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daß die Mietstener, die der Regierungsentwurf vorsicht, den größten Teil der Arbeitnehmer zu sehr belasten und das Wohnungselend dadurch noch größer wird. Zu einer Mietelurus steuer ist mehr Neigung, weil in der Tat noch reichlich große Wohnungen einzelnen Wohnungsinhabern zur Verfügung stehen, von einer Wohnungsnot hier also nichts zu spüren ist. Man will die Wohnräume ratio nieren und wer darüber hinaus Räume bewohnt, der soll für die überschüssigen Räume zahlen. In Ermsleben  ( Nordhausen  ) hat man bereits eine Zimmersteuer beschlossen und zwar wie folgt:

Jeder Hausbesitzer oder Mieter hat für überschießende Bimmer eine Steuer zu entrichten. Frei sind eine Stube, eine Schlafstube, eine Küche, ferner für jedes über 18 Jahre alte Familienmitglied ein Raum. Für ein überschießendes Bimmer find 24 Mt., für zwei Zimmer 120 Mt., für drei Zimmer 860 M., für vier Zimmer 900 m., für fünf Zimmer 1800 Mark, für sechs Zimmer 3600 Mt., für sieben Zimmer 4200 Mark mehr vom 1. April rückwirkend zu zahlen.

So wird die Aufbringung der Mittel für die Neubauten, einerlei ob diese in der Stadt oder auf dem Lande errichtet werden, die Partei zu einer Entscheidung zwingen. Hoffen wir, daß sie zur Zufriedenheit der Allgemeinheit gefällt wird. Johanne Neiße.

Zur Frauenkonferenz in Cassel

Von Stadtrat Dr. Caspari( Brandenburg a. d.   H.) Die am 9. Oktober d. I. in Kassel   tagende Reichsfrauen. konferenz der sozialdemokratischen Partei wird zu grundsäß lichen Fragen der Wohlfahrtspflege und insbesondere der Jugendwohlfahrt Stellung zu nehmen haben. Die Wohlfahrts­pflege hat zur Aufgabe, die Allgemeinheit in ihrem Gedeihen durch fürsorgliche Maßnahmen zu fördern. Aufgabe der Sozialdemokratie ist es, den Kreis dieser fürsorglichen Maß­nahmen näher zu bezeichnen und die Gesetzgebung bestimmend zu beeinflussen, daß sie mehr als bisher zur Wohlfahrtsgesetz­gebime wird, wobei allerdings, was auch in unseren Kreisen

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fassern auch ich gehöre. Soweit bekannt, hat dieser Entwurf endgültig den Reichsrat noch nicht beschäftigt und ist auch somit dem Reichstag   noch nicht zugegangen. Möglich, daß finanzielle Bedenken in erster Linie hier hemmend entgegen­stehen. Nicht minder wahrscheinlich ist aber, daß manchen Kreisen eine Reihe von Bestimmungen des Entwurfes nicht gefallen. Wie verlautet, sollen bestimmte Teile des Entwurfs einen zu stark ,, sozialistischen  " Anstrich haben. Um so schärfer, Flarer und eindeutiger werden wir unsere Forderungen auf dem Gebiete der Jugendwohlfahrt zu stellen haben. An die Spitze werden wir den Satz stellen, daß jedes deutsche Kind ein Recht auf körperliche, geistige und sittliche Erziehung hat, das ihm nicht verfümmert werden darf und über dessen Durchführung die Jugendwoh­fahrtsbehörden, die Jugendämter, zu wachen haben. Daraus folgt die weitere Forderung der Errichtung von Jugendämtern im ganzen Deutschen Reiche, von Landesjugendämtern und eines Reichsjugendamtes. Nicht alle unsere Forderungen auf dem Gebiete der Jugendwohlfahrt kann ich an dieser Stelle darlegen. Dies muß meinem Referat in Raffel vorbehalten bleiben; nur auf einige sei hingewiesen: Schutz der Pflegekinder, Ausbau der Berufsvormundschaft, andere öffentliche Unterstützung hilfsbedürftiger Min­derjähriger als bisher, Umgestaltung der Fürsorge­erziehung, gefeßliche Ausgestaltung der Schutzauf­ficht. Im Zusammenhang damit steht das Verlangen nach gründlicher Revision des Rechts der unehelichen Kinder, des weiteren des Jugendstrafrechts, das wir zu einem Jugendbesserungsrecht auf dem Wege der Jugenderziehung machen müssen. Ernst und inhaltreich wird dieser Punkt der Tagung der sozialdemokratischen Frauenkonferenz sein. Aber unsere Arbeit soll ja nur als Mittel zum Zweck dienen, zit dem Zweck nämlich, der uns Sozialdemokraten verpflichtet, aus Achtung vor der Heiligkeit des Menschenlebens des Aeußerste und Letzte zu tun, um jedes Menschenleben zu schützen, es vor geiftiger, förperlicher und sittlicher Not zu bewahren.

nicht verkannt werden darf, die gegenwärtige Finanzlage des Die Reform der Reichsversicherungs­

Reichs, der Länder und der Gemeinden nicht außer Betracht bleiben darf. Aber hier dürfte es vielleicht auch noch andere Wege geben, Wege der Selbsthilfe aus den Reihen der deut­schen Arbeiter, Angestellten und Beamten, um die schwierige Aufgabe der Gegenwart auf sozialem Gebiet zu überwinden und der Zukunft neue bahnbrechende Wege zu weisen. Wenn es wahr ist, daß Clemenceau   bei den dem Versailler Vertrage borangegangenen Verhandlungen auf einen Einwurf hin ge­sagt habe, daß der Friedensvertrag auch durchzuführen sei mit dem Opfer des Untergangs von 16 Millionen Deutschen  , so müssen wir dem Ausland beweisen, daß der soziale Geist, der die Erhaltung jeden Menschenlebens, fordert und der als Aufgabe der Kultur in erster Linie den Schuß der Schwachen sicht, stark genug ist, nicht nur 16 Millionen Deutsche   sterben, sondern menschenwürdig leben zu lassen, auf daß wir vor der Geschichte bestehen können. Es versteht sich von selbst, daß die deutsche Sozialdemokratie dem deutschen   Volk hier als Bahnbrecherin voranzugehen hat.

Wir werden uns auf der Frauenkonferenz gründlich zu be­schäftigen haben mit der Abgrenzung der Wohlfahrtspflege von der sogenannten Wohltätigkeit. Wir werden weiter die bestehenden Wohlfahrtsgesetze kurz Revue passieren lassen, um den Standpunkt der sozialdemokratischen Frauen Deutschlands  zu ihnen festzustellen, Morsches beiseite zu werfen und Neuem die Richtung zu weisen. Was aber liegt der Frau näher als die Zukunft der deutschen Jugend? Frauen und Jugend, Mutter und Kind, ihr Schuß und ihr Gedeihen müssen in der deutschen Republik in noch ganz anderer Weise als bisher gewährleistet werden.

Es ist bekannt, daß seit Monaten im Reichsamt des Innern ein Jugendwohlfahrtsgeschentwurf vorliegt, zu dessen Ber­

ordnung

Mutterschaftsversicherung.

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In der Mutterschafts- und Säuglingsfürsorge liegen- wie auf so vielen anderen Gebieten zwei Aufgaben vor uns. Auf der einen Seite unsere Zukunftsforderungen, die unser Staatswesen oder, besser gesagt, unsere Volks­gemeinschaft erst zu einer sozialistischen   machen sollen, auf der anderen die Beseitigung der augenblidlichen Not, wie sie angesichts unserer wirtschaftlichen und politi­schen Verhältnisse möglich ist.

Ueber das erstere hat die Genoffin Pfiff in ihrem Artikel zur Erneuerung des Parteiprogramms das nötige gesagt. Was sie als Ausdruck der Anerkennung der in der Mutter­schaft liegenden staatsbürgerlichen Leistung der Frau fordert, ist das von uns als Frauen, vor allem als Sozialdemokraten zu erstrebende Ziel, soll die Mutterschaft nicht einseitig eine schwere Last der Mutter darstellen.

Mit der Lösung der zweiten Frage aber, der Beseitigung der jetzt bestehenden Notlage, werden wir nicht warten fön­nen, bis dieses Ziel erreicht ist. Sie muß sofort in An­griff genommen werden. Seit einem Jahre haben wir in Deutschland   die Reichswochenhilfe. Sie ist ein Vorteil gegen­über dem früheren, durch die bürgerliche Reichstagsmehrheit verschuldeten Zustande, in dem Staat und Gesellschaft die Anerkennung der Mutterschafts- und Säuglingsfürsorge über­haupt ablehnten; fie ist aber ein arger Notbehelf auf dem Wege zu einer wirklichen Fürsorge. Bei Verabschiedung der Verordnung über Wochenhilfe und Wochenfürsorge in der Nationalversammlung habe ich am 19. August des vorigen Jahres als Berichterstatterin des sozialpolitischen Ausschusses