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Die Gleich beit

Die Referentin bezeichnete als fittlich allein die auf voller Selbstverantwortung beruhende geschlechtliche Verbindung freier und gleicher Menschen, die zugleich wahre seelische Gemeinschaft, tiefe persönliche Sympathie des Geistes und der Seele bedeutet. Unter Berufung auf Karl Marx und John Stuart wurde dargelegt, wie wenig die heutige bürgerliche Ehe diesem Ideal entspricht, vielmehr zu einem erschreckenden Prozentsatz einen durchaus prostitutiven Charakter trägt.

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Den Standpunkt der sozialdemokratischen Frauen und Mädchen vertraten in der mehrstündigen Aussprache die Genossinnen Quard- Hammerschlag, Fürth , Kirchner, Fräulein Quard und Fräulein Bittorf; sie wurden vacker unterstützt von bürgerlichen Frauen und Frau Gisemann von der U.S.P. Frau Jelewitsch wandte sich scharf gegen die großen Frauenverbände, die die Er­rungenschaften der Revolution mit einer hanebüchenen Dummheit dadurch preisgeben, daß sie die uneheliche Geburt für unsittlich er­flären.

Mit überwältigender Mehrheit faßte man als Protest folgende Entschließung:

Die in der heutigen Protestversammlung anwesenden Frauen und Männer Frankfurts protestieren aufs schärfste gegen die Aeußerung des Staatssekretärs Lewald betr. Entlassung unver­Heirateter Mütter aus Reichs-, Staats- und Gemeindedienst. Die Anwesenden bedauern, daß einzelne Beamtinnengruppen diese Stellungnahme veranlaßt haben.

Die Versammlung fordert unter Berufung auf. Art. 119, 122, 128 der Reichsverfassung, daß die uneheliche Mutterschaft keines­falls als Entlassungsgrund für Beamtinnen gelten darf.

Wohlfahrtspflege

Weihnachtsfeiern.

Die Vertreter der dänischen Gewerkschaften( Beirat für die Dänenhilfe) veranstalteten in Gemeinschaft mit dem Hauptaus­schuß für Arbeiterwohlfahrt am 5. Januar eine nachträgliche Weihnachtsfeier für alle die Kinder aus Groß- Berlin, die im Laufe des letzten Jahres bei unseren dänischen Genossen zur Erholung liebevolle Aufnahme gefunden hatten. An 3000 Kinder war die Einladung ergangen, an dieser Feier teilzunehmen. In zwei Abteilungen, am Vormittag und am Nachmittag, ver­sammelten sich die Kinder mit ihren Begleitern im großen Saale der Neuen Welt " in der Hasenheide in Berlin , wo brennende Tannenbäume und lange, weißgedeckte Tafeln die kleinen er­warteten. Jedes Kind fand auf seinem Plaze eine Schachtel wunderschönen Schokoladenkonfekts und wurde mit Kakao und einem leckeren Gebäck bewirtet.

Die Feier wurde mit einigen kurzen Worten vom Genossen Schuldt eingeleitet. Unter den geladenen Gästen sah man mehrere dänische Genossen, vor allem den dänischen Reichstagsabgeord­neten Nielsen, der die ganze Hilfsaktion drüben in Dänemark in die Wege geleitet und unermüdlich dafür gearbeitet hat. Am Nachmittag war auch die Gattin des Reichspräsidenten, Genossen Ebert, erschienen. Ferner sah man die Genossen Wels und Dr. Braun vom Parteivorstand u. a. m.

Ein Damenquartett brachte schöne Weihnachts- und Kinder­lieder zur Freude der kleinen Gäste zum Vortrag. Ein fleines Mädchen sprach ein von Genossin Minna Todenhagen verfaßtes, sehr hübsches Gedicht, das unsere lieben dänischen Freunde der Dankbarkeit unserer Kinder für alle Zeiten versicherte. Genossin Marie Juchacz erinnerte dann in ihrer Ansprache die anwesenden Kinder an die schöne Zeit, die sie bei ihren Pflegeeltern in Däne­ mark verleben durften, die ihnen endlich wieder einmal satt zu essen gaben und ihnen schöne warme Kleidungsstücke schenkten. Was Vater und Mutter ihnen infolge der furchtbaren Teuerung in Deutschland nicht kaufen konnten, das gaben ihnen die Pflege­eltern drüben aus dem reinen, schönen menschlichen Gefühl heraus, die Not der Kinder etwas zu lindern und sie wenig­stens auf kurze Zeit einmal ihre entbehrungsvolle Jugend ver­gessen zu lassen. Genossin Juchacz legte den Kindern ans Herz, auch in späteren Jahren stets in Dankbarkeit und Liebe der guten Menschen in Dänemark zu gedenken, die, selbst nicht mit Glücks­gütern gesegnet, es auf sich genommen haben, den blassen und erholungsbedürftigen deutschen Kindern zu helfen und so dem Glend zu steuern, in das unser Land durch den endlosen Krieg geraten ist.

Dann sprach Genosse Nielsen, der Kindervater", von stürmi­schem Beifall begrüßt. Er brachte den deutschen Kindern Neu­jahrsgrüße von ihren Pflegeeltern in Dänemark und wünschte ihnen, daß sie alle mit dem neuen Jahre in eine neue, schönere

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Zeit hineingehen mögen. Der brennende Tannenbaum in dunkler Winterzeit solle auch für sie das Symbol sein für eine helle, sonnige, bessere Zukunft.

Die schöne Feier schloß mit gemeinsamen Gesängen und drei­fachem begeisterten Hoch auf Nielsen und alle unsere dänischen Genossen, die sich durch ihre edle Menschenliebe stetes dankbares Gedenken im Herzen der deutschen Arbeiterschaft erworben haben. Die dänischen Gewerkschaften haben außerdem je einen Waggon Lebensmittel nach Berlin und nach dem Erzgebirge geschickt, die zur Verteilung an bedürftige Familien gekommen sind.

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Der Ortsausschuß für Arbeiterwohlfahrt" in Jastrow ber­anstaltete am 1. Feiertage, nachmittags Uhr, in der Aula " im Anschluß an die Weihnachtsfeier des sozialdemokratischen Wahlvereins eine Bescherung an arme alte Leute und an arme Familien mit großer Kinderzahl. Die Genossin Jahnke hielt eine furze Ansprache und sprach u. a. den Wunsch aus, daß sich recht viele Genossen und Genofsinnen der Arbeiterwohlfahrt" an= schließen möchten zu nußbringender Arbeit. Die vom Wahlber ein vorgeführten Lichtbilder- und Gesangsvorträge, desgleichen der Chorgesang von den Mitgliedern der Arbeiterwohlfahrt" wur den mit großem Beifall aufgenommen. Von vielen wurde der Wunsch laut, auch im nächsten Jahr solch einer Feier wieder bei­wohnen zu können. Das Festkomitee ist durch die von den Teil­nehmern an den Tag gelegte Freude für seine Arbeit voll und ganz entschädigt.

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Eine große Anzahl der Mitglieder unserer Ausschüsse für Arbeiterwohlfahrt" haben in dieser und ähnlicher Art notleidenden Menschen eine Weihnachtsfreude gemacht und so wenigstens auf furze Zeit dem Mangel an dem Nötigsten gewehrt und frierenden Kindern ein warmes Kleidungsstück verschafft. Diese Hilfe ist bei der Not der Zeit unerläßlich, und sie ist für die unter Ent­behrungen leidenden Menschen leichter anzunehmen, wenn sie aus den Kreisen der Arbeiterschaft selbst kommt. Wir wollen bei dieser Hilfe aber nicht die Hauptaufgabe unserer Ausschüsse ver= gessen, die in vermittelnder und beratender Tätigkeit besteht. Die in irgendeiner Notlage befindlichen Volksgenossen sind auf die ihnen rechtlich zustehenden Hilfsquellen hinzuweisen, und wo es nötig ist, ihre Vertretung bei den behördlichen Stellen zu über­nehmen. *

Eine Bitte.

Vor 25 Jahren wurde von einer Anzahl sozial denkender Menschen unter Führung des Herrn Geheimrat Felisch ein Frei­williger Erziehungsbeirat für schulentlassene Waisen" gegründet. Diese Vereinigung hatte es sich zur Aufgabe gemacht, sich der Heranwachsenden jungen Burschen und Mädchen, denen die leitende Elternhand fehlte, anzunehmen, für ihr körperliches, geistiges und auch wirtschaftliches Wohl zu sorgen. Vor allem übernahm sie die Sorge für die Auswahl des Berufs, indem sie die Heran­wachsenden in körperlicher und geistiger Beziehung auf ihre Eignung zu irgendeinem Beruf prüfen und sie in Krankheitsfällen ärztlich behandeln ließ. Es ist so bisher 27 000 Waisen der Weg ins Leben geebnet worden. Außerdem unterhält die Vereinigung zwei Erholungsheime für Knaben und Mädchen und ein haus­wirtschaftliches Lehrinstitut für junge Mädchen und läßt es auch sonst an Bildungsmöglichkeiten für die jungen Leute nicht fehlen.

Diesen Heimen droht nun infolge der ungeheuer gesteigerten Kosten die Schließung, wenn sich nicht edle Menschenfreunde finden, die die Vereinigung mit Geldmitteln unterstüßen. Allein die Ausgaben für Unterstützungen der Burschen und Mädchen und für Beihilfen während der Lehrzeit und Ausbildung, für Er­holungsaufenthalt und Jugendpflege im Jahre 1919 verursachen einen Fehlbetrag von 30 000 Mark.

Der Freiwillige Erziehungsbeirat für schulentlassene Waisen" wendet sich daher an alle mit der Bitte, zum Tage des 25jährigen Bestehens der Vereinigung, dem 21. Januar 1921, den guten Zweck des Unternehmens durch eine entsprechende Geldzuwendung zu fördern. Es können Jahresbeiträge von 5 Mt. an geleistet werden. Wer 300 Mt. gibt, erwirbt sich die immerwährende Mit­gliedschaft. Wer 5000 Mt. spendet, wird Ehrenförderer des Vereins. Der Verein trägt einen durchaus interkonfessionellen Charakter. Es wäre zu wünschen, daß sich recht viele finden, die durch ein bescheidenes Scherflein dazu beitragen, den Jugendlichen die ihnen so bitter notwendige Pflege, sowie Erholungs- und Weiterbildungs­möglichkeit zu erhalten.

Verantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Bohm- Schuch. Druck: Vorwärts Buchdruckeret. Verlag: Buch bandlung Vorwärts Paul Singer 6. mn. b. S. sämtlich in Berlin SW 68, Lindenstraße 3