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Die Gleich beit

er doch weit davon entfernt, sie zu billigen, und er gestand niemandem das Recht zu, ihn donach zu beurteilen. Briefe und Aeußerungen von ihm beweisen, sein ganzes Lebenswerk zeigt, wie aufsteigend sich seine Auffassung entwickelt hatte; ßt erkennen, daß die Freiheit, wie er fie in seinen drama­tischen Erstlingswerken verkündet hatte, ihm als eine Freiheit der Willkür, der Selbstgerechtigkeit erschten, die sich in keiner Weise in die Harmonie des Weltganzen einordnet, sondern die, nur auf sich selbst gestelit und individualistische Triebe und Beweggründe als recht erkennend, der Idee des Ganzen schadet und zerstörend auf Maß und Ordnung einwirkt.

( Fortsetzung folgt)

Rechtsstellung des unehelichen Kindes im Bürgerlichen Gesetzbuch

( Schluß)

Elje Jaquet, Mitglied der Breußischen Landesversammlung Eine weitere grundlegende Aenderung im Verhältnis des Mindes zu seiner Mutter ist durch die Aenderung des§ 1707 Des W.G.B. geboten. Nach diesem steht der Mutter die elterliche Ge­walt über das uneheliche Kind nicht zu. Sie hat wohl das Recht und die Pflicht, für die Person des Kindes zu sorgen, doch zur gefeßlichen Vertretung des Kindes ist sie nicht berechtigt.

Bei Fassung dieses Paragraphen hatte man lediglich die leicht­finnige Muiter im Auge, der die Verwaltung des Kindesver mögens nicht zuzutrauen war. Gibt man der Mutter die volle elterliche Gewalt über ihr Kind, so fällt ihr damit auch die Nutz nießung der dem Kinde zur Verfügung stehenden Mittel zu. Man überfah wohl, daß die Sorge für die Person des Kindes viel wich­tiger und einflußreicher auf dasselbe war, als die Verwaltung feines Vermögens, das ja in den allermeisten Fällen gar nicht vorhanden war. Tagegen ist es gerade die Art der Behandlung, der Einfluß der Umgebung, die das Kind für das spätere Leben verdarb.

Beider ist es wahr, daß bei der Verwaltung des Kindesver mögens die Selbstsucht und die Leichtfertigkeit das Muttergefühl oft übertraf. Aber wie muß es andrerseits jede ernste, pflichttreue Frau verletzen, die ihre angestrengteste Arbeitskraft, ihr Sinnen und Denken auf das Wohl ihres Kindes richtet, das vom Bater

Schwestern immer mehr Mut geben, als bewußte freie Wesen im Verein mit dem Manne an der Vervollkommnung des Lebens in der Familie, in der Gesellschaft, dem Staate, den Bissenschaften und Künsten, furz, an der Verwirklichung der Ideale im Leben der Menschheit zu arbeiten. Dann hat auch Malvida von Meysenbug nicht umsonst gekämpft und gelitten.

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Ihre Lebensgeschichte schildert uns Malvida von Meysenbug in ihren Memoiren einer Idealistin". Sie wurde im Jahre 1816 au Caffel geboren und stammt aus einer aristokratischen Hugenottenfamilie. Ihre Mutter wedte frühzeitig in ihren Kindern künstlerische Neigungen. Ihre Geistesrichtung gehörte der Zeit der Humboldts, Rahel Varnhagen , Schleier­ macher , der Schlegels an. Da sie eine sehr unabhängige Natur war, geriet fie oft in Nonflift mit dem Kreise, auf den fie durch ihren Namen und durch die Stellung ihres Mannes angewiesen war. So läßt es sich wohl erklären, daß ihre Tochter Malvida später einen Weg einschlug, der weitab von den Traditionen der Familie führte. Frühzeitig ließ Frau von Meysenbug ihre Kinder teilnehmen an der Ge­felligkeit der Erwachsenen, von dem Grundsatz ausgehend, daß die Berührung mit ausgezeichneten Menschen nur einen guten Einfluß auf die Entwicklung der Kinder haben könne und ihren Geschmack und ihr Urteil entwickeln müsse. Co­bald Malvida lefen konnte, entwickelte sich eine derartige Leidenschaft für Bücher in ihr, daß sie sich solche in den Nachmittagsstunden, die sie im Freien verbrachte, heimlich au berschaffen wußte, wo es anging, bis sie diese Versuchung in ihrem kleinen Kinderherzen niederfämpfte. Ihre großen pädagogischen Fähigkeiten ließen sie später erkennen, daß das Gleichgewicht zwischen den Leben des Lernens und dem Leben der Natur nicht groß genug war, um ihr diesen Kampf zu

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faum gefannt, vom Gesetz benachteiligt, einzig ihrer Pflege und Sorge überlassen blieb! Hier muß eine Fassung des Paragraphen gefunden werden, der das Kind vor der leichtsinnigen Mutter schübt, es aber der Trene der aufopfernden voll anheimgibt. Dr. Franz Wolf macht den Vorschlag, dem§ 1707 hinzuzufügen: das Vormundschaftsgericht geeigneten unehelichen Müttern die Nach Ablauf eines Jahres fann nach Anhören des Vormundes bolle elterliche Gewalt mit all ihren Wirkungen zuerfannt wer den." Allerdings scheint auch diese Faffung noch nicht jeden Stachels zu entbehren.

Der Kernpunkt der bisherigen traurigen Lage des unehelichen Kindes liegt aber in seinem Verhältnis zum Vater. Heißt doch der§ 1589: Ein uneheliches Kind und sein Bater gelten als nicht verwandt." Durch diesen Paragraphen seht man direft eine Brämie auf die Ehelosigkeit des Mannes, und es ist selbstverständ­lich, daß dieser Paragraph, der die rechtliche Verwandtschaft von der Blutsverwandtschaft trennt, fallen muß. Das Wohl des Kindes, das einzig im Kernpunkt der Frage steht, gebietet es, den § 1705 unter Streichung des§ 1589 zu fassen:

Das uneheliche Kind hat im Verhältnis zu Vater und Mutter und den Verwandten beider die rechtliche Stellung cines chelichen Kindes."

Nimmt man diese Fassung an, so ist das Kind von seiten des Vaters ebenso erbberechtigt, wie ja das gegenseitige Erbrecht zwischen Mutter und unehelichent Kinde jetzt schon ohne weiteres besteht.

Ist man ernstlich gewillt, dem unehelichen Kinde vollwertige Entwicklungsmöglichkeit zu schaffen, so wird man die Forde rung der Erbberechtigung väterlicherseits nicht fallen laffen dürfen. Aber es muß auch eine Aenderung in der Unterhaltungspflicht des Vaters eintreten. Heute wird der zahlungspflichtige Beitrag des Vaters zum Unterhalt des unehelichen Kindes nach der Le­bensstellung der Mutter bemessen. Die uneheliche Mutter aber, die überhaupt auf Unterhalt des Kindes flagt, lebt hauptsächlich in armen und ärmsten Verhältnissen. Es muß gefordert werden, daß der Unterhaltsbeitrag des Vaters sich nach seinen eigenen Vermögensverhältnissen richtet, damit seine eventuelle gehobene Lebensstellung seinem blutsverwandten Kinde zugute kommt.

Einen schweren Fehler hat das B.G.B. gemacht, indem es jeden persönlichen Verkehr des unehelichen Kindes mit seinem Bater unterband. Wer weiß, welche Süßigkeit in der Beobachtung eines Kindeswerdens liegt, versteht erst, welche hohen jittlichen

ersparen. Sie kam zu dem Schluß, daß die Naturwissen. schaften bei der Erziehung eine viel größere Rolfe ein­nehmen müßten als bisher. Ueberhaupt flüchtete sie sich aus der Wirklichkeit gar zu gern in das Land der Träume und Erfindungen. Ihr größtes Glück war ihr Puppen­theater oder die kleinen theatralischen Aufführungen der Kinder. Sie meint, daß die Leidenschaft für das Theater, die man bei vielen intelligenten Kindern findet, als wich tiges Element in der Erziehung betrachtet werden müßte, statt unterdrückt zu werden. Charakter und Naturanlagen würden sich dadurch ergründen lassen. auch würden beim Unterricht, namentlich beim Geschichtsunterricht, lebhaftere Eindrücke von allem, was sich auf hervorragende Gestalten bezicht, durch Darstellung durch die Kinder selbst erzielt werden.

Noch sehr jung erlebte Malvida die erste Voltsbewegung in der kleinen Residenz Cassel, in der ihr Vater Minister war. Zum erstenmal tat sich die tragische Wirklichkeit vor ihr auf und die lichterfüllte Zeit ihrer Kindheit wurde durch den Lärm des Boltsaufstandes bewegt. Noch mit Puppen spielend begann fie die Zeitungen zu lesen und die politischen Ereignisse mit Interesse zu verfolgen. Ihre zweite Taufe nennt sie diese Revolution", die zur Folge hatte, daß ihr Bater seinen Aufenthalt wechseln mußte und daß für die Familie nun ein wahres Nomadenleben begann. Malvida flagt, daß sie ihr ganzes Leben unter den Folgen diefer re­gellosen Eristenz gelitten habe, denn in einer Zeit, da ihr Geist danach; drängte, die unbekannten Regionen des Wissens zu erforschen, da ihre Intelligenz erwachte, fehlte es ihr an geregeltem Unterricht, an Menschen, die diesen Schrei nach Wanna in der Wüste hätten befriedigen fönnen. Infolge­dessen erhielt die träumerische Neigung ihrer Phantafie ein