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Die Gleich beit

England. Auf Grund der Konferenz der Internationalen Ar­beiterbewegung und der Liga für Völkerbund, die im November borigen Jahres in Washington   abgehalten wurde, beschäftigte sich das englische Parlament mit einer Gesezesvorlage zum Schutze der Frauen und jugendlichen Arbeiter vor Bleivergiftungen. soll ein Beschäftigungsverbot für Frauen und Jugendliche ein geführt werden in allen Produktionszweigen, in denen Blei ver­arbeitet wird.

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Die ständige Kommission der industriellen Frauenorganisation in England, die eine Million arbeitender Frauen vertritt, hat laut einer Veröffentlichung der Arbeiterpresse eine Resolution gefaßt, in der sie gegen den Krieg mit Rußland   protestiert. Die Resolution verlangt sofortigen Frieden und die Wiederaufnahme der Handelsbeziehungen.

Die englischen Zeitungen berichten, daß die während des Krieges eingeführte Frauenpolizei sich als so tüchtig erwiesen habe, daß man sie in den dichter bevölkerten Stadtbezirken beibehalten wird, wo sie zum Schuße der Frauen und Kinder eine Notwendigkeit geworden sind.

Dänemark  . Frau Elna Munch ist zum dritten Male ina dänische Parlament gewählt worden.

Italien  . In Rom   starb im Alter von 84 Jahren die Begrün­derin der italienischen   Frauenbewegung, Anna Maria   Mozzoni. Seit 1865 arbeitete sie für die Bewegung als Dozentin und Schriftstellerin und verfügte über ein reiches Wissen. Jda Braun.

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Das Frauenwahlrecht in Amerika  .

Eine Freudennachricht aus Amerika  : Tennessee   hat als 36. nord­amerikanischer Staat das Wahlrecht angenommen. Damit ist die Gewährung des Frauenwahlrechts für sämtliche Vereinigte Staaten  zu der die Zustimmung von 36 Staaten erforderlich ist ge fichert. Die Frauenbewegung hat einen neuen wichtigen Erfolg

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errungen.

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Das Frauenwahlrecht ist den Amerikanern nicht so leicht in den Schoß gefallen wie ihren deutschen   Schwestern. Gewaltige Kämpfe und Anstrengungen hat es gefoftet. Schritt für Schritt, in müh feligem Ringen wurde ein Staat nach dem anderen erobert. Vis nun endgültig der Sieg gewonnen ist.

Ursprünglich übten die amerikanischen   Frauen das Wahlrecht genau so wie die Männer aus. Als 1783 fich 13 Staaten zu­sammenschlossen, hatten nur 4 das Wahlrecht auf die Männer be­schränkt: Virginia   1699, Newhorf 1777, New Hampshire   1784 und Massachusetts   1780. Jn den anderen bestand das Wahlrecht prat­tisch für die Frau als freigeborene Einwohner, Steuerzahler und Haushaltungsvorständen".

Als aber 1787 auf dem Kongreß zu Philadelphia   die Frauen den Antrag stellten, das Frauenwahlrecht ausdrücklich in die Ver­fassung aufzunehmen, da hatten sie den Erfolg", daß auch die übrigen neun Staaten die Frauen vom Wahlrecht ausschlossen, indem sie das Wörtchen man"(= Mann) in die Wahlgejeze ein­schoben.

Erst 1848 jepte eine ausgesprochene Frauenstimmrechtsbewegung in Amerika   ein. 1869 wurde der erfte Erfolg erzielt: Wyoming  gab den Frauen das politische und kommunale aktive und paſſive Wahlrecht. Im nächsten Jahr folgte Utah  . Dann kam eine große Pause. Erst 1893 folgte Colorado   als 3., 1896 Idaho   als 4. Staat. In Kansas   hatten die Frauen das Gemeindewahlrecht seit 1887. 1914 hatten erst 10 nordamerikanische Staaten das Frauenwahl recht angenommen. Man sieht, wie langjam die Bewegung vor dem Krieg, wie über alle Hoffnungen und Erwartungen schnell die Entwicklung während und nach dem Kriege zugunsten der Frauen vorgeschritten ist.

Von den Präsidenten wurden die Frauen wenig unterfügt. Zwar beschäftigten sich Garfield, Hayes und Cleveland   mit der Frage, und die beiden letzten unterstügten Anträge zugunsten des Frauenwahlrechts. Aber wirklich eingetreten für die Frauen sind nur zwei: Abraham Lincoln  , der das Wahlrecht allen Weißen" geben wollte, die Steuern zahlen oder Waffen tragen, ohne die Frauen davon auszunehmen", wie er in einem Brief an seine Wähler 1836 schrieb, und Theedor Roosevelt, der im Staatsparla ment von Newport   dafür eintrat und sich 1899 öffentlich dafür,

aussprach.

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Welchen Umfang die Frauenbewegung in den Vereinigten Staaten   angenommen hat, beweist am besten wohl die Mitglieder zahl der Frauenstimmrechtsvereinigung, die 1909 etiva 100 000

betrug.

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Von Interesse dürfte es noch sein, wie Käthe Schirmacher   in ihrem Buch über die Frauenbewegung mitteilt, daß der sehr leb hafte Frauenstimmrechtsfeldzug im Staat Oregon   1906 hauptsäch lich an dem Widerstand der Alkohol- und Bordellfreunde ge­scheitert ist!

Im März 1917 zog die erste Frau in das Repräsentantenhaus ein: Miß Jeanette Hantin. Sie hatte mit 7000 Stimmen über ihre fieben männlichen Gegenstandidaten gesiegt.

Befannt wird es noch sein, daß Mig Rantin bei der Abstim­mung über den Eintritt Amerikas   in den Weltkrieg als einzige Frau, die im amerikanischen   Parlament saß, den Mut hatte, gegen den Krieg zu sprechen und zu stimmen.

Wir beglückwünschen die amerikanischen   Frauen zu ihrem Sieg, der auch auf die anderen Länder zurückwirken und dazu beitragen wird, die Befreiung der Frau zu beschleunigen.

Kurt Heilbut. Aus London   wind gemeldet: Die bekannte Vorfämpferin des Frauenwahlrechts Mig Pankhurst ist vor kurzem nach Rußland  abgereist und befindet sich auf dem Wege nach Moskau  . Vor ihrer Reise gab fie an, daß sie mit Lenin   über die Errichtung einer britisch- kommunistischen Partei beraten will.

In Moskau   wurde der erste internationale Kongres Tom munistischer Frauen eröffnet. In das Präsidium des Kon gresses sind u. a. gewählt worden: Katta Dalystren( Schweden  ). Roja Feldscheidt( Deutschland  ) und eine Delegierte für den Orient. Zum Ehrenvorstand wurden gewählt: Frau Kollantai, Klara Zetkin   und M. Balabanova.*

In Campden( England) ist vom englischen Aderbauministerium eine eigene Hochschule eingerichtet worden zur Unterweisung der Frauen in der Marmeladenbereitung. Es wird dort die gesamte Obst- und Gemüsegubereitung in frischem und konserviertem Zu stande gelehrt. Der Unterricht erfolgt in drei getrennten Grup pen, für Schülerinnen, die sich die betreffenden Kenntnisse nur für den Hausgebrauch aneignen wollen, für solche, die die er­worbenen Kenntnisse beruflich verwerten wollen, und für die jenigen, die später den Beruf als Obst- und Gemüsekonservie­rungslehrerin ergreifen wollen.

Wohlfahrtspflege

Stadtfinder auf dem Lande.

Von Helene Cohn, Halberstadt  . Ferien! Dieses Wort läßt alle Kinderherzen höher schlagen. Bedeuten doch Ferien Fresheit für unsere Jugend. Leider müssen unsere Proletarierkinder gar zu oft in engen Straßen und Stuben bleiben und meist noch während der schulfreien Zeit auf Erwerb ausgehen. Die Zahl der Kinder, die Verwandte auf dem Lande besuchen dürfen, um sich zu erholen, ist gar zu gering und noch geringer ist der Prozentjazz der Kinder, die von den Kommunen in Ferienheime gesandt werden.

Aus diesem Grunde hat der Ausschuß für Arbeiter wohlfahrt in Halberstadt   nach seiner Gründung es als eine der ersten und wichtigsten Aufgaben angesehen, sich der Für sorge für die Jugend zuzuwenden und sich der Kinder anzus nehmen, die unter den schlechten Ernährungsverhältnissen unserer Zeit zu leiden haben.

Wir waren uns bald darüber klar, daß, wenn wir den Kindern Hilfe bringen wollten, wir uns nicht auf den Beistand anderer großer Hilfsorganisationen im In- und Ausland verlassen duri ten, sondern daß es für uns, wenn wir wirklich etwas schaffen wollten, heißen müsse: Silf dir selbst!"

In Befolgung dieses Grundjates juchten wir nun in den Reihen der eigenen Parteigenossen Unterstügung. Wir wandten uns an die auf dem Lande wohnenden Genossen, mit der Bitte, während der bevorstehenden Sommerferien Kinder von Genossen aus der Stadt bei sich aufzunehmen. Durch Vermittlung der örtlichen Organisationen unseres Pezirks ließen wir Aufrufe verbreiten, in denen wir den Genossen auf dem Lande die Not der Kinder. die das ganze Jahr über Stadtluft atmen müssen, vor Augen führten. Wir betonten die Unmöglichkeit, diese mittelfosen Stinger während der Ferien zur Erholung und Kräftigung hinauszusenden, wiesen aber auf einen Weg hin, ihnen die so dringend erwünschte Erholung zu verschaffen. Dieser Weg bestände darin, daß sich Genossen auf dem Lande bereit erklärten, sofern es ihnen möglich jet, Stadtfinder bei sich aufzunehmen. Mit großem Verſtändusz für diese Idee famen uns die Genossen auf den Dörfern ent gegen. Es meldeten sich binnen furzer Zeit so viel opferwillige