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Zu unserer Görlizer Tagung!

Von Clara Bohm- Schuch

Der Reichsfrauenkonferenz in Görlitz geht die allgemeine Tagung und die erste Jahresversammlung des Hauptaus­Ichusses für Arbeiterwohlfahrt am 15. und 16. September Dorauf. Die Aufgaben der Gemeinden auf dem Gebiete der Wohlfahrtspflege sind durch die Folgen des Krieges außer­ordentlich gewachsen. Die private Hilfe muß, wenn eine unheilvolle Zersplitterung der Kräfte und der färglichen Mittel nicht eintreten soll, immer mehr der öffentlichen ohlfahrt eingegliedert werden. Hier mitzu­helfen, war in erster Linie der Zweck der Zusammenfassung aller in der Sozialdemokratie auf diesem Gebiete tätigen Kräfte durch die Gründung des Hauptausschusses für Ar­beiterwohlfahrt. Ob dieser Weg gegangen ist, welche Ziel­etappen erreicht wurden und welche Aufgaben vor uns liegen, foll die Görlitzer Tagung klarstellen. Sie soll vor allem unferen Genofsinnen, die als Gemeindeverordnete in der praktischen Arbeit stehen, richtunggebend sein und einen Meinungsaustausch über die gemachten Erfahrungen bringen. So werden die Verhandlungen des Hauptausschusses schon stark in die Themen der Frauenkonferenz hinübergreifen, die die Tätigkeit der Frau in der Gemeinde behandeln werden. Bei dem Referat des Genossen

uzky über die Wirtschaftsfragen wird sich hoffentlich Gelegenheit finden, eine gründliche Aussprache herbei zuführen über die neue Belastung der arbeitenden Massen, welche durch die Verteuerung des Brotes( und damit zu­sammenhängend aller Mühlenfabrikate), des Fleisches und Fettes bereits eingetreten ist und durch die angekündigten indirekten Steuern noch droht. Vor allem muß Klarheit in den Reihen der Genossinnen darüber werden, welche wirt. schaftlichen Abwehrkämpfe unserer warten und welche poli­tischen Konsequenzen sich aus der steuerlichen Belastungs­probe ergeben können. Man mag einwenden, daß diese Aus­Sprache auf den Parteitag gehört, wo sie sich wiederholen wird. Das ist natürlich an sich richtig, und dennoch ist es falsch, weil es darauf ankommt, daß die Frauen sich ein richtiges Bild formen. Frauen sind aber nur wenige als Delegierte auf dem Parteitag anwesend, während zu der Frauenkonferenz Genossinnen aus jedem Bezirk des ganzen Reiches kommen werden. Solange auf dem Parteitag die Zahl der weiblichen Delegierten nicht der Wichtigkeit ihrer Stellung im Staats- und Wirtschaftsleben entspricht, solange also Reichs frauen konferenzen notwendig sind, müssen sie in erster Linie für die politische und wirtschaftliche Klärung und Belehrung unter den Genoffinnen benutzt werden. Wäre der Wunsch der Berliner Frauen erfüllt worden, die Er örterung der Bevölkerungspolitif in all ihren Auszweigungen auf die Tagesordnung der Frauenkonferenz zu setzen, so wäre das der Erkennung der wirtschaftlichen und politischen Zu­fammenhänge, auch in anscheinend rein persönlichen Dingen, sicher sehr nützlich gewesen. Nachdem die Tagesordnung der Wohlfahrtskonferenz bekannt ist, fann man es noch mehr be­dauern. Um so notwendiger erscheint nun aber die Aus­sprache über die Referate in dem dargelegten Sinne. Die Arbeiterschaft steht in schweren Wirtschaftskämpfen, geht wahrscheinlich schwereren noch entgegen; die Frauen müssen gerüstet sein.

Der Parteitag foll große Arbeit leisten. Durch die Ermor dung Erzbergers ist blitzlichtartig die politische Situation er­hellt worden, auch für diejenigen, die bisher nicht sehen wollten. Die Reaktion scheut vor feinem Mittel zurück, um die Republik zu untergraben. Offener Mord, Kindermord durch Aushungerung, Aufforderung zum Betrug an den Staat, zum Widerstand, Verächtlichmachung der Hoheits­zeichen der Republit, das sind so einige Mittel, die von tapferen Monarchisten täglich getan und zur Anwendung empfohlen werden. Die Regierung hat es sich bisher gefallen

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lassen, obwohl alle diese Dinge unfere außenpolitische Lage immer wieder verschlechtern, die Lebensmöglichkeit des Staates immer von neuem in Frage stellen.

Die Arbeiterschaft jedoch hat dieses Spiel satt und der Parteitag muß flar Stellung nehmen. Auch er muß sagen: so geht es nicht weiter. Es darf nicht mehr zweierlei Maß geben zwischen Rechts- und Linksbolschewisten.

Aber wir sind nicht nur die Schuhpartei der demokratischen Republit, sondern unser 3tel ist die sozialistische Gesellschaft. Ueber die gang­baren Wege zu diesem Ziel soll der Parteitag nicht nur be raten, sondern er soll sie beschreiten, soll seine Vertreter in Regierung und Reichstag auf diesen Weg weisen ohne wenn und aber. Daß die Steuerpläne der Regierung bei dieser Debatte im Vordergrund stehen werden, ist selbstverständlich. Ob es zu eingehender Aussprache über das neue Partei­programm fommen wird, erscheint mir zweifelhaft, nachdem die Kommission den ersten unmöglichen Entwurf zurück­gezogen und einen wesentlich geänderten drei Wochen vor dem Parteitag veröffentlicht hat. Jetzt kann der Programm­fommission gewiß fein Mensch mehr den Vorwurf machen, daß sie nicht schnell gearbeitet hätte. In zwei Tagen hat sie die ganze Neubearbeitung gemacht. Allerdings erscheint die Gründlichkeit unter der Firigkeit etwas gelitten zu haben. Immerhin wird das nun Vorhandene eine brauchbare Unter­lage für das Endgültige geben, wenn es in Görlig von neuem an eine Kommission geht, die gründliche Arbeit leistet. Beg­weisend, zielsicher und klar soll unser Barteiprogramm sein. Schlichte, ungesuchte Worte, die von den einfachsten Menschen verstanden werden, sollen die Form geben. Und dennoch muß aus seiner Sprache der Rhythmus der Arbeit und des Lebens flingen;-Bucht und Schönheit zugleich. Dieser Form muß der Inhalt entsprechen.

Mögen die gesamten Görlitzer Verhandlungen Weg­leuchten werden für die dunkle Zukunft

Sieg der Freude

Von Zerfaß

Unfres Tages wollen wir uns freuen Und liegen.

Wir wollen uns nicht mehr biegen Im Joch

Und scheuen.

Vergrämten Huges zu Boden blicken.

Wir wollen mutige Blicke ins Elend fchicken... Unfer Leben ist dennoch Kraft.

Kleines fchafft

Auch das Große. Schaffen ist Kampf, Kampf aber ift Glück und Freude.

Unire Tage follen fröhlich fein, Unfere Freude foll fiegen,

Dann wird fich das graue Grämen biegen. Wir werden stark und schön

Mit unfern jubelnden Kindern gehn Vorbei an den wogenden Erntefeldern.

Wir werden fie an den goldfchweren Rehren Hoffen lebren.

Erzählen von trotzigen Eichen,

Die den Stürmen des Lebens nicht weichen. Wir werden ihnen unter göttlichen Buchen Sagen, daß Schönheit fuchen

Glück finden iſt,

Daß Glück an jedem Tage ift.

Wenn mans bineinlegt mit feiner Seele. Jeder Blick iſt eine Seele. Der legnen kann

Oder fluchen. Aber fuchen

Und geben an allen Enden

Kann man auch mit knochigen Händen Soviel Freude und Glücklichlein.