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Die Gleich beit

in der Woche von 7-9 Uhr geöffnet. Es fönnen hier Frauen und junge Mädchen ihr Zeug flicken und neue Sachen nähen lernen. Nähmaschinen, die der Fortbildungsschule gehören, sind uns be­reitwilligst zur Verfügung gestellt worden. Außerdem wird wäh­rend dieser Stunden reparaturbedürftiges Zeug angenommen, welches gegen Vergütung der Selbstkosten ausgebessert wird. Als Entschädigung für Licht, Miete und Maschinenbenutzung werden 50 Pf. pro Abend erhoben. Mit der Leitung der Flick- und Näh­stube sind zwei unserer Genossinnen beauftragt. Wir haben die Gebiete geteilt, indem eine Genossin die technische Leitung hat, während die andere die kaufmännischen Geschäfte erledigt. Es hat sich gezeigt, daß diese Einrichtung eine segensreiche ist. Ein großer Teil junger Mädchen besonders nimmt an den Stunden teil. Auch für die erwerbstätige Hausfrau bietet die Stube große Vor­teile. Sie kann sämtliche Sachen und Wäsche gegen billiges Geld ausbessern, aus Altem Neues herstellen lassen. Eine Nähmaschine anzuschaffen, bedeutet in der heutigen schweren Zeit eine Unmög­lichkeit. Deshalb muß alles versucht werden, besonders der ärmeren Bevölkerung eine Erleichterung zu schaffen. Hoffen wir auf ein gutes Gedeihen dieser Einrichtung! Wir Schiffbeker Ge­noffinnen fügen noch den Wunsch hinzu, daß sie in anderen Orten Nachahmung finden möchte. Frieda Lüdemann.

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Neu- Ulm , Bayern . Nach einer Kleinen Ferienpause nahm die soziale Frauengruppe Neu- Ulm am 8. September die Arbeit wieder auf mit einem Vortrag über Die Mit­wirkung der Eltern in den Schulpflegschaf ten"*. Die diesbezügliche Verordnung vom 28. August 1919 des damaligen Stultusministers Genossen Hoffmann über die Schulpflege lag dem Vortrag zugrunde. Es wurde Wert darauf gelegt, nachzuweisen, daß die ganze Verordnung beseelt ist bon dem heißen Wunsche, ein verständnisvolles, auf gegenseitigem Vertrauen beruhendes Zusammenwirken zwischen Familie und Schule herbeizuführen. Daß und wie dieses Biel gerade durch die Elternvertreter, diese bisher unbekannten Mitarbeiter im Schulwesen, erreicht werden könne, wurde an den drei Gegenständen des sächlichen Schulbedarfs, der Schulfürsorge und der Schulversäumnisse gezeigt. Aus den richtigen Leuten zu­sammengesetzt( Teilnahme der Eltern an den bezüglichen Wahlen!), vermögen die Schulpflegschaften Werkzeuge des sozialen Ge­bankens und somit ein Segen gerade für die unteren Volksschichten zu werden.

In der Diskussion gab ein anwesender Elternvertreter, Genosse Böhm, Beispiele aus seiner Erfahrung, wie unverantwortlich manche Eltern ihre Kinder vom Schulbesuch fernhalten; so habe 3. B. ein Vater als Entschuldigung vorgebracht, daß er seinen Buben zum Sammeln von Zigarrenstummeln gebraucht habe, weil der Tabak so teuer sei!

Eine Anfrage über das achte Schuljahr wurde dahin be­antwortet, daß dies in der Reichsverfassung Art. 145 grundsätzlich festgelegt, im übrigen jedoch der Schulgesetzgebung der einzelnen Länder überlassen sei. In Bayern sei mit starken Widerständen, insbesondere von seiten der Landwirtschaft zu rechnen. Die So­zialdemokratie stehe jedoch auf dem Standpunkte, daß die Jugend ihr eigenes unantastbares Recht auf ein möglichst hohes Maß von Wissen und Können habe und daß sie in diesem Recht von niemand, auch von den eigenen Eltern nicht geschmälert werden dürfe. Getreu dem Grundsatz: Wissen ist Macht", und ,, Bildung macht frei", wevde deshalb das achte Schuljahr an der Sozialdemokratie jederzeit eine warme Fürsprecherin haben. Erfreulicherweise hatten sich viele parteifremde Mütter zu dem Thema des Abends eingefunden, ebenso einige Lehrerinnen der Volksschule, und in der Pause zwischen Vortrag und partcipolitischem Teil entwickelte sich eine lebhafte Unterhaltung über alle diese Fragen mit ein Beweis dafür, daß die obige Verordnung nicht am grünen Tisch ersonnen ist, sondern einem tatsächlichen Bedürfnis begegnet. Als die Zeit zum Schluß gekommen war, ergriff die Vorsitzende, Genoffin Renz, einem launigen Einfall folgend, den vor ihr liegen den Blumenstrauß, ein Geschenk des Abends, um ihn derjenigen Genossin anzutragen, die sich zur Bestellung der Gleichheit" mel­den würde. Tatsächlich fanden sich der Liebhaberinnen sogar zwei. Mögen nun die Gäste des Abends den Eindruck gewonnen haben, daß wir in der sozialen Frauengruppe vom ernsten Willen zu auf­

* Die Einrichtung der bauerischen Schulpflegschaften" ent­spricht im wesentlichen derjenigen der Elternbeiräte in Preußen. Die Ned.

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bauender Arbeit beseelt sind und mögen sie, wenigstens einige bon ihnen, diesem Eindruck die folgerichtige Tat folgen lassen: den Beitritt in unsere Reihen. Anna Pfänder.

Nicht bettelu, nicht bitten, Nur mutig gestritten,

Es tämpft sich nicht schlecht Für Freiheit und Recht!

Rinteln . Ein wenig Mut gehörte schon dazu, das habe ich ge merkt. Auch Geduld! Nach und nach habe ich mir beides angeeignet. Und nun ging's los. Treppe auf, Treppe ab. Von Tür zu Tür. Oft fand ich gut vorbereiteten Boden, sehr oft aber predigte ich tauben Ohren. Dann mußte die Geduld herhalten. Oft wurde sie auf eine harte Probe gestellt. Nicht immer reichte die Geduld. Dann mußte der Mut heran. So habe ich umschichtig mal mit Geduld, mal mit Mut Werbedienst verrichtet. Der Erfolg war mir Lohn genug. Unsere Mitgliederzahl hat sich innerhalb 3 Wochen von 45 auf 130 erhöht. Wenn man bedenkt, daß unser Bezirk ein ländlicher ist, in dem noch sehr viel Aufflärungsarbeit geleistet werden muß, ist der Erfolg um so freudiger zu begrüßen. Wir richteten dann sehr bald unsere Leseabende ein, welche bislang gut besucht waren. Wie sehr die Frauen der Aufklärung bedürfen, geht aus den Fragen hervor, die an den Abenden von den Genossin nen gestellt werden. Daß unsere Frauen voran wollen, kann man aus folgendem ersehen: Auf meine Anregung hin, einen Frauen­gesangverein zu gründen, haben sich 57 Mädchen und Frauen ge-­meldet, und wir konnten mit den Uebungen beginnen. So geht es Schritt für Schritt weiter. So jung unsere Ortsgruppe auch ist, haben wir doch schon einige Erfolge zu verzeichnen.

In der am Orte bestehenden Wirtschaftskommission waren bis­her nur Männer vertreten. Das war uns schon längst unange nehm. Auf Beschluß hat dann unser Vorstand ein Schreiben an den Vorsitzenden der Wirtschaftskommission gerichtet, mit dem Verlangen, zwei unserer Genosfinnen in die Wirtschaftskommission aufzunehmen. Dasselbe geschah mit der ebenfalls schon bestehen. den Preisfestsehungsfommission. In beiden Fällen hat man uns unser Recht zuerkannt und wir haben nun in beiden Kommissio­nen Genossinnen, von deren Mitarbeit mir uns Gutes versprechen. Wir sind mit dem Erfolg aber noch nicht zufrieden. In unserem Orte gibt es noch mehr solcher Kommissionen, zu welchen die Frauen bislang keinen Zutritt hatten. Das soll und muß anders werden. Wir lassen uns nicht mehr beiseite schieben. Hat man uns als freie Menschen gestempelt, dann wollen wir aber auch überall da, wo die Männer sich frei betätigen, mitreden und be­raten. Wie bei uns, wird es noch in vielen anderen Orten sein. Diese Uebelstände müssen beseitigt werden. Da gibt es Arbeit für uns Frauen. Nicht nachlassen, immer wieder dagegen an­fämpfen, bis man uns unser Recht gibt. Macht es wie wir. Nehmt Euch den obenstehenden Spruch als Vorbild und wagt es! Minna Rubig, Rinteln .

Rundschau

Krüppelfürsorge

Mit dem 1. Oftober 1920 tritt das Gesek über die öffentliche Krüppelfürsorge in Kraft. Auf Grund dieses Gesetzes sind die Landarmenverbände( Provinzialverband) verpflichtet, auch für Bewahrung, Kur und Pflege der hilfsbedürftigen Krüppel, soweit sie der Anstaltspflege bedürfen, in geeigneten Anstalten Fürsorge zu treffen. Bei Krüppeln unter 18 Jahren umfaßt diese Fürsorge auch ihre Erwerbsfähigkeit. Die Fürsorge für Krüppel unter 18 Jahren, die nicht der Anstaltspflege bedürfen, und die Maß­nahmen zur Verhütung der Verfrüppelung gehören zu den Auf­gaben der Land- und Stadtkreise. Ein jeder von diesen hat eine Fürsorgestelle für Krüppel zu schaffen oder sich einer solchen an­zugliedern. In dieser Fürsorgestelle wird Beratung für Strüppel oder für solche Personen unter 18 Jahren erteilt, die der Gefahr der Verkrüppelung ausgesetzt sind. Die Beratungsstelle beantragt die Einleitung der notwendig erscheinenden Maßnahmen, deren Stosten der zuständige Ortsarmenverband bzw. später der Land­armenverband übernimmt. Das Gesetz hat für Kreisärzte, Aerzte, Hebammen sowie für Lehrer und Lehrerinnen und für Kranken­pflegepersonen und sonstige Fürsorgeorgane Anzeigepflichten ge­schaffen und mit Strafandrohung versehen. Die Anzeige ist gut richten an den staatlichen Kreisarzt, in dessen Bezirk der Krüppel wohnt bzw. sich aufhält. Der Streisarzt gibt die Anzeige weiter an die Fürsorgestelle. Die Anzeige fann in einfachster Form er­folgen, z. B. durch Postkarte, muß aber Namen( womöglich auch Bornamen) des Strüppets, jein ungefähres Lebensalter und seinen