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im Namen aller Parteien aussprechen können, daß diese Ver­ordnung lediglich eine Notverordnung darstelle und daß an ihre Stelle so schnell wie möglich anläßlich der Reform der Reichsversicherungsordnung eine weitgehende Mutterschafts­versicherung treten müsse. Ich habe damals auch darauf hingewiesen, daß der Ministerpräsident in seiner Rede vom 23. Juli 1919 bereits eine derartige Reform der Reichsver­ficherungsordnung in Aussicht gestellt habe. In dem seitdem vergangenen Jahre haben wir von der Reform der Reichs­versicherungsordnung nichts mehr gehört; es ist deshalb an der Zeit, daß diese Arbeit ganz energisch gefordert wird. Leicht ist diese Arbeit nicht; ein Werk von 1805 Paragraphen muß so geändert werden, daß es wirklich sozialen Geist atmet, daß es eine Fürsorge für alle Notfälle des Lebens darstellt. Man kann zweifelhaft sein, ob eine solche Reform überhaupt möglich oder zweckentsprechend ist, oder ob es nicht richtiger wäre, diese ganze Reichsversicherungsordnung, die nach§ 1 die Krankenversicherung, die Unfallversicherung, die Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung umfaßt, ver­schwinden und an ihre Stelle Fürsorgeeinrichtungen treten zu Lassen, deren Kosten durch Einkommensteuern aufzubringen

wären.

Interessant ist in dieser Beziehung, daß die drei in dem Buche über die Erneuerung unseres Parteiprogramms von Sozialpolitikern erschienenen Artikel, so sehr sie in dem Ziele einig sind, doch in Bezug auf den Weg zu diesem Ziele aus­cinandergehen.

Mit dem Genossen Hoch bin ich der Ansicht, daß der ein­fachste und logischste Weg der bereits oben angedeutete einer Fürsorge des Reiches wäre; aber mit dem Genossen Hermann Müller möchte ich sagen: Zunächst dürfte daran leider nicht zit denken sein, obgleich darauf hinzuarbeiten ist." Wenn Ge­nosse Müller als ein Beispiel dafür, daß schon heute das Neich zum Teil Leistungen übernimmt, ohne Gegenleistungen zu erhalten, die Wöchnerinnenunterstützung anführt, so bin ich der Ansicht, daß auch auf diesen Gedanken weiter aufgebaut werden muß.

Wenn ich in kurzen Zügen meine Gedanken über den näch­ften Schritt zu einer Mutterschaftsfürsorge ausspreche, so ist es mein Wunsch, daß dadurch ein Meinungsaustausch über die Frage überhaupt hervorgerufen wird; denn diese nicht nur für die Frauen, sondern ebenso für die Erhaltung und Ge­sundung des ganzen Boltes so wichtige Frage in wirklich sozialer Weise zu lösen, muß eine Aufgabe der nächsten 3u

funft sein.

Wird durch eine Reform der Reichsversicherungsordnung die Krankenversicherung so ausgedehnt, wie wir es anstreben, das heißt auf alle durch Krankheit in Not geratenden Mit glieder der Bevölkerung, so könnte die Mutterschaftsfürsorge ihr, wie jetzt, angegliedert bleiben. Unterscheiden möchte ich aber bei der Mutterschaftsversicherung zwei Arten von Lei­stungen:

1. Die Entschädigung für entgangenen Arbeitslohn; 2. die Fürsorge für die Pflege der Mutter und des Kindes. Der Kreis der Anspruchsberechtigten wäre natürlich so weit wie möglich zu ziehen, das heißt, es muß iede Frau erfaßt werden, deren Einkommen eine je nach unseren Geldverhält­nissen festzusetzende Grenze, die diese Fürsorge tatsächlich un­nötig macht, nicht übersteigt.

Zwecks Beschaffung des Geldes ist eine Zwangsversicherung für jede Frau und jeden Mann einzuführen, welche über ein, die oben gedachte Grenze nicht übersteigendes Einkommen ver­fügen. Auf diese Weise müßte ein Drittel der notwendigen Mittel beschafft werden; ein weiteres Drittel wäre seitens der Arbeitgeber zu tragen und das letzte Drittel seitens des Reiches.

Dafür erhält:

1. Jede Frau, die bis zum Beginn der Unterstützung gearbeitet, also auch Beiträge ge­zahlt hat,

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eine Schwangerenunterstügung für 8 Wochen vor der Ent­bindung,

und ein Wochengeld für 8 Wochen nach der Entbindung. Diese Leistungen sind je nach der Höhe der Beitragsleistun gen verschieden; doch soll die Abstufung von sozialem Geist getragen sein.

Außerdem

2. jede Wöchnerin folgende, für alle gleiche Leistungen:

Schwangerengeld für 8 Wochen vor der Entbindung, Wochengeld für 8 Wochen nach der Entbindung, Säuglingsfürsorge für 26 Wochen.

Beschaffungsbeihilfe für Anschaffungen für die Mutter und das Kind.

da ich die Anstellung der Hebammen seitens des Reiches und Hingegen fällt der jetzige Entbindungskosten- Beitrag fort, da ich die Anstellung der Hebammen seitens des Neiches und ihre unentgeltliche Zurverfügungstellung ebenfalls für eine schnellmöglichst zu erfüllende Forderung halte, die mit obiger Fürsorge Hand in Hand gehen muß. Notwendige Arzthilfe muß seitens der Krankenkasse gewährt werden.

Ebenso möchte ich, wie schon oben angeführt, das Stillgeld umwandeln in eine Säuglingsfürsorge, da der Gedanke, das Stillen der Mütter durch das Stillgeld zu propagieren, doch eine Härte gegenüber allen Müttern, die wirklich nicht stillen können, zu enthalten scheint. Das Kind, das durch die Entziehung der Muttermilch benachteiligt ist, braucht um so mehr eine Fürsorge in anderer Weise.

Ich bin mir klar darüber, daß schon die Durchführung des hier Dargelegten bei unserer Notlage große Schwierigkeiten machen wird, weiß aber auch, daß sie nur eine Etappe sein wird auf dem Wege einer wirklich befriedigenden Fürsorge für Mutter und Kind. Louise Schroeder .

Das Recht der unehelichen Mutter! ( Bur Reform des Bürgerlichen Gesetzbuches .) Es gilt, rechtzeitig Stellung zu nehmen zu der Reform des BGB. in allen seinen Teilen. Naturgemäß werden wir Frauen den Abschnitten und Paragraphen ein großes Interesse zuwenden, die sich mit der Stellung und Wert­schätzung der Frauen beschäftigen. In diesen Ausführungen sollen aber nur Absäte herausgegriffen werden, die, das un­eheliche Kind und die uneheliche Mutter etwas angehen. Ich schicke voraus, daß Verbesserungsvorschläge im engsten Sinne hier nicht gemacht werden sollen. Ich will nur an einigen Beispielen aufzeigen, wo die Verfassung und die BGB. ­Bestimmungen sich stoßen.

Im Artikel 121 der Weimarer Verfassung heißt es:

Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche, seelische und gesellschaft­liche Entwicklung zu schaffen wie den ehelichen Kindern. Jm§ 1705 des BGB . heißt es aber:

Das uneheliche Kind hat im Verhältnisse zu der Mutter und zu den Verwandten der Mutter die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes.

Hier ist also ausgesprochen, daß das uneheliche Kind nur mütterlicherseits Verwandte hat, nicht aber väterlicherseits. Es muß also im neuen BGB. die Einseitigkeit der mütter­lichen Verwandtschaft aufgehoben und dem Saße der Ver­fassung Geltung verschafft werden.

Der§ 1707 des BGB . heißt:

Der Mutter steht nicht die elterliche Gewalt über das unehe­liche Kind zu. Sie hat das Recht und die Pflicht, für die Person des Kindes zu sorgen; zur Vertretung des Kindes ist sie nicht berechtigt. Der Vormund des Kindes hat, soweit der Mutter die Sorge zusteht, die rechtliche Stellung eines Beistandes.

Es soll meine Aufgabe nicht sein, über die Form und Sprache des ebengenannten Paragraphen meine Glossen zu machen.