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Die Gleich beit
Stein. Dabei find diese Schulen noch äußerst mangelhaft. Abgesehen davon, daß die Bundesratsvorschriften weiter ausgebaut werden müßten, etwa nach den Lehrplänen amerikanischer Krantenpflegeschulen, bilden die deutschen Schulen meistens entweder nur männliches oder nur weibliches Personal aus. Inwieweit dann die Anstalten selbst die Schüler und Schülerinnen noch oben. drein ausbeuten, das zu erörtern, muß heute hier übergangen werden. In den anderen Krankenhäusern legt man auch heute noch teinen Wert auf Ausbildung oder begnügt sich mit wenigen Unter richtsstunden. Auch der etwaige Einwurf, daß ein Stamm aus gebildeter Schwestern der verschiedensten Couleur, welcher neben dem anderen Pflegepersonat herangebildet wurde, die Krankenpflege versieht, kann nicht gelten. Denn erftens ist die Zahl der Schwestern nicht ausreichend, wie die Beschäftigung vieler unausgebildeter Pflegerinnen beweist, zweitens ersehen die Schwestern nicht voll und ganz die Männerpflege und drittens besitzen auch Die Schwestern vielfach nur mangelhafte Ausbildung.
Noch schlechter als in der Krankenpflege ist die Ausbildung in der Jrrenpflege. Von den bestehenden Krankenpflegeschulen hat nur die am Krankenhause Dresden- Johannstadt Unterricht in Jrrenpflege mit vorgesehen. Inwieweit die hier ausgebildeten Pfleger Betätigung in der Jrrenpflege finden, ist eine andere Frage. Im allgemeinen gibt es überhaupt keine Ausbildung oder auch nur einige Unterrichtsstunden. Dabei muß man es schon rühmend hervorheben, wenn Der Leitfaden für Jrrenpflege" von Dr. Scholz als Grundlage für den Unterricht genommen wird. Und doch ist die gründliche Ausbildung des Jrrenpflegepersonals jaft noch wichtiger als die des Krantenpflegers. In den Irren anstalten findet man fast alle Leiden der körperlich Kranten wieder. Die mit förperlichen Stranfheiten behafteten Geisteskranken sind natürlich viel schwieriger zu pflegen als geistig Gesunde, weil der Gesundheits- bzw. Krankheitszustand viel größerer Beobachtung bedarf. Aber abgesehen davon, ist es für eine vernünftige Irrenpflege unerläßlich, daß Pfleger und Pflegerinnen die Psyche der Stranten verstehen lernen, um so das richtige Handeln gegenüber den Patienten anwenden zu können. Weil das dem Jrren pflegepersonal in den weitaus meisten Fällen fehlt, kommt trob aller angewendeten Strenge dagegen immer wieder falsche Be
handlung Kranker burch Wärter und Wärterinnen, insbesondere Neulingen, vor.
Die Bade- und Massagefachschulen, die jetzt bestehen, befinden sich durchweg in Privathänden. Sie sind in neun von zehn Fällen zur Ausbildung vollständig ungeeignet und nur Ausbeutungsinstitute der schlimmsten Art, die durch Gesetz glattweg
menschlichen Lebens ein Bund ihrer Herzen. Die Verbindung der Aristokratin mit dem Freigeist und. Demokraten : erschien ihren Angehörigen natürlich undenkbar. Malvida hatte schwere Kämpfe zu bestehen, denn die geistige Höhe, zu der sie sich aufgeschwungen, verstand niemand der Ihrigen. Man tadelte sie sowohl ihrer Neigungen wie ihrer demokratischen Gesinnungen wegen. Mit Wehmut, aber auch mit Stolz trug sie die Verachtung der Menschen, die ihr lieb waren. Ebenso war sie zu stolz, die Freiheit des Geliebten zu beschränken, ein Versprechen von ihm zu verlangen, sich zurückzuhalten von den Kreisen, in denen sein Geist seine Schwingen mächtiger entfalten fonnte. Sie wollte feinen Schwur bei einem Gefühl, das ihrer Meinung nach nie enden konnte. In dieser Zeit hatte sie den Schmerz, ihren Vater zu verlieren, und nur das Vertrauen in des Freundes Liebe half ihr über ihre Trauer hinweg. Auch äußere Eindrüde wirften mächtig auf sie ein. Das Jahr 1848 mit seinen Stürmen von Begeisterung für Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit war gekommen und riß Malvida mit fich fort. Sie war grade in Frankfurt am Main , als fie voller Jubel erfuhr, daß dort das Vorparlament zusammenkommen follte, um für die Nechte der Menschheit einzutreten. Sie hörte Friedrich Hecker in der Baulskirche reden, und fie teilte die Hoffnung so vieler, daß nun für Deutschland sich eine reiche, freie, lebensvolle Zukunft eröffnen müsse. Aber mitten in den Parlamentsverhandlungen mußte sie mit ihrer Familie Frankfurt berlassen, und schwer lastete ihre Abhängigkeit auf ihr, daß sie sich ausschließen mußte von den großen Erscheinungen des Lebens der Menschheit, von den Eindrücken, welche uns über uns
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berboten werden müßten. Das hier mangelhaft ausgebildete Personal ist den Kranten eine noch größere Gefahr als der unauss gebildete rantenpfleger. Denn der Bademeister und die Masseuse arbeiten nach den Anordnungen des Arztes genau so selbständig, wie der Apotheker nach dem Rezept des Arztes die Medizin bereitet. Nicht sorgfältig genug vorbereitete Bäder, mangelhaft angewendete Packungen und falsch ausgeführte Massagen sind dem Kranten ebenso gefährlich wie unordentlich zubereitete Medizin. Zudem empfiehlt sich heute die Ausbildung in diesem Fach allein nicht mehr, weil Kurbäder, Massagen und Padungen auch in Kranken- und Irrenhäusern Anwendung finden, wobei die Ausführung dem Pflegepersonal ebenfalls auferlegt wird. Diesen Gedanken hat sich auch das preußische Ministerium des Innern zu eigen gemacht, als es am 4. Degember 1911 die staatliche Prüfung der Heilgehilfen und Masseure aufhob und nur noch allgemein die staatliche Prüfung von Krankenpflegepersonen zuließ.
Eine Reform an Haupt und Gliedern muß daher die Auz bildung des Krankenpflege-, Bade- und Massagepersonals erfahren. Die Ausbildungs- und Prüfungsvorschriften müssen alle Gruppen zusammenfassen und obligatorisch erlassen werden. Kein unausgebildetes Personal darf mehr beschäftigt werden. Nur so kommen wir zur Gesundung der Krankenpflege, zum Segen der Kranken und des Personals. Mögen Parlament und Regierung die Sache bald in die Hand nehmen!
Vom Wert des Geldes Von Dr. Flora hochsinger
In meinem Bericht aus Desterreich, der in Nr. 33 vom 4. Oftober in der„ Gleichheit" erschien, ist erwähnt, daß ein Pfund Brot 50 Pf. kostet. Das soll heißen, daß ein Berliner, der zu der Zeit, als jener Artikel geschrieben wurde, nach Wien kam, dort für 50 Pf. ungefähr soviel Kronen und Heller kaufen konnte, als ein Pfund Brot fostete. Man bekam damals für eine Mark ungefähr 2,47 Kronen. Für den Berliner war das gewiß sehr angenehm. In früheren, noch nicht sehr fernen Zeiten hat man ja für eine Mark mur 1,20 Kronen bekommen. Weniger angenehm ist dieser Wandel des Geldwertes für den Wiener. Wenn auch die Arbeitslöhne stetig steigen, so kann diese
selbst und die Kleinheit der Existenz erheben. Zum erstenmal stieg da der Gedanke in ihr auf, für die ökonomische Unabhängigkeit der Frau zu wirken durch ihre eigenen Anstrengungen.
Nach ihrer Rückkehr in die Heimat schien Malvida der einzige Trost, ihren Freund wiederzusehen. Aber sie fand ihn nicht, wie sie ihn verlassen hatte. Sein Herz hatte sich einer anderen zugewendet, und sie mußte erkennen, daß die Liebe, für die sie schon so viel geopfert und für die sie noch mehr zu opfern bereit gewesen, erstorben war. Furchtbar litt sie durch diese Erkenntnis, aber sie blieb Siegerin über sich selbst in diesem Kampf und rang sich wieder zu dem Grundsatz durch, der ihr ganzes Leben kennzeichnet:„ Sterben wollen, um nicht mehr zu leiden, ist Schwäche. Leben für seine Ideale, um Gutes in Dir und um Dich zu vollbringen, das ist wahre Stärke." Mehr als je vertiefte sie sich in ihre Studien, schloß sie sich an die Menschen an, die gleich ihr für die Freiheit glühten. Ihre Stellung in ihrer Familie wurde dadurch unerträglich. Man haßte dort den Mann, den man als Urheber ihrer freien Ideen betrachtete. Man stand dort noch auf dem Standpunkt, eine Frau sollte nicht selbst denken, sondern lieber ihre eigene Individualität zugrunde gehen lassen. Eine Einladung nach Berlin war Malvida daher doppelt willkommen. Sie kam dort gerade recht, um die letzten Rämpfe der Revolution mitzuerleben. Aber der kurzen Begeisterungsfreude folgte bald die Zeit, in der die Reaktion wieder siegend ihr Haupt erhob. Der Belagerungszustand wurde erklärt, und um ihre Mutter nicht zu sehr zu ängstigen, verließ sie Berlin und verzichtete auf die Teilnahme am Kampfe. ( Fortfehung folgs)