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Die Gleich beit

den Stand vom 1. Januar 1914 cs beweisen, ganz gewaltig. Das erklärt sich durchweg dadurch, daß Arbeiterinnen ein besseres und toilligeres Ausbeutungsobjekt für den Unternehmer darstellen. Der Krieg hat diese Tendenz noch verstärkt, aber auch die angeblich sozialistische Wirtschaftspolitik der Bolschewifi hat es nicht ver­mocht, eine Befferung herbeizuführen. Seitdem sind die Zustände relativ noch schlimmer geworden. Die Männer werden zum Kriegsdienst herangezogen, die Ernährungsnöte sind ungeheuer, die Ausbeutung der Arbeiterinnen ist leider nach wie vor an der Tagesordnung.

Die Lebensmittelnot bereitet der Frau die allergrößten Sorgen. Wenn auch das, was in Deutschland während der Kriegs­jahre auf diesem Gebiete zu ertragen war, sich mit der gegen­wärtigen Not in Towjet- Rußland in feiner Weise messen kann, so ist es jeder Frau ohne weiteres flar, was für Schwierigkeiten, welch einen übermenschlichen Jammer die russische Arbeiterin jetzt zu erdulden hat.

Alle diese Einflüsse führen dazu, daß die Revolution auf die geistige Physiognomie der russischen Arbeiterin noch nicht so ein­gewirkt hat, wie zu erwarten wäre. Lenin flagte auf dem Frauenfongreß im November 1918 über die geistige Rückständig­fest, Anhänglichkeit an religiöse Ueberlieferungen bei den russischen Arbeiterinnen usw. Auch aus den Berichten über Versammlungen von Arbeiterinnen, die gelegentlich stattfinden, gewinnt man das­selbe Bild.

Für uns Sozialdemokraten ist das allerdings keine Amerika­entdeckung. Man tann über Nacht politische Umwälzungen voll­ziehen, es ist aber unmöglich, wirtschaftliche und soziale Ten­denzen, die tief eingewurzelt und mit allem und allen eng ber­wachsen sind, ebenso schnell aus der Welt zu schaffen. Dazu bedarf es schwerer Arbeit. Vor allem bedarf es einer Erziehung der Menschen für die Erfüllung dieser Aufgaben. Vor­bereitung, geistige Schulung, raftlose Aufklärung und Organi­fierung der Unaufgefläzten das ist der Weg, der uns zum Biele führt.

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Freude

Arbeiter! Ihr feid die Morgenfrühe und der späte Abend, der bobe Mittag und die tiefe Mitternacht.

Eure Arbeit ist die Oafe in der Wüfte der Welt. Ihr feid der Sternenhimmel täglich neuer Hoffnung. Der Glanz eurer Vielheit ist das Diadem der Planeten. Sorget, daß die Sonne der Dynamo eurer Leuchtkraft ift, die Freude der Quell eurer Arbeit!

Freude ift die Sinfonie des Sozialismus; Freude ift der Chor der Arbeit, die Morgenfrühe und der späte Abend, der hohe Mittag und die tiefe Mitternacht, der Sternenhimmel; neuer Hoffnung Reigen und Lied.

Arbeiter! Euer Werk ist die Oafe in der Wüste der Welt.

Julius Zerfaß .

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gegangen werden. Nur Mann und Frau, mi wechselseitigen Geben und Nehmen, fönnen die gewaltigen Aufgaben löjen, vor die sich das heutige Geschlecht gestellt sieht. Mann und Frau! Darin liegt so unendlich vieles. Das bedeutet Bruch mit der Vergangenheit. In jeder Beziehung. In Recht und Sitte und Gesek. In Ehe, Liebe und Religion. Alles muß, alles wird umgestaltet werden. Denn in all diesen Dingen war der Mann bisher der allein Führende, der allein Bestimmende. Himmel und Erde waren allein von männlichen Idealen erfüllt. Der Mann allein war der Schöpfer der Welt. Er war der Gestalter der menschlichen Gesellschaft. Nun tritt die Frau neben ihn, be= fruchtend, veredelnd. Zwar fehlt den meisten Frauen dieser Zeit die nötige Vorbildung, das angelernte Wissen. Dafür bringen fie viel gute Dinge mit, die der Mann meist nicht hat: ein ange= borenes Gefühl für das Richtige, viel Frische und Natürlichkeit, viel Jdealismus und guten Willen. Und dann etwas, das gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann: das Wohl, das Interesse der Fcau dect sich stets mit dem Wohl und Interesse der Ges samtheit.

Wie der Egoismus, die Selbstfucht des Mannes den Fort­schritt gehemmt und verzögert hat, wird die Selbstsucht der Frau, die Selbstfacht der Mutter antreibend, beschleunigend auf die Ente wicklung der Menschheit wirken

Alles wird anders werden unter dem Einfluß der Frauen und Mütter. Alles wird schöner werden. Nicht zuletzt das Ver­hältnis von Mann und Frau selbst.

Die Frau wird ihrem Gatten nicht nur Weibchen, nur Ge­schlechtswesen sein, sondern Weg- und Kampfgenossin. Die Mutter wird ihrem Kind den Weg ebnen. Sie wird bei der Ent­widlung, beim Aufstieg ihres Kindes nicht mehr verachtet und bewundernd beiseite stehen. Sie wird mitgehen dürfen, mitgehen können. Das Band zwischen Mutter und Kind wird in der Zufunft nicht mehr zerreißen. Es wird kein bloßer Name sein, wie es heute meist ist. Condern dieses Band wird die Geschlechter miteinander verknüpfen und sie gemeinsam zur Höhe führen.

In ihren alten Märchen und Sagen haben sich die Menschen die Erinnerung bewahrt an eine paradiesische Zeit. Wenn dieses Paradies in Wirklichkeit auch nicht so bestanden hat, etwas Wahres ist doch daran- wie an den meisten dieser alten Geschichten. Es hat wirklich einmal eine Zeit gegeben, in der die Menschen nichts wußten von Buchhäusern und Gefängnissen. In der sie nichts wußten von der Unterdrückung einer Klasse oder eines Geschlechts. Eine Zeit, in der Freiheit und Gleichheit und auch Brüderlichkeit feine leeren Worte waren, in der Witwen und Waisen nicht dafür büßen mußten, daß sie feinen Bater und Ernährer mehr hatten. Das war die Zeit, in der die Frau gleichwertig und gleichberech tigt neben dem Manne stand. Jene Zeit, in der nicht der Mann, fondern die Frau, die Mutter der Mittelpunkt der menschlichen Gesellschaft war. Und wenn man die Stellung der Mutter für das wichtigste Kennzeichen jenes Abschnitts der menschlichen Ge­schichte hält und die ganze Zeit deshalb mit Mutterrecht" be= zeichnet hat, dann wird man nicht fehlgehen, wenn man in der damaligen Stellung der Frau und Mutter die entscheidende

Zur Wiederkehr des Revolutionstages Grundlage sieht für jenen Zustand, der uns, gegen die jetzige Zeit

Die Revolution des 9. November ist ein Markstein in der Ge­fdichte der Frauenbewegung. Wovon die fühnsten Frauen Deutsch­ lands nur zu träumen wagten, es wurde Wirklichkeit in dem Augenblick, in dem die sozialdemokratischen Parteien die Regierung

übernahmen.

Die Revolution des 9. November reißt die Frauen, die bisher im Hintergrund und abseits von allem öffentlichen Wirken standen, mitten hinein in die politische Tätigfeit. Die Frauen schen sich vor neue Aufgaben gestellt, die sie über die Enge ihres. Familienkreises weit hinaustragen. Sie sollen wieder sein, was fie einst gewesen: Trägerinnen der Kultur und des Fortschritts. Sie sollen sein Mitfämpferinnen für Freiheit und Recht. Sie, die die Zukunft in ihrem Schoße tragen, sollen selbst mit Hand anlegen, daß diese Bufunft schöner und besser werde, als es die Gegenwart ist.

Groß ist die Schuld des Mannes gegenüber der Frau. Und diese Schuld ist ihm nicht vergeben worden. Bitter hat sich die jahrtausendlange Unterdrückung der Frau gerächt. Die Rein­haltung" unserer Politik von allem Weiblichen, allem Gefühls­mäßigen, das stete Betonen der reinen Vernunft", die, ach so oft, die reine Unvernunft war, sie haben uns dahin geführt, wo wir heute stehen: an den Rand eines Abgrunds.

Machtboll bricht sich die Erkenntnis Bahn: der Weg der Menschheit von diesem Abgrund fort kann nicht vom Mann allein

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gehalten, in vielen Beziehungen als ein paradiesischer erscheint. Und nun foll es wieder werden wie einst. Der Ring der Männer wird durchbrochen, Frauen und Mütter treten ein in den Kreis. Wie lange noch. dann wird nicht mehr der waffenstarrende, menschenmordende Krieger, sondern die liebeerfüllte, lebenzeugende Mutter das wichtigste Glied in Staat und menschlicher Gesell­schaft sein.

Das ist das große, gewaltige Neue, das die deutsche Revolu­tion dem weiblichen Geschlecht gebracht hat. Fühlt es, Ihr Frauen und Mütter. Fühlt es erschauernd und schließt die Hände zum Bund, zum Schwur: Auf, ein Neues gilt es zu bauen, zu pflügen, zu säen: unserer Kinder Land!

Mann und Frau. Hand in Hand sollt Ihr gehen an die ge­meinsame Arbeit. Das sei der revolutionäre Gewinn für den Einzelnen, für die Frauen, für unser Volk. Kurt Heilbut.

Wer rückwärts fiebt, gibt fich verloren; wer lebt und leben will, muß vorwärts fehen. Für alles Schöne, das vergeht, bleibt eine Welt von Schönheit, in die man eingehen kann.

Ricarda bucb.

Berantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Bobm- Schuch. Druck: Vorwärts Buchdruckerei. Verlag: Buchhandlung Vorwärts Paul Singer 6. m. b. 6. fämtlich in Berlin SW 68, Lindenstraße 3