feuilleton

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Nur wer fich felbft verbrennt, wird den Menschen ewig wandernde Flamme. Morgenstern.

Aus Wilhelm Tell  

Von Friedrich v. Schiller  .

Der Rütlischwur.

Walther Fürst

Wenn am bestimmten Tag die Burgen fallen, So geben wir von einem Berg zum andern Das Zeichen mit dem Rauch; der Landsturm wird Aufgeboten, schnell, im Hauptort jedes Landes; Wenn dann die Vögte sehn der Waffen Ernst, Glaubt mir, sie werden sich des Streits begeben Und gern ergreifen friedliches Geleit, Aus unsern Landesmarken zu entweichen.

Stauffacher:

Nur mit dem Geßler fürcht ich schweren Stand, Furchtbar ist er mit Reisigen umgeben; Nicht ohne Blut räumt er das Feld, ja, selbst Vertrieben, bleibt er furchtbar noch im Land. Schtver ift's und fast gefährlich, ihn zu schonen.

Baumgarten:

Bo's balsgefährlich ist, da stell: mich hin, Dem Tell verdant ich mein gerettet Leben.

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Nachmittage einberufenen Versammlung der Werftvertrauens­leute, die zur gegenwärtigen Lage Stellung nehmen sollte, wurde u. a. die Forderung nach einem Sympathiestreit für die Kieler  Matrosen gestellt. Die endgültige Beschlußfassung sollte ant Donnerstag, den 7. November, in einer gemeinschaftlichen Sizung aller Vertrauensleute der Partei, der Gewerkschaften und der Betriebe erfolgen. Abends 8% Uhr tagte im Gewerkschaftshause eine von der U. S. P. einberufene Massenversammlung. Auch Feldgraue und Matrosen hatten sich in großer Zahl eingefunden und beteiligten sich lebhaft an der Aussprache. Alle Redner for­derten den Sturz der herrschenden Gewalten. Auf Antrag eines Matrosen wurde beschlossen, am nächsten Tage eine Demon­strationsversammlung auf dem Heiligengeistfeld abzuhalten.

Friedrich Zeller, ein fünfundzwanzigjähriger Mas trofenmat aus Württemberg, politijd gang indifferent, leistete in der Nacht vom 5. auf den 6. November gute Vorarbeit für den Sieg der revolutionären Bewegung. Nach kurzer Beratung mit einigen Kameraden wollte 3 eller in Hamburg   das Kieler Vor­bilo nachahmen. Im Hafen liegende fleine Kriegsschiffe wurden überrumpelt und bald verfügte 3eller nicht nur über Waffen und Munition, sondern auch über eine bewaffnete Anhänger­schar aus den Reihen der Mannschaften. Auf der Straße wurden Urlauber entwaffnet, Offiziere festgesetzt. Nach einem furzem Kampfe, der 10 Menschenleben foftete, waren auch die Kasernen und das Generalfommanto erobert. Ein provisorischer Arbeiter­und Coldatenrat wurde gebildet, der die Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit übernahm.

Die Demonstrationsversammlung auf dem Heiligengeistfeld, die mittags 12 Uhr zusammentrat, zeitigte auch den Beschluß, das " Hamburger Echo" zu beschlagnahmen, das dann bis einschließlich 9. November unter dem Titel: Die Rote Fahne  " herausgebracht wurde. Der weitere Verlauf der Bewegung trug dazu bei, daß ab Sonntag, den 10. November, das Hamburger Echo" wieder im Be­sitz der organisierten sozialdemokratischen Arbeiterschaft war. Am gleichen Tage versammelten sich die Delegierten der sozialdemokra­tischen Partei Hamburgs  . Der langjährige Vorsitzende des ersten Hamburger   Wahlkreises, Genosse Gruenwaldt, gab freudig be­wegt die revolutionären Umwälzungen bekannt und er schloß seine Ansprache mit einem begeistert aufgenommenen Hoch auf die junge deutsche Republik  . Tief ergriffen sagte mir ein alter Stämpfer, daß die jüngeren Genossen die ganze Größe dieses erhebenden Augenblicks wohl nicht erfassen könnten. Wer ein Menschenalter gegen die Reaktion kämpfte, dem sei durch den Sieg der Revo­lution der höchste und schönste Lohn zuteil geworden. Johanne Reiße.

Gern schlag ich's in die Schanze für das Land, Mein' Chr' hab ich beschüßt, mein Herz befriedigt.

Reding:

Die Zeit bringt Rat, erwartet's in Geduld. Man muß dem Augenblick auch was vertrauen.

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Doch seht, indes wir nächtlich hier noch tagen, Stellt auf den höchsten Bergen schon der Morgen Die glüh'nde Hochwacht aus. Kommt, laßt uns scheiden, Eh' uns des Tages Leuchten überrascht.

Walther Fürst:

Sorgt nicht, die Nacht weicht langsam aus den Tälern.

Rösselmann:

Bei diesem Licht, das uns zuerst begrüßt

Von allen Völkern, die tief unter uns Schwer atmend wohnen in dem Qualm der Städte, Laßt uns den Eid des neuen Bundes schwören: Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern,

In keiner Not uns trennen und Gefahr. Wir wollen frei sein, wie die Väter waren,

Eher den Tod, als in der Knechtschaft leben. Wir wollen trauen auf den höchsten Gott Und uns nicht fürchten vor der Macht der Menschen. Stauffacher:

Jebt gehe jeder seines Weges still

Zu seiner Freundschaft und Genoẞsame. Wer Hirt ist, wint're ruhig seine Herde Und werb' im stillen Freunde für den Bund. Was noch bis dahin muß erduldet werden, Erduldet's. Laßt die Rechnung der Thrannen