Nr. 22
Die Gleichheit
..Glossen zu Yves Guyots und Sigismund Lacroix". Die wahre Gestalt des Christentums, nebst einem Anhang über die gegenwärtige und zukünftige Stellung der Frau." Hier machte er auch die Vorstudien zu seinem Buch:" Die Frau und der Sozialismus", das zuerst im Jahre 1879 unter dem Titel„ Die Frau in der Vergangenheit, Gegenwart und Bukunft" erschien.
Bebel ist immer der unermüdliche Vorkämpfer für die Rechtsgleichheit der Frau gewesen, nicht nur in der großen Welt, sondern auch im Rahmen der Sozialdemokratie selbst. In den ersten Anfänge der Bewegung wurde es einem großen Teil der Parteigenoffen recht schtver, die neue Auffassung von der Stellung der Frau sich innerlich anzueignen. Selbst nach dem Erfurter Par teitag von 1891, der das gleiche Recht beider Geschlechter im allgemeinen und das gleiche Wahlrecht im besonderen ausdrücklich im Parteiprogramm festlegte, vermochten noch viele Parteigenossen sich nicht völlig von den ererbten und ringsumber in der bürgerlichen Welt geltenden Vorstellung von der Ueberlegenheit und bem sich darauf gründenden Vorrecht des Mannes in den öffent. lichen Angelegenheiten freizumachen.
Die intensive Aufklärungsarbeit der Partei, die tapfere Mitarbeit der Parteigenossinnen hat, Hand in Hand mit der fortschreitenden Revolutionierung der ganzen wirtschaftlichen Stellung der Frau, die Sache des Frauenivablcechts zu immer größerer Bedeutug und schließlich zur Verwirklichung geführt.
Neben der starken sozialdemokratischen Welle war es die bürgerliche Frauenbewegung, die bereits in der bemokratischen Atmo sphäre der 40 er Jahre des vorigen Jahrhunderts die ersten praktischen Programme aufstellte und sich feste Organisationen zur Vertretung ihrer Forderungen schuf. In wenigen Strichen sei diese Bewegung hier gezeichnet.
Die Sehnsucht der Frau, es dem Manne gleich zu tun, ist Jahrhunderte alt, ohne sich indes zur Frage der politischen Gleichberechtigung zu verdichten. Sie verlangt zunächst nur nach den Kulturgütern, die eine fortschreitende Stulturentwidlung ständig neu hervorbrachte, die aber wesentlich Besitz des Mannes waren, wie Bildung, Kunst, Wissenschaft usw. Selbstbestimmung und Selbstverantwortlichkeit wird schließlich der Angelpunkt der Frauensehnsucht.
In der Französischen Revolution, die die unveräußerlichen Menschenrechte" proklamierte, glaubten die Frauen Frankreichs ihre Forderungen nach Teilnahme an diesen Menschenrechten im Namen der Gerechtigkeit erheben zu dürfen. Doch die Füh rer der Französischen Revolution lehnten bis auf wenige Zukunftsdenker diese Forderungen ab und unterdrückten gewaltsam die zur Erkämpfung der politischen Rechte gegründeten Frauenklubs.
Auch in Deutschland setzte im Anschluß an diese revolutionäre Erschütterung Europas die Frauenbewegung ein. Sie ist in ihren ersten Jahrzehnten in weitgehendstem Maße Bildungsbewe. gung, ein Kampf der Frau um geistige Güter. Wirtschaftliche Ursachen und soziale Nöte gaben jedoch der Bewegung bald ein eigenes Gepräge. Die Veränderungen im Wirtschaftsleben, die zunehmende Industrialisierung trieb ihre Ausläufer bis in das deutsche Bürgerhaus, hier die bisherige Frauenbeschäftigung, wie Spinnen, Weben, Lichteziehen usw., verdrängend. Frauenkräfte wurden brachgelegt. Während die Industrie die Frauen der unteren Bevölkerungsschichten in den Arbeitsprozeß als billige Arbeitskraft einfügt, die Industriearbeiterin erzeugt, wird das Streben der Frauen der höheren Stände auf die Erschließung neuer Wirkungskreise gerichtet. Sie stellten eine Reihe von Einzelforde rungen auf, von der Erwerbs- und Bildungsfreiheit bis zur staatsbürgerlichen Gleichberechtigung mit dem Maane. So enthalten jene ersten Rundgebungen der Frauenbewegung bereits ein vollständiges politisches Programm. Zahlreiche Frauenorganisationen entstehen. Die Berührung der Frauenbewegung mit dem Wirtschaftsleben gibt ihren sozialen Forderungen Kraft und Festigkeit. 1844 wird in den von Robert Blum herausgegebenen Vaterlandsblättern" die Frage aufgeworfen:" Haben die Frauen ein Recht zur Teilnahme an den Interessen des Staates?" Die Antwort der damals 25 jährigen Louise Otto gipfelt in dem Grundgedanken: Die Teilnahme der Frau an den Interessen des Staates ist nicht allein ein Recht, sie ist Pflicht der Frau. Louise Otto gründet 1865 mit Auguste Schmidt und Ottilie von Stehber den Allgemeinen Deutschen Frauenverein. Er stellte die Forderung auf:„ Wir verlangen, daß die Arena der Arbeit auch für uns und unsere Schwestern geöffnet werde." Kein Wohlfahrtsverein, sondern Frauenorganisation- vertritt ihr Vereinsorgan„ Neue Bahnen" von Anfang an den Gedanken, daß die Frauen zur Teilnahme an Gesetzgebung und Verwaltung berufen,
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feien und berufen werden müßten. Auf einer ihrer ersten Tagungen 1868 wird die Frage der Teilnahme der Frauen an der Kommunalverwaltung, namentlich in Armen- und Waisenpflege und Fabrikaufsicht, behandelt. Dieser Ruf ist seitdem nicht wieder berhallt,
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Seit Anfang der 90er Jahre tritt die Forderung des politischen Frauenstimmrechts als eine Sonderfrage mehr in den Vordergrund. Als Programmpunkt wird sie im Programm des 1899 ge= gründeten Verbandes Fortschrittlicher Frauenvereine aufgenom Die von Frau Minna Cauer 1895 ins Leben gerufene Beitschrift Die Frauenbewegung" hatte inzwischen diese Frage nach allen Seiten hin erörtert. 1902 wird zur nachdrücklicheren Vertretung der Forderung des Frauenstimmrechts der Deutsche Verein für Frauenstimmrecht" gegründet, der sich 1904 zum„ Deut schen Verband für Frauenstimmrecht" erweitert. Er verlangt das allgemeine, gleiche, geheime und unmittelbare Wahlrecht für Männer und Frauen, eine zur damaligen Blütezeit des preußischen Dreiklassenwahlrechts sehr radikale Forderung. 1909 fam es durch fonservativer gerichtete Frauen, denen die Forderung zu weit ging, und die das Frauenwahlrecht nur unter den gleichen Bedingun gen wie die Männer es haben und haben werden"( also Dreiflassenwahlrecht nicht ausgeschlossen) haben wollten, zur Spaltung. Die losgelösten Gruppen verbanden sich 1911 zur„ Deutschen Vereinigung für Frauenstimmrecht". 1913 löften sich abermals Teile Meinungsverschiede theiten halber vom Deutschen Verband für Frauenstimmrecht ab und gründeten den„ Deutschen unbedingt auf das allgemeine, gleiche, geheime und unmittelbare Bund für Frauenstimmrecht", der seine Mitglieder statutenmäßig
Wahlrecht verpflichtete.
Seit Frühjahr 1914 wurde wiederholt eine Einigung der drei Stimmrechtsverbände versucht. Doch die Gegenfäße zwischen Verband und Vereinigung auf der einen, Bund auf der andern Seite waren zu schroff. Im Frühjahr 1916 gelang es, die beiden erstgenannten sich innerlich nahestehenden Organisationen zum " Deutschen Reichsverband für Frauenstimmrecht" zusamme izuschließen.
Die sozialistische Revolutionsregierung ist über die Forderungen der bürgerlichen Frauenbereine und Stimmrechtsverbände zur Tagesordnung übergegangen. Sie hat den Frauen ein weitergehendes Wahlrecht gegeben, als es sich die bürgerlichen Frauenorganisationen jemals träumen ließen. Wenn die bürgerlichen Frauen darauf hätten warten sollen, bis Gerechtigkeitssinn und staatsmännische Einsicht ihrer Männer und der bürgerlichen Regierungen ihnen das Wahlrecht gegeben hätten, dann hätten sie wohl noch einmal so lange ausharren und kämpfen müssen wie bon 1844 bis 1918.
Die Sozialdemokratie brachte der Frau bie politische Gleichberechtigung, der die gesell. schaftliche folgen wird. Wilhelm Soldes.
Splitter
Von Walter Schenk
бoch über aller Kleinheit und dem Lärm der Stunde steht, Wer klar fein Ziel erkannt und mutig vorwärts geht.
Von Ziel zu Ziel
Gelingt euch nicht, das Ziel der Ferne zu erjagen, So follt und müßt ihr nach den Gründen fragen. Und diele werden bald euch Antwort fagen: Von Ziel zu Ziel nur dürft den Kampf ihr wagen, Denn wer das ferne Ufer bald will schauen, Muß eine lange Brücke erft fich bauen.
In allen Fehden ist der befte Rat: Nicht lange reden, beherzte Tat!
Auch ,, radikal"
Wenn fie fich beim Schwätzen vom Ziel ereifern Und gegenseitig giftig begeifern, Vergeffen die Klugen zumeilt alsdann,
Daß nur ein Weg zum Ziele führen kann.