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Die Gleichheit

Sie wollten damit den Geist von St. Helena ehren und fühlen nicht einmal, welches Zeugnis der Unfähigkeit sie sich und allen Gewaltanbetern damit ausstellten. Hundert Jahre Weltgeschichte ist an ihnen vorübergerauscht und sie haben nichts gelernt. Napoleons Gewaltherrschaftswille hatte andere Wurzeln als jener der Foch, Briand und Korfanty , und ver ächtlich würde er abwehren, mit ihnen in eine Linie gestellt zu werden. Der Wille zur Freiheit und zur Befreiung des Menschengeschlechts lebte in jenem Mann, wie falsch die Wege auch gewesen sind, die er ging. Heute durchpulst dieser Wille zur Freiheit Millionen und aber Millionen und er hat sich zurückgefunden aus den Irrwegen der Gewaltanbetung auf die breite, gerade, leuchtende Straße der Völkerversöhnung. Und auf dieser Straße tommt die Menschheit ans Ziel. Noch meistert die Gewaltanwendung weniger die Bölfer, aber ein mal werden die Völker die Gewalt meistern. Trotz alledem. Clara Bohm- Schuch .

Stell dich in Reib und Glied, das Ganze zu verftärken, Mag auch, wer's Ganze fieht, dich nicht darin bemerken. Das Ganze wirkt, und du bift drin mit deinen Werken. Stell dich in Reih und Glied und schare dich den Scharen; Und teilft du nicht den Ruhm, lo teilft du die Gefahren. Friedrich Rückert . *

Dem klugen Schützen gleicht der höhere Menfch. Verfehlt diefer fein Ziel, fo wendet er fich ab und fucht die Urfache feines Fehl­Konfufius.

Schulfes in fich felbft.

Recht und Wohlfahrtspflege

Bon Bürgermeister Dr. Caspart,( Brandenburg a. d. H.) A. Familienrecht

VI. Ehescheidung. Eine Ehe fann bei Borliegen eines der in den§§ 1565 bis 1569 aufgezählten Gründe geschieden werden. Die nach dem Allgemeinen Preußischen Landrecht zulässige Eheschei dung auf Grund einseitiger unüberwindlicher Abneigung und die bei kinderloser Ehe zulässige Ehescheidung auf Grund gegenseitiger Einwilligung ist heute nicht mehr möglich.

Die Ehescheidungsgründe find teils absolute, teils relative. Bei den letzteren(§ 1568) muß der Richter genau das Für und Wider abwägen. Er muß insbesondere feststellen, ob eine so tiefe Berrüttung des ehelichen Verhältnisses einge­treten ist, daß eine Fortsegung der Ehe dem Ehegatten nicht zugemutet werden kann; bei den absoluten Scheidungs­gründen(§§ 1565 bis 1567, 1569) handelt es sich um fest umriffene Tatbestände, bei deren Borliegen das Gericht auf Scheidung erkennen muß.

Die absoluten Scheidungsgründe sind Ehebruch, strafbare Bigamie, strafbare widernatürliche Unzucht(§ 1565), Lebensnachstellung(§ 1566), bösliche Verlassung(§ 1567) und Geisteskrankheit(§ 1569). Alle Scheidungsgründe dürfen erst nach Eheschließung eingetreten sein. Liegen sie vor der Eheschließung vor, so ist unter Umständen die Nichtigkeits­oder Anfechtungsklage gegeben. Die Scheidung wegen Ehe­bruchs, Doppelehe und widernatürlicher Unzucht ist ausge­schlossen, wenn der Ehegatte dem Ehebruch oder einer straf­baren Handlung des anderen Teils zustimmt oder sich der Teilnahme schuldig macht(§ 1565 Abf. 2). Wenn also der A., um einen Scheidungsgrund gegen seine Frau zu finden, den B. bestimmt, sie zum Ehebruch zu bringen, so kann er daraus, daß der Ehebruch mit B. erfolgt, feine Scheidung herleiten.

Einen besonders breiten Platz in der gerichtlichen Praxis nehmen die relativen Scheidungsgründe des§ 1568 ein. Danach kann ein Ehegatte auf Scheidung klagen, wenn der andere Ehegatte durch schwere Verletzung der durch die Ehe begründeten Pflichten oder durch ehrloses oder unsittliches Verhalten eine so tiefe 3errüttung des ehelichen Verhältnisses verschuldet hat, daß dem anderen Ehegatten die Fortsetzung der Ehe nicht zugemutet werden kann. Als schwere Ver­

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lehung der Pflichten gilt auch grobe Mißhandlung. Damit ist nicht gesagt, daß etwa leichte Mißhandlung nicht auch schon zur Scheidung der Ehe führen kann, da dieses Ver­halten sehr wohl eine tiefe Berrüttung des ehelichen Ber­hältnisses herbeiführen kann. Nicht nötig ist, daß die ehr­lose oder unfittliche Handlung sich gerade gegen den anderen Ehegatten richtet. Wenn sich z. B. ein Mann dem Trunk ergibt und durch sein Verhalten in diesem Zustande allge­mein Anstoß erregt, so fann dies eine so tiefe 3errüttung des ehelichen Verhältnisses herbeiführen, daß dem anderen Ehegatten die Fortsetzung der Ehe nicht zugemutet werden kann.

Start eingeschränkt ist die Ehescheidung wegen Geistes­frankheit(§ 1569). Danach muß die Krankheit während der Ehe mindestens drei Jahre gedauert und einen solchen Grad erreicht haben, daß die geistige Gemeinschaft zwischen den Ehegatten aufgehoben, auch jede Aussicht auf Wiederher­stellung dieser Gemeinschaft ausgeschlossen ist. Ob diese Regelung dazu beiträgt, den Gedanken der Ehe als sittlicher Lebensgemeinschaft gerecht zu werden, mag dahingestellt

bleiben.

Die auf Verschulden beruhenden Scheidungsgründe (§§ 1565-1568) werden beseitigt durch Verzeihung und durch Fristablauf. Nach§ 1570 erlischt das Recht auf Schei­dung durch Berzeihung. Nach dem Reichsgericht bedeutet Verzeihung die Bezeugung der Wiederherstellung der ehe­lichen Gesinnung und des Willens, die eheliche Lebensge meinschaft wieder herzustellen. Man kann auch sagen, daß Berzeihung die Willenserklärung bedeutet, aus der Tat des Schuldigen in Zukunft feine Folge herzuleiten. Nach § 1571 ist die Scheidungsklage ausgeschlossen, wenn, solange die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten besteht, nicht binnen fechs Monaten seit Kenntnis, spätestens aber innerhalb zehn Jahren seit Eintritt des Scheidungsgrundes die Scheidungs­flage erhoben oder die Ladung zum Sühnetermin erfolgt ist. hat also ein Ehegatte sechs Monae seit Kenntnis des Ehe­scheidungsgrundes die häusliche Gemeinschaft fortgesetzt und nicht Klage gegen den anderen erhoben, so ist der Scheidungs. grund genau so verloren, wie wenn verziehen wäre.

Der Scheidungsklage muß grundfäßlich der Sühneversuch beim Amtsgerichts vorhergehen. Im Sühnetermin müssen die Parteien persönlich erscheinen. Vertreter werden nicht zugelassen. Erscheinen im Sühnetermin beide Parteien und bleibt die Sühne erfolglos, so wird die Erfolglosigkeit be­scheinigt. Erscheint nur der Kläger , so gilt der Sühnever fuch als mißlungen. Erscheint nur der Beklagte oder er scheinen beide Parteien nicht, dann muß der Kläger die An­beraumung eines neuen Sühnetermins beantragen.

Wird die Ehe aus einem der in den§§ 1565-1568 be stimmten Gründe geschieden, so ist in dem Urteil auszu sprechen, daß der Beklagte die Schuld an der Scheidung trägt.( Es ist selbstverständlich, daß bei einer Scheidung auf Grund von Geisteskrankheit eine Schuld nicht festgestellt werden kann.) Hat der Beklagte Widerklage erhoben und wird auch diese als begründet anerkannt, so sind beide Ehe­gatten für schuldig zu erklären. Aber auch ohne Erhebung einer Widerklage ist auf Antrag des Beklagten auch der Kläger für schuldig zu erklären, wenn Tatsachen vorliegen, wegen deren der Beklagte auf Scheidung flagen konnte oder, falls fein Recht auf Scheidung durch Berzeihung oder Zeit­ablauf( 1. o.) ausgeschlossen ist, zur Zeit des Eintritts des vont dem Kläger geltend gemachten Scheidungsgrundes berechtigt war, auf Scheidung zu flagen(§ 1574). Ist die Ehe ge schieden, so entfallen damit grundsäglich auch alle Folgen, die das Gesetz an den Bestand der Ehe knüpft( z. B. Pflicht zur Lebensgemeinschaft, Schlüsselgewalt der Frau usw.). Be­sonders geregelt ist aber die Namensführung der geschiede nen Frau, die Unterhaltspflicht und der Einfluß der Ehe­scheidung auf die elterliche Gewalt.

Nach§ 1577 behält die geschiedene Frau den Familien namen des Mannes. Sie kann aber auch ihren Familien­