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Die Gleichheit

nur von einer mit den Sinnen wahrnehmbaren Welt, jener sucht noch eine Macht hinter ihr." Religiöses Empfinden und religiöses Erleben lassen sich nicht geben, vielleicht auch nicht anerziehen. Aber man darf dem Menschen auch nicht den Weg zum immern Reichtum der Religiosität von vornherei zu versperren suchen. Dies geschieht aber mit der Agitation für die Abmeldung der Kinder vom Religionsunterricht. Ich kenne Persönlichkeiten, die in einem völlig religionslosen Hause aufgewachsen sind, in denen sich aber im Laufe ihres späteren Lebens eine tiefe Religiosität entwidelte, fie fönnen es noch heute ihren Eltern nicht ver= geben, daß sie sie ohne Religion, also nach ihrem jetzigen Erkennen innerlich arm, bettelarm aufwachsen ließen!

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Das noch harten parteipolitischen Kämpfen zustandegekommene Schulfompromiß ist nach meiner Meinung der übelste Punkt unserer neuen Verfassung. Es fann nur zum Unfrieden, ja zur Bersehung führen, wenn die Stämpfe un die religionslose oder die fonfessionelle Schule durch das Abstimmungsrecht der Erziehungs­berechtigten nun in jede Gemeinde, in jeden Bezirk, ja in jedes Haus getragen werden! Meiner Meinung nach wäre die beste Lösung der Schulfrage etwa folgende gewesen: 1. In der Schule selbst wird wöchentlich eine Stunde religionsgeschichtlicher Unter­richt auf neutraler Grundlage erteilt; 2. die Schule stellt jedoch Raum, Zeit und auch die Besoldung der Lehrkraft zur Verfügung für eine zweite Wochenstunde, in der die Kinder je nach dem Be fenntnis der Eltern Religionsunterricht im Bekenntnissinn er halten; 3. die Eltern sind verpflichtet, ihre Kinder an beiden Religionsstunden teilnehmen zu lassen. Satz 1 und 2 entsprechen ungefähr bem Schulprogramm, wie es in bezug auf den Religions­unterricht von der deutschdemokratischen Partei vertreten wurde. Mit dem Wunsche, die Eltern zu verpflichten, gehe ich über dies Programm hinaus. Ebensowenig wie ein Elternpaar sein Sind vom Unterricht der Grundschule fernhalten darf, ebenso­wenig wie es sein Stind förperlich verfümmern lassen darf- ebensowerig darf ein Elternpaar sein Kind seelisch verkümmern lassen, indem es ihm den Weg zur feelischen Bereicherung durch die Religion versperrt.

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Eine größere Freiheit als bisher möchte ich den Eltern nur insofern in bezug auf den Religionsunterricht der Kinder zuge­ftehen, als für die Wochenstunde des bekenntnismäßigen Unter­richts nicht nur die großen Religionsverbände der Katholiken, Evangelischen und Juden in Betracht kommen sollen, sondern auch die kleineren Gemeinden einerseits die Freireligiösen, anderer

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gewicht der Seele wiederfinden und innerlich immer mehr zu wachsen und sich zu veredeln. Mazzini namentlich zeigte sich von einer Seite, die man an diesem Manne wenig fannte. Ju zarter, freundschaftlicher Weise nahm er sich der Verlasse nen an, ihren Freund und Berater nannte er sich und in all feine Pläne weiht er sie ein. Sie war eine fleißige Mit­arbeiterin seines revolutionären Journals. Durch ihre Ver­mittlung schrieb auch Lothar Bucher  , damals noch radikaler Demokrat, später die rechte Hand Bismards, für dieses Jour nal. Mazzinis Einfluß bewog Malvida zu dem Versuch, unter den deutschen Arbeitern in London   für die Ideen des republi­tanischen Verschwörers zu agitieren. Damit erlebte fie, wie sie selbst wehmütig schildert, einen vollkommenen Mißerfolg. Sie behauptete, von den Arbeitern nicht verstanden worden zu sein, aber es war wohl umgekehrt. Die Arbeiterwelt war ihr fremd. Mazzini verwarf bekanntlich den Klassenkampf, und feine Republik   war eben eine Bourgeoisrepublik, die man den Arbeitern nach der Junischlacht von 1848, in der sie von der Bourgeoisrepublik so blutig niedergeworfen worden waren, nicht als das Ziel einer sozialen Bewegung hinstellen konnte. Mit dem modernen Sozialismus und seiner Fortentwicklung hatte sie sich wohl noch weniger als Mazzini selbst beschäftigt. Sie gab die politische Propaganda unter den Arbeitern auf, und sie tat wohl daran.

Eine empfindliche, nicht auszufüllende Lücke riß in diesen Freundeskreis der so unerwartete Tod Johanna Rinkels. Malvida war eine der ersten, die dafür eintraten, daß Johanna ihrem Leben nicht freiwillig ein Ende gemacht haben könne. Sie war mit unter den vielen Leidtragenden, die Johanna Kinkel   auf ihrem letzten Wege geleiteten, auch eine jener Ber­sprengten, die die deutsche Frau im fremden Band be­gruben.

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feits aber auch die strengeren Geffen der Quäfer, Mennoniten, Gemeinschaftschriften das Recht zur Erteilung des Religions unterrichts auf Wunsch der Eltern haben sollen. Bei dieser Rege­Tung würde sowohl der freiheitliche Gedanfe wie das Recht des Kindes auf Religion zur Geltung gekommen sein.

In der Gleichheit" las ich neulich ein inniges Wort, das allen Müttern tief ans Herz greifen wird: Es muß wieder Frieden werden in den Seelen unserer Kinder" Die Verfasserin wandte sich mit Recht gegen das Hineintragen der parteipolitischen Agitation in die Schule. Aber wir gefährden den Frieden in den Seelen unserer Kinder vielleicht noch viel mehr, wenn wir sie in den Streit um den Religionsunterricht in der Schule hineinstoßen. In mir stieg beim Lesen aber noch ein anteres Wort vom Frieden auf, von einem Frieden, den ich allen Kindern wünsche, ja, den wir alle, alle mehr wie je gebrauchen nach all der Qual und Zerrissenheit der letzten fünf Jahre. Es sind die ergreifenden Heilandsworte aus dem Johannis­evangelium: Den Frieden lasse ich Euch, meinen Frieden gebe ich Euch." Wer einmal diesen Frieden in seinem Leben erfahren hat, der fühlt sich innerlich so geborgen. innerlich so reich, daß er allen Menschen zu einem ähnlichen Glück verhelfen möchte. Unter den Leserinnen der Gleichheit" sind gewiß viele, denen noch kein stacles religiöses Erleben zuteil ge­worden ist. Aber gerade auch an sie ergeht mit diesem Aufsatz die Bitte: Versperrt Guren Kindern, denen Ihr doch alles, alles Gute zufügen möchtet, nicht den Weg zu diesem innern Seelen­frieden, wie ihn nur die Religion zu geben vermag." Und auch den Müttern selbst möchte ich von Herzen toünschen, daß sie den Weg zu diesem Frieden suchen und finden möchten. Zwischen Religion und Sozialismus ist fein Gegensatz, der ist nur durch die Fehler von beiden Seiten( Kirche und Partei) hineingetragen

worden.

Es mehrt sich aber- namentlich unter den jüngerer Theologen die Zahl der Geistlichen, die mit aller Hingabe um die Seele des Boltes ringen und Verständnis für den Sozialismus befunden. Unser Volk wird, durch schwere Schicksalsschläge be­zwungen, für Jahrzehnte durch bittere Not und tiefes Glend wan­bern müssen. Möchte ihm in diesem Dunkel das Licht echter, tiefer Religiofität aufgehen, dann werden wir trotz äußerer Verarmung innerlich viel, viel reicher sein als in der durch und durch materialistischen Zeit zwischen 1870 und 1914. Else Lüders  .

Inzwischen fam das Jahr 1859 heran, und die italienischen Patrioten kehrten in ihr Vaterland zurück, um sich an dem Unabhängigkeitskampf Italiens   zu beteiligen. Dadurch kamen bittere Trennungen für Malvida. Auch von Herzen trennte sie sich ein zweites Mal, nachdem sie einen vergeblichen Ver­juch gemacht, ihre frühere Stellung in seinem Haus und bei seinen Kindern wieder auszufüllen. Dazu kam die Sorge um ihre immer schwächer werdenden Augen, die eine Erblindung fürchten ließen. Wie furchtbar wirfte diese Herzensöde auf sie, um so furchtbarer, da ihr körperliches Gebrechen den Geist hinderte, seiner Arbeit zu leben und so das erschütterte Gleich­gewicht wieder herzustellen.

Ich hatt' so Heimweh...

Von Martha.Role Thomas

( Schluß folgt)

Ich hatt' fo Heimweh nach den grünen Feldern, Dem Tannenraufchen in den Heimatwäldern, Ich hatt' fo бeimweh! Wie ein Bettelkind Lief ich den Wolken nach, dem Sonnenwind Und dacht, fie müßten mich nach Haufe bringen.­Und lief und lief. Tiit mir ein irres Träumen, Als hätt' ich Wunderfüßes zu verfäumen. Und wußte doch: Ift alles Lug und Schein, Zur Fremde kehrit du, nimmer aber heim; Läufft du die Füße dir auch wund und müde, Er winkt dir nicht, der goldne Beimatfriede.

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Stumm kehrt' ich um- und meine Seele- weinte.