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Die Gleichheit

sozialen Verständnis einen festen Charakter zu haben. Dafür spricht eine fleine Rede, die sie ein paar Tage nach ihrem Ein­tritt ins Parlament außerhalb dessen gehalten. Bei einem Besuch, den sie einem Kinderkrankenhaus in London   machte. für dessen Einrichtung ihr verstorbener Echwiegervater feinerzeit 50 000 Pfund Sterling gestiftet hatte und deffen großzügige Erweiterung jett geplant ist, appellierte sie an die Mithilfe des reichen Publi­tums. Sie äußerte sich etwa wie folgt:

..Ueber die Pflichten der Gesellschaft und des Staates gegen über den Kindern habe ich einigermaßen fortschrittliche Ansichten. Ich meine, wenn das Bürgertum Verständnis hätte für die Zu­stände, unter denen so viele Kinder zur Welt kommen und groß­gebracht werden müssen, so würde es gar keine Mühe kosten, das durchzuführen, was man unter wirklichen sozialen Reformen ver­steht. Denn Wohltätigkeit ist doch eigentlich gar nicht das richtige Mittel zur Erfüllung der gesellschaftlichen und staatlichen Pflichten. Sie ist, genau gesehen, beleidigend für den Geber. Denn sie ver­leitet ihn zum Gefühl der selbstgefälligen Rechtschaffenheit, wäh rend sie den Empfänger in Wirklichkeit ärmer macht als er ist, wenigstens an Selbstbewußtsein. Ich verabscheue die Menschen, die bei jeder Gelegenheit erzählen: Wir haben soviel getan uso.", während sie wer weiß wieviel allein für ihren Lugus aus­geben. Jeder Mann und jede Frau, die für ihren eigenen Auf­wand über ein bestimmtes Maß hinausgeht( ein sehr dehnbarer Begriff! Der Uebers.), versündigt sich an dem Prinzip, für das unsere Männer im Felde gefallen sind. Es ist jetzt nicht die Beit, um von einem frohen England" zu reden. Der einzige Weg, auf dem wir England wieder frah machen können, ist, daß wir tun, was gut und recht ist. Nicht, daß ich mich selber als Vorbild rühmen möchte, denn gewiß tue auch ich oft nicht meine Pflicht. Aber ich bin bestrebt, sie zu tun. Die Männer haben uns gelehrt, die Furcht vor dem Tode zu überwinden. An uns ist es nun, alle inneren und äußeren Uebel der Menschen, der neuen Gesellschaft und des Staates zu überwinden und zu be­seitigen."

Für eine reche englische Lady nicht übel gesprochen. Ueber ihre Ttigleit werden wir wohl bald etwas mehr hören. B. W.  

Rundschan

Etwas über die Milchversorgung in Mecklenburg  Wir müssen uns in dem mit Milchvieh reich gesegnetem Lande Medlenburg- Schwerin leider recht oft mit der durchaus mangel haften Versorgung der Bevölkerung mit Milch und Butter in der Presse und Versammlungen beschäftigen, aber eine Besserung ist noch nicht erzielt worden. Es ist da in den letzten Monaten eher eine Verschlimmerung dieses Mangels eingetreten, und die Molkereien kommen in ihrer Produktion immer mehr zurück. Die Butterration mußte um 30 Gramm pro Woche herabgesetzt werden. Wir haben in dem reichen Ueberschußgebiet" einen Notzustand, wie es in der Kriegszeit nicht der Fall war. Aus allen Städten wird dies mitgeteilt, und die Behörden sehen sich zum Einschreiten gegen die Gutsbesitzer veranlagt durch Strafbefehle und scharfes Kontrollieren,

Wie die Güter ihrer Pflicht nachkommen, zeigt folgender Fall: Der Gutspächter Hahn aus Evershagen hatte gegen eine Straf­verfügung über 500 Mf. Einspruch erhoben. Der Angeklagte war beschuldigt, täglich 20 Liter Milch zu wenig abge­liefert und diese Milch an seine Kälber verfüttert zu haben. Der Angeklagte entschuldigt sich damit, daß das Futter für das Rind­vieh sehr schlecht gewesen und die Kühe wenig Milch gegeben hätten. Die Kälber seien in sehr schlechtem Zustande gewesen. Sie wären sicher eingegangen, wenn sie nicht Milch bekommen hätten. Er habe immer die vorgeschriebenen Ablieferungen ge macht, während die Erbpächter in Evershagen fein Stüd Bieh geliefert hätten. Er liefere je bt täglich 100 Liter Milch und gebe sein Wort darauf, es bis Neujahr auf 300 Liter zu bringen. Das Schöffengericht berücksichtigte dies und fette die Strafe auf 250 Mt. herunter.

Das eine Gut steigert also die Milchproduktion in einigen Wochen um ein ganz Bedeutendes. Man fragt sich, wie das möglich ist. Und warum fönnen die Kälber plöblich auch ohne Milchfütterung bestehen und genügend anderes Futter bekommen. Eine scharfe Kontrolle ist also dringend notwendig. Ein Molkerei­betriebsleiter berichtete mir: Hier werden von 800 Kühen im Durchschnitt pro Ruh und Tag 4 Liter abgeliefert, macht 3200 Liter. So ist es in Nachbarmoffereien auch. Das Gut G.- Raaden liefert gange 15 Liter ab!! Das gleiche Quantum liefern hier

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viele Häusler mit nur 2 Rühen   ab. Hier sind Halter von 8 bis 9 Kühen, die heute bis 56 Liter mit 3,25 Broz. Fett täglich abliefern. Aber wie sieht es in dem mit großen Gütern durchsekten Bezirk Sternberg   aus? Und wie wirkten diese schlechten Beispiele? Nach Mitteilung eines Vertrauensmannes ist es der dortigen Molkereiverwaltung nicht möglich, Sternberg   und die Umgegend genügend mit Butter zu beliefern. Dieses veranlaßte den Arbeiterrat, nachzuprüfen und festzustellen, wo der Grund dazu liegt. Haarsträubendes wurde festgestellt. Es lieferten z. B. pro Tag die Güter: Weitendorf  . Sternberger   Burg Gaegelow  

50 Ltr.

20

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53

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Gr.- Raaden. Kl.- Görnow. Kaarz.

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15 Ltr.

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An Butter wurden aber 9 bis 17 Pfund von diesen Gütern bei der Molkerei die Woche bezogen. Die Sternberger Acker­bürger verstehen die Sache noch besser: So lieferten 11 Acer­bürger pro Tag ganze 53 Liter Milch.

Etwas mehr Voltsempfinden scheinen die Kobrower Aderbürger zu besitzen; es lieferten 7 Stellen 64 Liter pro Tag.

An Butter wurden dieselben aber mit 2 bis 7 Pfund beliefert ( 150 Gramm pro Person). Bekanntlich geben erst etwa 13 Liter Milch 1 Pfund Butter! Ein Hofbefizer in Kobrom lieferte seit 3. Oktober überhaupt feine Milch mehr ab, trotzdem forderte er Pfund Butter von der Molkerei. Bei solcher Milchlieferung ist die Molkerei außerstande, die genügende Butter zu erzeugen. Die Gemeinden müßten dazu übergehen, die Milch- und Butter­versorgung in eigene Regie zu nehmen, und dazu gehört, daß diz Gemeinden zu Zweckverbänden sich zusammenschließen, Güter in denkbar bester Weise bewirtschaften und die Erzeugnisse in eigenen Molkereien verwerten. In 23 aren behalf sich die Behörde zu­nächst wie folgt: Alle Kuhhalter dürfen Milch, die ihnen nicht für die Selbstversorgung zusteht, nur gegen Milchkarten abgeben oder an die Molkerei abliefern. Die Kuhhalter werden im Inter esse der Allgemeinheit dringend ersucht, die Bestimmung inne­zuhalten. Ein eingesetter Ueberwachungsausschuß, bestehend aus Vertretern der Landwirtschaft, des Molkereifaches und der Ver­braucher, wird die Einhaltung überwachen. Dieses Vorgehen ist nur zu begrüßen und allerorts zur Nachahmung zu empfehlen. Aber in den Landgemeinden lehnten die Landwirte derartige Mitarbeit in ihrem eigenen Interesse ab, wie durch Beweise dar­gelegt werden kann. Deshalb ist eine besondere Versorgungs­oder Wuchergeseßgebung leider eine Notwendigkeit.

,, Königspartei" und Frauen

B. N.

In München   wurde eine Bayerische Königspartei" ge­gründet mit dem Ziel, die Monarchie wieder herzustellen. Wie die Kölnische Beitung" meldet, erntete eine Frau stürmi­schen Beifall, als sie erklärte, die Frauenwelt Bayerns   würde monarchisch bis auf die Knochen bleiben, solange die Frauen der republikanischen Führer an Opferfreudigkeit und Volks­hilfe den gekrönten Frauen des alten Regimes nicht an­nähernd glichen".

Ein beschämendes Beispiel dafür, daß ein großer Teil der Frauen sich immer noch von monarchistischen Phrasen ein­fangen läßt. Gewiß, unsere Führer- Männer wie Frauen machen nicht soviel Tamtam mit ihrer Wohltätig­feit wie jene gefrönten Frauen". Es gibt auch nicht mehr so viele Wohltätigkeitsfeste" und Veranstaltungen". Dafür wird im republikanischen Deutschland   in ganz anderer Weise als früher praktische Arbeit geleistet.

Zene Frauen mit den fönigstreuen Knochen sollten lieber einmal vergleichen, wie die deutsche Republik trotz aller finan­ziellen Schwierigkeiten die Fürsorge( Wochenhilfe, Erhöhung der Renten usw.) für Frauen und Kinder ausgebaut hat, während jene gekrönten Frauen trotz ihrer Opferfreudig feit"(??) im alten Deutschland   noch nicht einmal für die grundlegendsten, selbstverständlichsten politischen und staats­bürgerlichen Rechte der Frauen eingetreten sind.

Von dem, was im alten Deutschland   für die Frauen ge­tan wurde, davon sollte man doch lieber schweigen. Oder besser noch vor Scham errötend- den Mantel der christ lichen Nächstenliebe darüber decken. Kurt Heilbut.

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Verantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Bobm- Schuch. Druck: Vorwärts Buchdruckeret. Verlag: Buchhandlung Vorwärts Paul Singer G. m. b. S. sämtlich in Berlin   G2 68, Lindenstraße 3