Nr. 35

Die Gleich beit

Nur das eine, aber Große ist dabei zu bedenken: daß Deutschland nicht zum Hemmnis wird; daß Deutschland den Geist der inneren Freiheit nicht von sich weist, daß Deutsch­ land überhaupt den Willen und die Kraft aufbringt, frei zu sein. So wie die Dinge im Augenblick liegen, besteht für Deutschland die gleiche Gefahr wie sie 1871 für Frankreich bestand und auch eintrat: daß unser Vaterland zur Reaktion zurückkehrt, nicht zum reaktionären Konservativismus, zur absoluten Junkerherrschaft, sondern zu der unter Umständen noch weit gefährlicheren Reaktion spießbürgerlicher Philister­herrschaft. ( Fortsetzung folgt)

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Die moderne Frau

Von Elisabeth Röhl

Unter dieser Ueberschrift las ich fürzlich in der Bonner Reichszeitung" vom 23. Juli eine Abhandlung von Kaplan Dederichs, Eitorf - Sieg.

Es wäre zwecklos, die großen Gegenfäße zu erörtern, die fich aus der katholischen und andererseits aus der sozialisti­ schen Betrachtungsweise ergeben. Interessant ist die Art, in welcher Form sich die Umstellung fatholischer Führer zu dem Problem Die moderne Frau" vollzieht. Mit der Er­kenntnis von der Wichtigkeit der Frauenfrage, die bren. nend auch für die Männer" geworden ist, beginnt Kaplan Dederichs seine für die katholische Leserschaft be­stimmte Arbeit. Der Sündenfall ist der Ausgangspunkt. Eva, die erste Frau, war die erste Sünderin und büßte nach dem Bannspruch des Schöpfers: mit Schmerzen sollst du Kinder gebären". Sie belastete durch ihre Schuld ihr ganzes Geschlecht, ja die Gesamtmenschheit. Das Weib versflavte, und erst der Welterlöser machte die Frau frei. Sein Blut tilgte die bieltausendjährige Schmach: Das Weib ward bon der Sflavin erhoben zur ebenbürtigen Gefährtin des Manne& ."

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Das war die erste Frauenemanzipa. tion in bernünftig edlem Sinne, die erste Gleichstellung der Frau mit dem Manne, eine große Tat, die das Chri­

Er lallte nur und schlief sofort ein. Eine bange Ahnung aber beranlaßte mich, in seinen Taschen nach dem Gelde zu suchen. Ein Blick in sein Portemonnaie überzeugte mich, daß der Lohn einer ganzen Woche, die wir beide angeftrengt bis in die späten Abende und die Nacht hinein jeden Tag gearbeitet hatten, bis auf den letzten Pfennig alle war.

Diese Entdeckung war für mich so schmerzlich und nieder­drückend, daß ich zu keiner Arbeit fähig war. Meine Zukunft stand mir deutlich und schreckhaft vor Augen, und nur mechanisch beschäftigte ich mich mit dem Kinde. Gegen Abend erst wachte mein Mann auf. Unsere Blide begegneten sich, und ich las in feinen Augen jenes beängstigende Etwas, das für mich Qual und Entwürdigung bedeutete.

affee möchte ich, und zwar bald!" herrschte er mich an. " Sage mir erst, wo du das ganze Geld gelassen hast," er widerte ich.

" Das geht dich einen Dred an. Wie kommst du überhaupt dazu, mein Portemonnaie durchzuschnüffeln?" rief er wütend und rich­tete sich im Bett auf, wobei ihm das leere Portemonnaie auf dem Tisch in die Augen gefallen war.

" Ich dächte dazu ein Recht zu haben," erwiderte ich, denn ich habe mich redlich gequält und mein Anteil an dem Gelde ist nicht geringer als der deine."

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Mit einem Sab war er aus dem Bett und sprang auf mich zu. " Hier hast du deinen Anteil," schrie er, du infame. und ein gemeines Schimpfwort folgte, und dabei schlug er mir ins Gesicht, daß ich rüdlings zwischen Ofen und Wiege hinschlug.

Ich war starr. Er hatte mich geschlagen, zum ersten Male ge­fchlagen, Denten fonnte ich nicht. Ich griff mechanisch nach dem schreienden Kinde, wischte mir mit der Schürze das Blut, das aus Raje und Zähnen hervordrängte und ging zur Tür hinaus, quer durch die Stadt und war schließlich bei meiner Mutter. Sie sah mich an und wußte alles. Also doch, dieser Schweine hund, ach, meine Ahnung" fagte fie, nahm mir das Kind

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stentum zuwege brachte durch seine Lehre der Gleichheit aller vor Gott , bon der Einheit, unauflöslichkeit, sakramen. talen Weihe und Heiligkeit der Ehe, durch seine Neugestaltung der Familie. Es blieb so...."

Also, mit diesen wörtlich zitierten Säßen von Kaplan Dederichs wird uns klar nachgewiesen", daß die Befreiung der Frau mit dem Christentum begonnen hätte, nein, das sie eigentlich das Verdienst des Christentums ist.

Von der mythologischen Darstellung wendet sich der Verfasser dann ab und kommt in ungefähr zwölf Druck­zeilen der wirtschaftlichen Seite des Frauenproblems nahe". Hier macht er sich die Sache mächtig einfach, indem er davon ausgeht, daß die Frau im Laufe der Zeit des Mannes Stonkurrentin wurde. Wie das tam? Ich lasse wieder Herrn Kaplan Dederichs sprechen:

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Der ungeheure, ungeahnte Kulturfortschritt, der Aufschwung von Handel, Gewerbe, Industrie, Wissenschaft und Technik in den letzten Jahrzehnten hat das Familien­leben, damit die Stellung der Frau, gänzlich umgestaltet. Der Strafspruch an den Menschenstammbater Adam, den Mann: Im Schweiße des Angesichts sollst du dein Brot essen!" wird heute, mehr als je, in seiner Aus­wirfung von der Frau zum guten Teil mitgetragen.

So ist das Neu gebilde der modernen" Frau ent­standen."

Unsere Leser und Leserinnen werden erstaunt sein über die Kürze, mit der das für die Betrachtung notwendige Wissensgebiet mit einigen lapidaren Sägen abgetan wird. und worauf zielen dann drei folgende Spalten mit engen Zeilen? Auf den Nachweis, daß, von Aus­wüchsen" abgesehen, die moderne Frau genau dasselbe ge­blieben ist, was sie war: die mit Hausfrauentugenden be­gnadete, mütterliche Frau! Wie selbstverständlich verstehend muten aber die zwischendurch eingeflochtenen Sätze an, die ich ebenfalls wörtlich hier folgen lasse, und die der Be. weis der Umstellung sind, die sich in der Ge­dankenwelt der Katholiken vollzieht:

vom Arm und räumte mir ihren Platz am Fenster ein in dem alten wurmftichigen Großbaterstuhl, in dem ich als Kind so oft geträumt hatte.

Hier bei der Mutter, in der Welt meiner Kindheit, in diesem traulichen Stübchen, wo ich so oft auf den Knien meines Vaters fitzend deffen einfachen Erzählungen gelauscht hatte, schmolz die Starrheit von meiner Seele und ich ließ den Tränen freien Lauf. Nach einigen Tagen tam mein Mann. Wiederholt wurde er von der Mutter zurückgewiesen, aber schließlich erhielt er mit meiner Einwilligung den gewünschten Einlaß. Er tam, um mich um Verzeihung zu bitten und wünschte, daß ich wieder zu ihm fäme, wobei er hoch und heilig schwor, sich zu bessern. Nie sollte ich mehr über ihn zu klagen haben. Die Folge war, daß ich, dem Rate meiner Mutter entgegen, wieder zu ihm ging.

Er war auch wie umgewandelt; ich konnte mich nicht über ihn beklagen. Aber eine andere Sorge trat ein die Arbeit mangelte. Wir waren genötigt, Sachen zu versehen, die nicht wieder ein­gelöst wurden. Zuweilen war ich auch wieder genötigt, meinen Mann aus der Sneipe zu holen. Dazu kam das schmerzliche Be­wußtsein: ich fühlte mich abermals als Mutter.- ( Fortsetzung folgt)

Kampf aus Güte

Menschengüte ist das Schönste. Trotz des scheinbaren Wider­spruchs schließen Güte und Kampf einander nicht aus. Es gibt sogar eine Güte ich nenne sie die einzig wahre-, die Kampf geradezu verlangt. Das ist jene Güte, die nicht ruhen fann, wenn andere bluten oder hungern müssen. Der Kampf aus Güte aber will allen Menschen die Möglichkeit schaffen, gütig und froh zu sein und den aufgezwungenen Haß abzuwerfen. Sozialismus ist Güte! Cozialismus verlangt Kampf!

Franz Osterroth .