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Die Gleich beit
erziehung in staatlichen Internaten und nicht im Elternhaus. Es würden dadurch soweit als möglich für alle Kinder gleiche Bedingungen geschaffen, unter denen sie sich Förperlich und geistig entwickeln; diese Bedingungen würden bis zur Zeit des Vordrängens der geistigen Bedürfnisse einander soweit als möglich gleich bleiben. Zur Befriedigung dieser Bedürfnisse ist die gegebene Schule die Einheitsschule. Sie ermöglicht jedem Kinde den Eintritt und ist bemüht, jedem Kinde soviel Wissensstoff zuzuführen, als seine Begabung aufzunehmen gestattet. Darin liegt der Vorteil der Einheitsschule. Sie erfordert eine ungeheure Vergrößerung des Lehrapparats einschließlich der Pflegerinnen der jüngsten Jugend. Außer der dadurch bewirften finanziellen Belastung des öffentlichen Haushalts hat die Einrichtung eine weit unangenehmere Seite für die seelische Entwicklung der Eltern und Kinder. Ein Eltern- und Kindesgefühl, eine gerade der häuslichen Erziehung durch Eltern eigene Ausbildung bestimmter sozialer Rechte und Pflichten müssen verfümmern. Die Einheitsschule und das Staatliche Internat bringen jedoch eine wesentliche Entlastung des Elternhauses zugunsten der einheitlichen und vor allem besseren Erziehung. Sie müssen daher in diesem Zusammenhang als besonders wertvoll Platz finden.
Alle diese Gedanken die einmal jeder für sich die Sozialpädagogen und Hygieniker sehr stark beschäftigten- sollten im Zusammenhang mit der eingangs gebrachten Feststellung heute neu untersucht werden. Damit ist nicht allen für sich allgemein volle Berechtigung zugesprochen. Sie sind in Vergessenheit geraten und feilweise unter dem Mangel von Verständnis vielleicht auch, weil die Vertreter der einzelnen Forderungen den Bogen überspannten - und unter der herrschenden Finanznot ais nicht vordringlich oder zur Zeit ungeeignet beiseitegeschoben worden. Alle diese Reformvorschläge und die zu ihnen bestehende Literatur seien den geseggebenden Körperschaften nicht nur, sondern auch allen Staatsbürgern zur Neubelebung dringend empfohlen! Lucie Stern.
fein mögen, jedes Mädchen sollte eine Spezialität haben, durch die es selbständig und anderen nützlich sein könne. Wieviel leichtsinnig geschlossene Ehen würden dann vermieden, auf eine wieviel höhere Stufe würden dann die Frauen fommen!
Hinter allem Regen, allem Treiben", jab Malvida nun ,, den geliebten Zweck, der endlich lohnt." Auch der Pfad des Alters war für sie nicht dornenlos. Stunden schweren förperlichen Leidens, vielen und tiefen Seelenschmerzes blieben ihr bis zuletzt nicht erspart. Aber auch Momente inniger Freude und reinen Genusses wurden ihr zu teil. Ihre Familie hatte fich ihr liebend wieder zugewendet, nachdem sie erfannt hatte, daß Malvida nicht phantastischen Impulsen, sondern einec großen Idee gefolgt war.
Bis zuletzt erfreute sich die Idealistin der Freundschaft bedeutender Menschen. Als eine der Getreuesten des Hauses Wagner wohnte sie der Eröffnungsfeier des Bayreuther Fest. spielhauses bei, und fast schien ihr da ihr Wunsch der Erfüllung nahe, daß das Theater zu einem der edelsien Kulturmittel für das Bolk werden müßte, statt zu einem Mittel der Korruption. Auch an der Enthüllung des Denkmals ihres solange verfannten Freundes Mazzini nahm Malvida teil, voller Schmerz darüber, daß der erst nach dem Tode Gefeierte als Erilierter unter fremdem Namen in der Heimat sterben mußte, er, der Italien geliebt hatte wiz niemand sonst. Garibaldi , Mazzinis Freund, jah Malvida wieder, als er gleich einem Triumphator der antiken Welt im Winter des Jahres 1874 jeinen Einzug in Rom hielt. Sie erlebte auch den Tag mit, an dem die Nachricht von seinem Tode in Rom eintraf, wo dasselbe Gefühl der Trauer in Taufenden von Herzen zitterte und die Menschheit das Knie beugte in Ehrfurcht vor dem großen Toten.
Nr. 3
So notwendig es ist, sich mit dem Problem der Uirgestaltung der häuslichen Erziehung zu beschäftigen und nach Wegen zu suchen, die eine Besserung herbeiführen könnten, so haben die dankenswerten Anregungen der Verfasserin des obigen Artikels doch großen Bedenken zu begegnen. Vor allem würde der Vorschlag der gestaffelten Kinderzulage durch den Arbeitgeber in der Praxis dahin führen, daß finderreiche Eltern schrer oder gar nicht Arbeit fänden, weil sie dem Arbeitnehmer zu teure Arbeitskräfte gegenüber den kinderlosen sein würden. Besondere Nachteile würde dies für alle die Frauen( Witwen, geschiedene und uneheliche Mütter usw.) haben, die in erster Linie auf Erwerbearbeit angewiesen sind, um ihre Kinder erhalten zu können. Hier muß die Allgemeinheit, das ist der Staat, eingreifen, und zwar nicht nur mit einer Steuervergünstigung.
Der Gedanke des Einfüchenhauses hat in der Arbeiterschaft an Popularität in den letzten Jahren nicht gewonnen. Das ist sehr zu bedauern, aber verständlich für jeden, der jahrelang aus der Massenspeisung sein Mittag- und Abendessen bezogen hat. Hier werden Wege gefunden werden müssen, welche ein gutes, einfaches Essen ohne stundenlange Anstellerei-möglichst ins Hausliefern. Der von der Genossin Haller in der„ Gleichheit" gemachte Vorschlag öffentlicher Waschanstalten ist sehr beachtenswert für die Entlastung der Frau im Haushalt. Bisher hat die Disfussion in dieser Frage nichts Neues ergeben. Es kommt aber darauf an, neue Vorschläge zu machen, die in der Praxis verwendbar sind. Ueber die Notwendigkeit einer Umgestaltung der Haushaltführung besteht wohl kaum noch Meinungsverschiedenheit.
Auf ungleich größere Widerstände als die Reformierung des Haushalts stößt die Forderung der staatlichen Erziehung der Kinder, d. h. des staatlichen Internats. Auch mir erscheint die Erziehungsfrage auf diesem Wege nicht lösbar. Der absolute Zusammenhang zwischen Kindern und Eltern muß erhalten bleiben. Was unseren Kindern fehlt, ist doch letzten Endes die Mutter. Die Mutter, welche die Erzieherin ihrer Kinder sein kann. Erzieher und Erziehe
Eine innige Freundschaft verband Malvida mit Friedrich Nietzsche zu der Zeit, da er gleich ihr im Wesen des griechischen Volfes, in der Vereinigung des Pessimismus der Weltanschauung und Optimismus des Temperaments", das Ideal aller Menschheitskultur erblickte. Später in dem Zwist Nietzsches mit Wagner nahm Malvida gegen ihn Partei. Mit innigem Bedauern aber verfolgte sie den Verlauf der schweren Krankheit Nietzsches, und sie erfuhr mit tiefem Schmerz, welch edler Geist hier zerstört ward.
Ihre letzten Lebensjahre verbrachte Malvida an einem Ort, ,, wo große Erinnerungen in bleibenden Zeugen hehrer Monumente einen Kranz der Unsterblichkeit schlingen, und wo die ewig gütige Natur auch die Trümmer stets von neuem mit holdem Jugendschmuck umgibt", in ihrem geliebten Rom . Als Seiten so viele Freundschaftsbeweise und Zeichen der Verdort ihr achtzigster Geburtstag herankam, trafen von allen ehrung und Dankbarkeit ein, daß Malvida sich gerührt sagen durfte:„ Du hast nicht umsonst gelebt; nicht nur, daß Du Dir selbst Treue gehalten bast. Du bist auch andern etwas gewesen, und besseres kann ja der Mensch nicht verlangen, als mit diesem Doppelzeugnis an der Schwelle der Ewigkeit stehen und warten, bis sich ihm die Pforte öffnet, aus der es feine Wiederkehr gibt."
Abschieds fand sie bereit, als ihr langes, reiches Leben zu Nun hat sich ihr diese Pforte geöffnet. Die Stunde des war sie im schönsten Sinne des Wortes, erfüllt von einem Ende ging. Sie starb am 26. April 1903. Eine dealiſtin reinen Wollen und dem unablässigen Bemühen, dieses Wollen zur Tat werden zu lassen.