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Die Gleichheit

lichen Beamtinnen der Post- und Telegraphenverwaltung benach. teiligt wurden, ist bei dem Beschluß leider übersehen worden. Dieser Schaden muß bei der neuen Durchberatung forrigiert werden. Es liegt auch bereits ein Antrag des Verbandes der Reichspost- und Telegraphenbeamtinnen vor. Hierbei gestatte ich mir noch bescheiden zu erwähnen, daß der Verband sich( vielleicht nicht nur bei uns) bedankt hat für die Bemühungen, die Wünsche ber Beamtinnen erfolgreich vertreten zu haben. Das läßt doch nicht darauf schließen, daß die Besoldungsreform gar zu schlecht ist, auch vom Standpunkt der Frauen aus gesehen.

Hand in Hand mit der Besoldungs  - geht noch die Personal reform. Der angenommene Antrag der Mehrheitsparteien Tautet:

,, Die Nationalversammlung   ist damit einver. standen, daß nach Inkrafttreten des Besoldung­gefeges die aus einer geplanten Personal= reform sich ergebenden Stellenumwandlungen - unbeschadet der späteren Ausführung im Haushaltsplan für 1920 bom Reichs post­minister im Einvernehmen mit dem Reichs. minister der Finanzen mit Wirkung vom 1. April 1920 alsbald durchgeführt werden."

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Damit ist die Möglichkeit der Durchführung der Personalreform gegeben. Der Postminister erklärt dazu unter:

Weiblicher Beamtendienst:

Ueberführung der vorhandenen planmäßigen Bost- und Tele­graphengehilfinnen, die am 1. April 1920 mindestens zwei Jahre angestellt sein werden( also einschließlich der am 1. April 1918 planmäßig angestellten), in Betriebsassistentenstellen( ohne Ab­legung einer Prüfung). Späterer Prüfung des fachlichen Bedürfnisses bleibt es vorbehalten, inwieweit folche Stellen als fünftig wegfallend zu bezeichnen und in Gehilfinnenstellen( Be­soldungsgruppe III) umzuwandeln sein werden. Die nach dem 1. April 1918 angestellten Post- und Telegraphen­gehilfen und gehilfinnen bei Bostämtern III, die Ende März 1920 eine mindestens 6jährige anstellungsberechtigende Dienstzeit zurüdge­legt haben werden, rüden nach Maßgabe frei werdender Stellen ohne Ablegung einer Prü fung in Betriebsassistentenstellen ein. Vor Ueber fragung einer Betriebsassistentenstelle an eine planmäßige Ge­

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haft war. Karoline schreibt selbst einmal, sie hätte ihren guten Nuf verloren, aber sie vermöchte sich mit ihrem munteren Temperament darüber hinwegzusehen. Schwerer nahm sie, baß sie so wenig Liebe und Verständnis in ihrer Familie fand. Dazu kam eine unglückliche Neigung, und als ihr gerade in dieser Zeit ein Freund ihres Bruders einen Heiratsantrag machte, griff fie zu. Sie wollte fort von Göttingen  , hinaus aus dem enigen Familien- und Bekanntenkreis, aber das fleine Klausthal im Harz, wo ihr Gatte, Dr. Böhmer, ihr eine Heimat bot, war auch nicht der Ort, wo sie mit ihren reichen Gaben, ihrem Wissensdrang, ihren vielseitigen Interessen, sich heimisch fühlen konnte. Voller Humor schildert sie in ihren Briefen die Schlafmüßen der Ge­sellschaft, in die ihr Gatte sie einführte, deren Spirits feinen Spiritus haben und die Unmöglichkeit, sich in die dortige Form hineinzugießen. Zwischen den ernsten, graden, schwarzen Tannen des Harzes suchte sie sich heiter zu erhalten, las und las, Romane, Memoiren, Weltgeschichte, verschollene Philosophie. Wie ein Rotschrei geht der Wunsch nach Büchern durch all ihre Briefe. ..Ich bitte Dich um Brot und Du gibst mir einen Stein", schreibt fie ihrer Schwester, als diese ihr statt Bücher Uhrbänder schickt. Weit aller ihr eigenen Zärtlichkeit überschüttete sie ihren Gatten, der wohl ein rechtlicher braver Mann war, aber feineswegs die Idealgejialt, die sie aus ihm machen wollte. Da aber Karoline ohne Liebe nicht sein konnte, so überschüttete sie mit allem Ueber­fluß ihres Herzens die Kinder, denen sie das Leben schenkte. Nur eines, die kleine Auguste blieb am Leben, dies seltsame Geschöpf, das nach Ricarda Huch  ( Blütezeit der Romantik), unschön zuerst, aber dann von immer zunehmendem Liebreiz, wie es bei den Menschen der Fall ist, an deren Geist Echönheit, der sich ent­wickelnde Geist großen Anteil hat, altflug, findisch, naiv, früh reif, wissensburstig und vergnügungsfüchtig, ein staunenerregendes Durcheinander, mit demselben weichen Gesicht und der blumen Haften Neigung des Kopfes, wie es der Mutter eigen war". Karoline war ihr eine vorzügliche Mutter. Sie war aber auch

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hilfin wird festgestellt, ob sie ben höheren Anforderungen dieses Dienstes gewachsen ist.

Bei diesen nicht abzuleugnenden tatsächlichen Erfolgen für die weiblichen Beainten fommt mir unwillkürlich der Gedante des Vergleichs mit den in Industrie, Handel und Gewerbe beschäf tigten Frauen. Sie haben nach den Bestimmungen des Demobil­machungsgesehes gar kein verbrieftes Recht auf Arbeit. Sind diese Bestimmungen, nach sozialen Gesichtspunkten gesehen, auch zu verstehen, so haben wir uns doch nur ganz schweren Herzens mit ihnen abgefunden, weil wir schon wußten, was sich in der Praxis auch bestätigt hat, daß die Auslegung dieser Bestimmungen ganz hart sein kann. Das große Heer der auf Arbeit angewiefenen Frauen ist fortwährend davon bedrängt und kommt aus der wirt­schaftlichen Notlage und Unsicherheit nicht heraus.

Dabei sind die faufmännisch und gewerblich tätigen Frauen und Mädchen viel duldfamer gegen ihre Arbeitskolleginnen. In einer anderen Berufsversammlung wäre eine Entschließung, wie fie jüngst auf dem Bundestag des Verbandes der Post- und Tele­graphenbeamtinnen gefaßt wurde, nicht möglich gewesen. Wir lesen darin:

Das Wesen des Beamtentums bedingt, int Gegenfas zu den freien Berufen, die Unterord­nung der vollen Persönlich feit unter Gejeb und Gitte, die in der unehelichen Mutterschaft grundsäglich einen Makel fieht."

Man vergleiche:

Die Beamtinnen verlangen von allen Volksvertrelern, box­nehmlich von aus den proletarischen Echichten der Bevölkerung stammenden Sozialdemokraten die bedingungslose Vertretung der vollkommensten Gleichberechtigung, sie selber aber lassen sich ge­gebenenfalls durch die Gesetzgebung erst den Ausflug modernerer und wahrhaft fitflicher Anschauungen aufzwingen, anstatt sich hier selber als moderne Menschen und als mit ihren Geschlechtz­genofsinnen fühlende Frauen zu erweisen. Wir geben den Be amtinnen, die sich moralisch so erhoben dünken, die Versicherung, taß wir nicht nur für die wirtschaftliche, sondern daß wir auch für die bürgerliche und gesellschaftliche Gleichberech tigung von Männern und Frauen fämpfen werden, und daß der Verband der Postbeamtinnen es sich in Zukunft wohl über­legen wird, ob er die Entlassung der zuwiderhandelnden Beamtin soll heißen: der unehelichen Muller) in jedem Fall ber­langen soll. Marie Juchach

eine sehr pflichtgetreue Hausfrau. Sie mag fein Nadelabstriden. ohne den Eiser und die Aussit, etwas fertig zu bekommen, und greift lieber zu den verzweifeltsten Mitteln, um sich zu be­schäftigen, als mit Gleichgültigkeit das Morgenlicht durch die Vor­hänge schimmern zu sehen und ohne Satisjaftion fich nieder­zulegen.

Was in jener Zeit in ihr vorging, zeigen die vielen Briefe an ihre Freundin Luise Gotter, geb. Fliehr, in Gotha  . Sie zeichnete sich mehr durch ihr tieses Gemüt als durch scharfen Geist aus. Etets war sie bereit, Karoline zu trösten und ihr eine Heimat zu bieten, wenn ihr Lebensschiff, wie so oft, an einer Klippe zu scheitern droht. Wie tief drückten sich Karolines Gefühle für diese Freundin aus in den Worten: Es ist so jük, geliebt zu werden, und fein Herz fühlt das mehr, feins ist danfbarer und gibt so Liebe für Liebe wie das meinige."

Es

Borahnend sah Karoline den Augenblic voraus, wo sie Klausthal berlassen sollte: Du wirst schütteln den Staub von deinen Füßen und doch mit leichtem Herzen die Höhe hinter die sehen." Echon nach vierjähriger Ehe starb Dr. Böhmer und Karoline verließ den 3winger" Stlausthal, um sich in das Gefängnis von Göttingen  zurückzubegeben, über dessen Enge sie sich zunächst täuschte. ist so hell um mich geworden, als menn ich zum ersten Male lebte, wie der Kranke, der ins Leben zurückfehrt, und eine Kraft nach der anderen erlangt und neue Frühlingsluft atmet und in nie empfundenem Bewußtsein schwelgt." Ihr liebebedürftiges Herz fand einen Freund in Professor Meyer- Bramstedt, der sich ihre unermüdliche Liebenswürdigkeit und Güte gern gefallen ließ, aber als schwächlicher Egoist wohl fürchtete, durch sie ein Stückchen seiner Bürde und Bequemlichkeit zu verlieren. Aus einem Briefe an ihn stammt Karolines stolzes Wort über die Armut. Wir sind stolze Bettler, lieber Meyer, und ich kenne noch einige der Art. Lassen Sie uns lieber einmal eine Bande zusammen machen, einen geheimen Orden, der die Ordnung der Dinge umkehrt, und wie die Illuminaten   die Klugen an die Stelle der Toren sehen