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Ole Gleich beit
Frühsommer 1917 erkannte, daß Deutschland den Krieg verToren hatte und er hatte den Mut, aus dieser richtigen ErKenntnis der Dinge sofort die Konsequenzen zu ziehen, daß der Versuch gemacht werden müsse, die Führung der Politik aus den Händen der Obersten Heeresleitung in die des ReichsKanzlers zu bringen.
Das Ergebnis war die Friedensresolution, welche die Reichstagsmehrheit im Juli 1917 annahm und die uns den Berständigungsfrieden ohne Sieger und Besiegte bringen follte. Das war notilrlich ganz gegen die Pläne unserer Alldeutschen, denen Herr Helfferich einer der Führer war, und von diesem Augenblid an wurde Herr Erzberger mit ai el ficherem Haß verfolgt. Wie viele Beamte müssen im Dienste dieser Unterminierungsarbeit gestanden haben, unt das Material zu diesem Scheiterhansen zusammenzutragen. Das ging nicht gegen die Moral der jetzt so moralisch entrüfteten Helfferichleute, denn bei ihnen heiligt der Zweck noch mehr die Mittel, wie sonst schon im Leben. Und der Zweck wuchs im Laufe der Zeit zu ungeahnter Größe. Zuerst war er wohl nur, den Mann der Friedensresolution unmöglich zu machen. Ais diefer nach der Revolution in die Regierung eintrat, mußte gleichzeitig in ihm die Republik getroffen werden. Und dann wurde Erzberger Finanzminister und wagte, was feiner seiner Vorgänger, die anerkannte Fachleute gewesen sind, gewagt hatte: nämlich Steuergesetze zu schaffen, welche die reichen Leute nicht schonten, sondern ihnen ihr Pflichtteil an den Basten des Volfes auferlegten. Das war zuviel. Nun ging es an den Geldbeutel, nun mußte der Mann unschädlich gemacht werden, zumal man die verhaßte Republik jetzt Soppelt treffen konnte, indem man ihr den Finanzminister nahm, der Tatkraft genug besaß, feine Finanzreform auch durchzuführen.
Erzbergers Politif, die er während der Waffenstillstands. verhandlungen und der Friedensfrise getrieben hat, fann bei geradedenkenden und empfindenden Menschen keine Sympathien auslöfen, aber die Ehrlichkeit gebietet auch dem Gegner auszusprechen, daß dieser Mann einen eisernen Fleiß, elu großes Können und den Mut zur Zat besikt. Ob unsere Regierung in dieser schwersten Zeit solche Männer entbehren kann, vermögen wir Frauen nicht zu entscheiden. Wenn aber Persönlichkeiten und Handlungen gegeneinander abgewogen werden sollen, dann müssen wir sagen, daß bei aller Abnei gung gegen Erzberger und seine geschäftlichen Manipulationen imfer Urteil zu seinen Gunsten ausfällt und ausfallen muß gegenüber einem Helfferich, der mitschuldig ist an der jahrelangen Verlängerung des Krieges und dessen Finanzwirtschaft während des Krieges eine Ursache unseres heutigen wirtschaftlichen Elends ist. Clara Bohm- Schuch .
Der Gesetzentwurf über die Grundschule ( Schuh) Der Gesetzentwurf beseitigt also die Vorschule als ein Zeichen des Klassen- und Kastensystems, für das im demokratischen Staat fein Play ist. Die Dauer der Grundschule wird im Gesetzentwurf auf 4 Jahre festgefeht. Die Begründung, die der Gesetzentwurf gibt, sagt dazu, daß die Grundschule nicht weniger als 4 Jahrgänge haben darf, da sonst der soziale Zweck der Grundschule, die Kinder aller Bevölkerungsfreije so lange wie möglich in der gleichen Schule zu vereinigen, nur in unzureichender Weise erfüllt würde. Außerdem würde eine dreijährige Grundschule den Anforderungen nicht genügen, die vom Standpunkt der Pädagogik und der von der Reichsverfassung anzustrebenden organischen Ausgestaltung des Schulwesens an die Grundschule gestellt werden müssen. Sie würde die Scheidung der Kinder nach Art der Begabung und beabsichtigten Berufsausbildung zu einem Zeitpunkt notwendig machen, der für eine richtige Ausleje noch keine Anhaltspunkte bietet, die selbst bei einer vierjährigen Datter noch unsicher bleiben. Die dreijährige Grundschule würde auch für
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das vor einem Umbildungsprozeß stehende mittlere und höhere Schulwesen nicht den notwendigen gesetzlichen Unterbau geben, auf den um so weniger verzichtet werden darf, als der Aufstieg der geistig begabten Kinder aus allen Volfsklassen und der Uebergang in andere Bildungsklassen durch eine längere Dauer der Grundschule sicherer bewirkt wird als durch eine fürzere. Hinzu kommt noch, daß dem von der Reichsverfassung für alle Schulen geforderten Arbeitsunterricht be. sonders in den Klassen der Grundschule aus pädagogischen Gründen ein umfangreicher Play zugewiesen werden muß". Der Einwand, eine vierjährige Grundschule verzögere die Reifeprüfung um ein Jahr, ist nicht stichhaltig, die höheren Schulen müssen vielmehr ihren Lehrplan verkürzen. Tritt diese Reform schon jetzt ein, so arbeitet sie damit späteren Reformen vor.
Die meisten Pädagogen gehen mit ihren Forderungen über die vierjährige Grundschule hinaus. So verlangt Rein in seiner Schrift„ Die nationale Einheitsschule". eine sechsjährige Grundschule gemeinsam für alle Schüler. Darauf baut sich nach vollendetem 12. Lebensjahr der Schüler die zweite der drei Schulschichten auf, einmal die Oberstufe der Volksschule, dann die Cherrealschule, Oberlyzeum und Gymnasium. Daran schließt sich die dritte Schicht: Fortbildungsschule oder niedere Gewerbeschule bom 15.- 18. Lebensjahr, anschließend an die Oberstufe der Volksschule, die mittlere Fachschule vom 17.- 20. Lebensjahr, anschließend an die Realschule, und die höheren Fachschulen, Lehrerseminar und Hochschule vom 19.- 22. Lebensjahr, anschließend an Oberrealschule und Gymnasium. Der fortschrittliche Lehrer Tems, der, wie der Deutsche Lehrerverein, auf dem Boden der Einheitsschule steht, verlangt die gemeinJame Grundschule bis zum vollendeten 12. Lebensjahre, für besonders Begabte bis zum 11. Lebensjahre. Genosse Hein rich Schulz fordert fie in seinem schon erwähnten Buch bis zum vollendeten 14. Lebensjahre der Schüler. Die nordischen Länder und die Schweiz , die einen einheitlichen Schulaufbau haben, haben eine verschieden lange Dauer der Grundschule. Das sind nur Beispiele. In eine nähere Kritik der Vorschläge und bestehenden Einrichtungen fann hier nicht eingetreten werden. Doch muß betont werden, daß das beste System das ist, das möglichst elastisch einen Uebergang der Kinder in eine andere Schule noch später gestattet und die gemeinsame Schule lange ausdehnt.
Der borliegende Gesehentwurf jieht, wenn er die vierjährige Grundschule festsett, damit nur eine Schranke nach unten vor: Die gemeinsame Grundschule soll mindestens 4 Jahre lang dauern. Er will dantit der sonstigen Einrichtung und Ausgestaltung der Grundschule etiva auf längere Zeit durch die Neichsschulkonferenz nicht vorgreifen.
Bir Frauen fönnen die Vereinheitlichung des Schulwejens
und den Grundschulgesetentwurf als ersten Schritt dazu nur begrüßen. Der Unterschied in der Schulbildung zwischen Besigenden und Befitlosen verträgt sich nicht mit dem demokratischen Staatswesen, ebensowenig verträgt sich die bisherige Minderwertigkeit des Mädchenschulwesens mit ihm. Ein Staat, der nach seiner Verfassung keine Zurücksetzung der Frau mehr kennen darf, muß für Mädchen und Knaben der Qualität nach das gleiche Schulwesen haben. Die Verschiedenheit des Organismus fann trohdem berücksichtigt werden. Aber der Aufstieg der Begabten, ob besiglos oder besitzend, ob weiblichen oder männlichen Geschlechts, muß ermöglicht werden.
Gegen den Gejegentwurf werden natürlich Einwände erhoben. Sie gelten nicht etwa einem besonderen System der Einheitsschule, daß der Gesehentwurf nicht festlegt, sondern dieser selbst. Man sträubt sich gegen die gemeinsame Grundschule für die Kinder aller Schichten des deutschen Volfes. Man fürchtet in den bessergestellten Kreisen das Beispiel der schlechten Gewohnheiten und Sitten der Arbeiterfinder". Man übersiebt, daß man damit der eigenen häuslichen Erziehung. ein schlechtes Zeugnis ausstellt, die doch vor solchen Gefahren