Nr. 18/19

Die Gleich beit

Aus unserer Bewegung

Geschäft oder Dummheit?

Bor den letzten Wahlen besuchte ich mit einigen Genoffinnen eine Wahlversammlung des Deutschnationalen Frauenbundes in Roblenz. Ich möchte hier nicht etwa auf die Ausführungen der Rednerin eingehen, sondern nur das Gebaren einer Zuhörerin, einer Gemüsehändlerin, etwas schildern. Das Flugblatt, welches unsere Genossinnen dort verteilten, warf sie, nachdem sie von einer Nachbarin belehrt worden war, daß es ein sozialdemokratisches nicht ein Flugblatt so achtlos fortwerfen, man müsse doch erst wissen, was die Leute wollten, erwiderte sie selbstbewußt: Das wissen wir schon!" Als die Frau des an der Wand hängenden Kaiserbildes ansichtig wurde, geriet fie fast in Ber­züdung, und als dann die Rednerin auf Seine Majestät" zu sprechen tam und unsere Rufe Holland  !" dazwischenprasselten, machte sich ihre bedrängte Seele in den Worten Luft: Gott fei Dant, daß es ihm dort so gut geht, unserem lieben, lieben Kaiser!" Die Rednerin des Abends gab ihrer Hoffnung Ausdruck, daß der Zeitpunkt doch wohl nicht mehr ferne fei, da Wilhelm zurückkehre in sein deutsches Vaterland, und die Gemüsehändlerin, die echte teutsche Frau, breitete selig die Arme aus und rief: Wenn er doch recht, recht bald wiederfäme!"

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In die Diskussion einzugreifen, war die Frau nicht fähig. Sie entschädigte fich aber dadurch, daß sie auf einen unserer Genossen, der sich zum Wort gemeldet hatte, zustürzte und ihm mit geballten Fäusten vor dem Gesicht herumfuchtelte. Das war ihre Auf­faffung, ihre deutschnationale Gesinnung dem Gegner gegenüber zu vertreten.

Und diese Frau ist Gemüsehändlerin. Sie lebt von dem Ver­dienst, den die Arbeiterfrau ihr zuträgt, wenn sie das Gemüse, die Kartoffeln für das Mittagbrot ihrer Familie einkauft. Die Lebens­mittelpreise sind hoch, und die Arbeiterfrau feufzt, wenn sie das schwererworbene Geld ihres Mannes der Gemüsefrau auf den Ladentisch zählt. Die Gemüsehändlerin aber weiß sich vor Ueber­mut nicht zu lassen und wird zur Furie, wenn jemand von der Not des Volkes spricht.

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Daran foll die Arbeiterfrau denken! Wir brauchen unser Geld nicht zu Leuten tragen, die uns offen verhöhnen! Wer selbst aus der arbeitenden Klasse stammt wie es bei einer Gemüse­händlerin doch sicher der Fall ist und sich soweit vergessen hat, der soll von Arbeitern auch nicht mehr unterstützt werden! Frau Kemmer, Koblenz  .

Zur Reform der Frauenabende. Gruppe Klotzsche  - Hellerau   b. Dresden  . Die Genoffin Hedwig Wachenheim   hat im Heft 5 der Gleichheit" zu Berichten über Frauenabende aufgefordert. Diesem Wunsche komme ich gern nach, man tann überall etwas lernen. Wir haben ein Schulzimmer zur Verfügung, da man im Lokal gezwungen ist, etwas zu ver­zehren und wir auch durch den Lärm in den anstoßenden Gast. zimmern gestört wurden. Vor dem Kriege war hier eine sehr gute Frauengruppe. Während des Krieges und nach demselben war die Bewegung aber fast eingeschlafen. Eine energische, er. fahrene und beliebte neue Gruppenleiterin, Genoffin Sehmisch, Klotzsche  , und deren ebenso eifrige und tüchtige Stellvertreterin Genoffin Bock, Hellerau  , weden fie aber jetzt wieder auf mit Hilfe einer Referentin am Ort, einer ehemaligen Lehrerin. Anfangs erschienen nur 7-8 Frauen. Da wurde Hausagitation getrieben. Nun belebte sich der Abend etwas. Jetzt hieß es, erst mal einen fleinen Stamm von Getreuen zu sammeln. Wir veranstalteten Wanderabende in die benachbarten Dörfer. Auf einen Vortrag über die Weltliche Schule" folgte im nächsten Monat ein heiterer Abend" mit Rezitationen und Liedern zur Laute, welche die Der nächste Tochter eines hiesigen Genossen reizend vortrug. Monat brachte einen Bericht über meine Reise zur Abstimmung nach Oberschlesien  . Schließlich wagten wir es, ein Referat über August Bebels Buch Die Frau und der Sozialismus" in vier Abenden zu bringen. Und siehe! Der Versuch gelang. Jeden Abend erschienen mehr Zuhörer, sogar Genossen und Gäste aus ben Nachbarorten, welche die Anfündigung in unserm Barteiblatt gelesen hatten. Am letzten Abend waren 50 Personen anwesend. Für den folgenden Monat soll eine Referentin aus Dresden   ge­wonnen werden, im allgemeinen aber find wir bemüht, uns selbst zu versorgen, teils um die Parteitasse nicht zu belaften, teils um in immer engere Fühung miteinander zu kommen. Den eigent lichen Vorträgen gehen Berichte über die stattgefundenen Kreis­

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tonferenzen, Wohlfahrtstagungen und Kinderschuhveranstaltungen voraus. Später sollen Erziehungsfragen, das Erfurter Programm u. a. behandelt werden. Noch ist die Beteiligung der Genoffinnen an der Diskussion nicht so lebhaft, wie wir es wünschen, aber wir hoffen, sie auch in dieser Hinsicht zu ermutigen und zu fördern. Im ganzen sind wir mit dem Aufstieg der Gruppe sehr zufrieden und wünschen allen fleinen Gruppen und Grüppchen eine ebenso Agnes Hellberg. gute Entwicklung!

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Genoffin Wachenheim   hat in Nr. 5 der Gleichheit" über die Reform der Frauenabende mir aus der Seele gesprochen. Ich tonnte ihren Ausführungen um so freudiger zustimmen, als wir gleich nach den Preußenwahlen ähnliche Frauenabende hier in Rolberg in Pommern   eingerichtet hatten.

Während der Wahlvorbereitungszeit hatten wir den Eindruck, daß vielen Frauen, besonders denen, die neu zu der Partei ge kommen waren, daran gelegen war, regelrecht in den Sozialismus eingeführt zu werden.

Wir forderten in einer Frauenversammlung zur Teilnahme an einem fortlaufenden kleinen Kurs auf, in welchem über das Er. furter Programm und späterhin über Entwicklung und Geschichte der Sozialdemokratie gesprochen werden sollte. Es meldeten sich 30 Frauen. Die Abende finden nun alle 14 Tage statt, und zwar in Form von Arbeitsgemeinschaften. Ich frage und die Frauen suchen und finden die Antwort selbst.

Sie werden auch

Die Abende haben sich sehr gut bewährt. während der Sommermonate fortgefeht, obgleich ein großer Tell der Frauen jetzt gerade mit Garten- und Ackerarbeit bis spät abends tätig ist. Die Frauen zeigen eine so rege Anteilnahme und Eifer an allen, auch den schwierigsten Fragen, daß die Leitung dieser Abende eine große Freude ist. Außerdem bilden sie einen treuen Stamm für die großen Frauenabende, die wir noch alle vier Wochen nebenher weiterführen.

Die Zahl der Teilnehmerinnen an den Kursen nimmt ständig zu, da sehr viele einmal Freundinnen oder Nachbarinnen mitbringen, die dann auch ihrerseits wieder regelmäßig daran teilnehmen. Wir haben schon gedacht, im Winter, wo die Frauen sowieso mehr Zeit zu Bersammlungen haben, noch einen ähnlichen Kurs an einem anderen Abend einzurichten.

Jedenfalls ist der Gedanke, hier Arbeitsgemeinschaften für Frauen einzurichten, auf sehr fruchtbaren Boden gefallen, und ich möchte hier mit Genossin Elifabeth Röhl aussprechen, daß ich selbst von diesen Abenden und von der Freude über das Vorwärts streben der Frauen einen großen geistigen Gewinn habe. Gertrud Bannwarth.

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Im Juli fand in Effen eine gutbesuchte Frauenkonferenz unter Leitung der Genossin Kutscheid statt, auf der von Genossin Andrae die wichtigsten Beschlüsse des Bezirksparteitages bes sprochen wurden, insbesondere die Beitragserhöhung. Demnach zahlen ab 1. Juli die Genoffinnen des Bezirks Niederrhein   pro Woche 60 Pfg. Beitrag und erhalten dafür die Gleichheit" obliga torisch geliefert. Genoffin Arning- Elberfeld sprach dann noch zur Frage der Aufklärung der Frauen für den Sozialismus und über die einzuführenden Funktionärinnenfurje. Die Kurse sollen in zwei Abteilungen gegliedert werden. Die erste Abteilung soll für neugewonnene Mitglieder, die zweite für solche Genossinnen fein, die in der Parteibewegung fchon länger tätig sind. In letzterer follen außer den Grundlehren des Sozialismus die poli tischen und wirtschaftlichen Tagesereignisse zur Sprache kommen.

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Wangen 1. Allgäu. Das katholische Oberland und auch unser herrlich gelegenes Städtchen ist für die Frauenbewegung Neuland. In eine Unzahl Bereine hat das Zentrum besonders die Frauen welt gesammelt. Und doch ist es gelungen, hier eine ganz ansehn liche Zahl weiblicher Mitglieder der Partei zuzuführen. Waren es Ende 1920 erst 23 Genofsinnen, so ist heute das erste Hundert bereits überschritten. Das sind 50 Proz. der Parteimitglieder überhaupt. Echte Freundschaft, nie versagender Opfergeist, ver bunden mit zähester Kleinarbeit, brachte diesen Erfolg. Hervorragenden Anteil daran hat Genossin Hörburger, die Leiterin der Frauengruppe, sowie die weiblichen Vertrauens­personen. Ein Kinderfest fand allgemeinen Antlang. Viel bleibt uns noch zu tun. Die Gleichheit" ist ebligatorisch. Mögen die Frauen sie nicht nur lesen und daraus lernen, sondern das Ge botene benützen zu weiteren Ausbau der Organisation. zu Nuz, den Gegnern zum Truß!

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