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Die Gleich beit

Aus der Frauenbewegung des Auslandes

Diese Woche sprach zum erstenmal feit 1914 eine Deutsche zu cinem englischen Publikum. Der Saal war gedrängt voll, und unter den Anwesenden befand sich sogar ein sehr bekannter General. Die Versammlung war von der J. W. L.( Inter . Frauen- Biga) zum Empfange von Dr. El. Rotten aus Berlin vec anstaltet. Lady Courtney stellte Dr. Rotten vor und der Empfang war so über alle Erwartung herzlich, daß Dr. Rotten zuerst bor Bewegung faum Worte finden fonnte Gie sprach eiwa zehn Minuten über die Arbeit der Berliner Organisation zur Hilfe der feindlichen Ausländer während des Krieges. Mehrere be­tannte Vorstandsmitglieder des Vereins sprachen warme Worte zur Begrüßung von Dr. E. R. und alle hofften auf cine baldige Wiederherstellung befferer internationaler Beziehungen zwischen den ehemals feindlichen Ländern. Es war wie ein frischer Luft zug in der schwülen Atmosphäre der noch oft feindlich gesinnten Gegenwart.

Holland. Wiederum hat eine unserer Genoffinnen einen Bosten erreicht, den wir vor der demokratischen Flutwelle, die auch unser fleines Land überspülte, unmöglich geachtet hätten. Genossin Genossin Carrie Pothuis- Smit hat Siz in der Ersten Kammer bekommen. Das ist aber eher ein Zeichen der Zeit als eine wirkliche Macht­stelle, denn unser Senat ist eine Versammlung von alten bürger­lichen Herren, die allesamt nicht viel politischen Einfluß besiben. Jedoch ist es uns eine Freude zu sehen, daß es wiederum die Sozialdemokraten sind, welche die erste Frau in diese Festung der Reaktion hineingebracht haben.

Größeren Erfolg dürfen wir uns versprechen von unserer ersten Volfsvertreterin, die in der Ziveiten Kammer fißt, Frau Groene weg. Diese hat bei den Budgetdebatten einen Antrag auf Mutter­schaftsversicherung gestellt, welcher in nächster Zeit zur Verhand­lung fommen wird.

Am 18. April werden alle Ortsgruppen der Partei, auch die von Frauen, eine öffentliche Versammlung abhalten zur Unterstützung von Suze Groenewegs Antrag. Das ist der S. D- Frauentag, der dieses Jahr zum neunten Male gefeiert wird.

Wird es immer noch absonderliche Frauentage in der Partei geben oder wird die Frauenfrage von der Demokratie bes wirk lich allgemeinen Wahlrechts dahin gelöst werden, daß die Klaffen­intereffen von Frauen und Männern gemeinsam gefördert wer­den? Vielleicht nicht, solange es Frauenklubs und Frauenpropa­ganda gibt Martina Kramer.

Aus unserer Bewegung.

Katharina Fluderer t

In Mannheim ist am 10. März plötzlich und unerwartet unsere Genoffin Katharina Fluderer im Alter von 45 Jahren gestorben. Die tüdische Krankheit Die Grippe" hat den allzufrühen Tod herbeigeführt. Die Sozialdemokratische Partei hat eine strebsame Mitstreiterin berloren. Ganz besonders die Zahlstelle Neckarbor­stadt, wo sie sich als zweite Schriftführerin gut eingearbeitet hatte, hat einen schweren Verlust erlitten. Bei der Gründung unserer Frauenbewegung im Jahre 1905 war die Verstorbene eine der crften, welche als Mitglied beitrat. Wenn sie auch nicht als gi tationsrednerin auftrat, jo beteiligte sie sich doch mit vollem Eifer an der Organisationsarbeit und stellte steis ihre ganze Kraft zur Verfügung. Ein leuchtendes Beispiel, wie die Frau die Pflichten gegen die Familie mit der Arbeit für die gemeinsame Sache ihrer Klasse verbinden kann, war die Verstorbene. Allezeit ohne Bögern folgte sie dem Nuje zur Parteiarbeit.

Mit großer Hingabe beteiligte sich unsere Genossin an allen Haus-, Straßen- und Wahlagitationen; fein Weg war ihr zu weit, feine Treppe zu hoch, wenn es galt, Flugblätter und Stimmzettel zu verbreiten oder Abonnenten für unsere Frauenzeitung Die Gleichheit", sowie neue Parteimitglieder zu gewinnen.

Bei allen Wahlen stellte sie sich als Listenführerin zur Ver­fügung. Mit ganzem Herzen war sie bei der Sache, auch wenn es notwendig wurde, am Wahltag Schlepperdienste zu leisten. Hervorragend beteiligte sich unsere Genossin an den Arbeiten der Kinderschutzkommission. Während der Schulferien die Meinen unter liebevoller Behandlung und mütterlicher Aufsicht in die freie Natur zu führen, war ihre größte Freude.

Auch die schrecklichen Kriegswirren find an unserer Genoffin nicht spurlos vorübergegangen und haben ihr großen Kummer be­

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reitet. Ihren einzigen Sohn mußte fie, nachdem er sich nach längeren Kriegsanstrengungen eine Krankheit zugezogen hatte, ber­fieren. Die Parteiarbeit gab: the oftmals Ablenkung und Zer fireuung ihres allzufchweren Edhidjals.

Ganz allein ist nun der Gatte zurüdgeblieben; er hat eine liebevolle und treubesorgte Gefährtin verloren, die Partei eine arbeitsfreudige Genoffin. Eie ruhe aus in Frieden, von einem Leben der Arbeit und des Kampfes.

Ihr Andenken werden wir stets in Ehren halten. Th. Blafc. *

In den Orten Weilmünster , Elz , Runkel , Seelbach , Löhu­berg und Niedershausen sprach in öffentlichen Versamm­lungen Genoffin Röhle( Frankfurt a. M.), wobei über­all ein überaus zahlreicher Besuch zu verzeichnen war. Das Thema:" Diktatur oder Demokratie" wurde von der Rednerin ausgiebig behandelt. Scharfe Worte fand sie gegen Kapp und Genoffen, gegen das ganze Treiben der Rechtsparteien, und ver­langte unter Beifall der Versammelten eine gründliche Abrechnung und exemplarische Bestrafung der Schuldigen. Es müsse eine Garantie geschaffen werden, daß eine Wiederholung der Fälle, die auf Vergewaltigung der Mehrheit des Volkes hinausliefen, aus­geschloffen sei. Die Arbeiterschaft müsse sich im geschlossenen Ab­wehrkampfe gegen jede Diktatur auflehnen und dadurch sich selbst einen Schuzwall bauen. Durch Ausstreuung des sozialistischen Gedankens, durch mutiges Bekennen zur Partei können wir vor wärts tommen. Bei den kommenden Wahlen gelte es, mit dem Stimmzettel gründliche Abrechnung zu halten, damit durch das freie Wahlrecht eine freie Menschheit geschaffen werde. Die Aus­führungen wurden mit stürmischem Beifall aufgenommen.

Die Unabhängigen" Tonnten es sich nicht berkneifen, auf die Ausführungen, die nach rechts gingen, die Mehrheitssozialisten in befannter Weise anzurempeln. Die Referentin antwortete ruhig und fachlich und entwaffnete die Gegner an Hand von nicht abzustreitenden Tatsachen. In allen Versammlungen erhielten sie eine gründliche Abfuhr.*

Bezirk Zwidau.( Frauenbersammlungen.) In der Zeit bom 1. bis 11. März hielt die Genoffin Alma Röhle aus Frankfurt a. M. in den Orten Reichenbach , Wildenfels , Lengenfeld , Untersachsenberg, Pauja, Brambach, Plauen , Auerbach , Bielau­Friedrichsgrün und Retschtau öffentliche Frauenversammlungen ab, die durchweg einen sehr guten Verlauf nahmen. Genossin Röhle behandelte die zwei Themen: Die Frau vor und nach der Revo lution" und Die Frau im neuen Deutschland ". Während das erste Thema mehr einen geschichtlichen Charakter trug, behandelte das lektere mehr die durch die Verfassung gegebenen Nechte und seine fich daraus ergebenden Pflichten. Die fachlich scharfen und leichtverständlichen temperamentvollen Ausführungen fanden leb­hajte Zustimmung. Alle Versammlungen nahmen einen glänzen­den Verlauf für die Parlei; die Diskussion war immer eine zu­stimmende, troßdem die U. S. P. in manchen Bersammlungen start bertreten war. Zahlreiche Neuaufnahmen für die Partei und Be­stellungen auf die Gleichheit" waren der Erfolg dieser Versamm­lungstour.

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Die Frauengruppe der S. P. D. Stöslin feierte Mitte Februar ihr einjähriges Bestehen nach dem furchtbaren Weltkrieg. Die Genoffinnen haben durch rege Beteiligung an den Leseabenden gezeigt, daß fie politisches Interesse haben, und daß sie mithelfen wollen, das Vaterland wieder aufzubauen. Zu der dazu erforder­lichen Vertiefung des politischen Wissens sollen die Leseabende dienen. Es werden dort politische Artifel gelesen über Kleinbau betrieb, Ware und Sapital und über kapitalistische Produktion. Auch der Geselligkeit wurde Rechnung getragen, indem die Frauen­gruppe Meine Spaziergänge unternahm und zu Weihnachten ein Kinderfest veranstaltete. Zur Verschönerung dieses Festes hatten mehrere Genoffinnen mit den Kindern Lieder und fleine Theater­stücke eingeübt. Die Beteiligung wuchs von Abend zu. Abend, und am Jahresschluß feierten wir wieder ein kleines Fest, an dem sogar ein wenig getanzt wurde. Wir können allen Ortsgruppen emp­fehlen, diese Frauenlejeabende einzurichten. Sie tragen dazu bei, unsere Genoffinnen politisch au schulen. Wir brauchen diese Zu­sammenarbeit der Frauen bei ber schweren politischen und wirt­schaftlichen Lage Deutschlands . Genofsinnen aller Städte und Dörfer, schließt Euch susammen und helft mit aufbauent

Gertrud Graf.

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