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Wohlfahrtspflege

Die Gleichheit

Die Tätigkeit der Arbeiterwohlfahrt Bohwinkel.

1. Rommunale Betätigung. Im Einvernehmen mit uns hat die sozialdemokratische Fraktion in der Stadtverordneten­versammlung die Gewährung einer Kartoffel- Leuerungs zulage für die Monate Juli und August an alle Empfän ger von Wohlfahrts- und Armen unterstützung beantragt. Dem Antrag wurde in der Stadtverordnetenversamm lung zugestimmt und erhalten zunächst ab 1, Juli bis zum 15. Auguft sämtliche Unterstüßungsempfänger 3 wei wöchent. lich folgenden Kartoffelteuerungszuschuß, der durch bie Bezirksvorsteher ausgezahlt wird: Für 1 Person 6,50 mt., 2 Personen 9 Mt., 3 Personen 11,50 mt., 4 Personen 14 Mt., 8 Personen 16,50 Mt., für mehr als 5 Personen 19 Mt Dieser Erfolg dürfen wir als praktische Kommunalpolitik und praktische tommunale Wohlfahrtspflege der Sozialdemokratischen Partei und des Vereins Arbeiterwohlfahrt bezeichnen. Anderen Orten und Städten ist zu empfehlen, dieses Beispiel nachzuahmen. Die fozialdemokratische Fraktion hat sich auch dafür eingesetzt, daß die Löhne der Dienstmädchen in dem Alters- und Pflege­heim Landhaus Linde, die bisher ohne Abzug von Steuern und Beiträgen für Sozialversicherung 80 Mt. monatlich bei freier Woh nung und Verpflegung betrugen, erhöht werden, und hat die 8ahlung der Tariflöhne, wie sie in Elberfeld  , Barmen und anderen Orten in gleichen Anstalten gezahlt werden, be­antragt. Die Stadtverwaltung ist beauftragt, diese Löhne fest­zustellen. Das Ergebnis wird sein, daß auf Grund unseres An­trages der Lohn der Dienstmädchen auf 162 63v. 200 mt., nach dem Ergebnis der letzten Tarifversammlung jedenfalls auf 220 Mt. erhöht wird. Ferner werden auf Grund eines angenommenen Antrages unserer Partei die Wochenunterstüßungsfäße ber Wohlfahrts- und Armenunterstüßungs. empfänger den Unterstützungsfäßen der Nachbarstädte gleich­gestellt. Demnach wird der Wochensatz von 23 Mart auf 45 Mark erhöht werden. Außerdem werden natürlich die Miets, Hausbrand. und sonstigen Nebenleistungen weiterge währt. Die Vertreter der Partei werden bemüht sein, auch diese Art Unterstügungen zu verbessern. Diese von der Sozialdemokra tischen Stadtverordnetenfraktion in Gemeinschaft mit dem Aus. schuß für Arbeiterwohlfahrt erkämpften Verbesserungen tommen 170 bis 180 Unterstüßungsempfän gern zugute. Die ehrenamtliche tommunale Tätigkeit des Vereins Arbeiterwohlfahrt in unserem 15 000 bis 16 000 Einwohner zählenden Städtchen tommt in folgendem zum Ausdruck: In dem großen städtischen Wohl fahrtsausschuß, in dem die Unterstützungsfälle beraten werden, find tätig einige Stadtverordnete, darunter auch die Ge Rossin Ida Kolaß als einzige weibliche Stadtverord ete und Vorsitzende des Ausschusses für Arbeiterwohlfahrt, außerdem die Genossin Köhler als Vertreterin des Ausschusses. Die Stadt ist in drei Wohlfahrtsbezirte eingeteilt. Als Pflege. rinnen sind in diesen die Genossinnen Schäfer, Köhler und Dörr tätig.

In der Quäferfpeifung und Auslandshilfe haben wir ein großes Stüd Arbeit geleistet. Es sind darin tätig 15 Ge Rossinnen. Die bürgerlichen Vereine haben wir damit in den Schatten gestellt. An der Schule Tesche" hat die Lehrer schaft die übliche Mitarbeit bei der Quäferspeisung ein. gestellt, d. h. sie streift. Die Herren hatten keine Lust, mit ben sozialdemokratischen Frauen des Ausschusses für Arbeiterwohl. fahrt zusammenzuarbeiten. Kurz entschlossen haben wir den ganzen Betrieb selbst übernommen,

2. Innere Vereinstätigteit. Auf Grund unserer Rührigkeit erhalten wir jährlich einen städtischen Zuschus aus Ueberschüssen der städtischen Sparkasse. In diesem Jahre er hielten wir 1350 Mt. In ganz besonderen Notfällen können wir bamit helfen. Wir betreiben aber auch die Ausbildung unserer Mitglieder auf dem Gebiet der Wohl. fahrtspflege und der sozialen Fürsorge. So haben wir finanziell unseren Mitgliedern den Besuch der sozial- hygieni schen Ausstellung zur Befömpfung der Geschlechtskrankheiten in Düffeldorf erleichtert. Der Besuch weiterer Kurse und Anstalten ist in Aussicht genommen.

Unsere Mitgliederversammlungen sind durchschnittlich von 35 bis 60 Personen besucht.

Die Kinderschußtommission veranstaltete möchentlich Ausfliige, insbesondere Ferienausflüge mit Belehrung und

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Spielen für Knaben und Mädchen. Manchmal machen wir den Kindern, insbesondere den Bedürftigen arbeitsloser Eltern usw, dadurch eine Freude, indem wir Obst verabreichen oder zum Kaffee usw. einen Zuschuß geben.

Die kommunale Wohlfahrts. und Armenpflege ist in erster Linie eine Sache des schaffenden Volkes. Wir werden bemüht sein, in erster Linie auf der Basis tommunaler Tätigteit immer mehr und mit möglichst vielen Kräften in die kommunalen ehrenamtlichen Organe einzubringen, um dort durch eifrige Arbeit den Gedanken Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" nach Mög Karl Rolaß. lichkeit in die Praxis umzusetzen.

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Die Wohlfahrtspflege auf unseren Frauenabenden. In unserem Landkreise stehen die Männer auf einer hohen Stufe der Bewegung. Und auch sonst sind sie durch rege Anteil. nahme am geistigen Leben mitgeschritten. Biele von ihnen haben ihren Frauen schon lange den Platz der Gefährtin und Teil nehmerin in der Arbeit gegeben, aber andere haben es eben wie die Männer der Bürgerlichen gemacht; ihnen waren die Frauen doch mehr nur Arbeiterin im Hause, vielleicht auch im besonderen Sinne Mütter der Kinder.

Jezt aber regt es sich an allen Enden. Auch bei uns unter den Frauen ist ein starker Wille zur Mitarbeit auf geistigem Gebiete. Um diesen Willen nicht ohne Entfaltung zu lassen, bedarf es sehr sorgsamer Führung der Frauen. Wo immer sich tüchtige Genofsinnen in den Gruppen befinden, haben sie die Pflicht, sich der Arbeit in ihren Gruppen anzunehmen. Die Vortragenden müffen Wärme, Leben, Bewegung, Anregung mitbringen und auf die anderen Genofsinnen übertragen.

In unserem Kreise ist es z. B. in den Frauengruppen so, daß die Frauen für unsere Kreisheime mitnähen. Wir sprechen dann über die Art ihrer Mitarbeit auf sozialem Gebiete, wir be handeln den Wert von Mütterberatungsstellen, Tuberkulosenfür forge, Hausbesuchen und Hauspflege. Wir lesen und singen zu sammen und beraten und besprechen für uns wichtige Fragen. Wir gedenken zum Winter miteinander in fleinen Kursen die Frage der Mitarbeit auf sozialem Gebiete, der Volkswirtschaft durchzu arbeiten. Auch auf dem Gebiete der Krankenpflege im Hause soll gearbeitet werden, um die notwendigsten Kenntnisse zu ver mitteln. Dazu werden unsere Genossen unseren Frauengruppen die nötigen Schulungsvorträge auf politischem Gebiete halten. So haben wir freilich ein schönes Programm und haben auch viel guten Willen bei dem Beginn der Durchführung.

Bücherschau

Lotte Möller.

Der Frauen Hausschah", Jahrbuch für Arbeiterfrauen und töchter, auf das wir bereits in Nr. 13 der Gleichheit" hingewie. sen hatten, ist nunmehr in der Verlagsanstalt Auer u. Co. in Hamburg   erschienen. Herausgeberin dieses Buches ist Genossin Wilhelmine Kähler  . Mit dem Erscheinen dieses sozial­demokratischen Frauen- Hausschatzes ist einem lange gefühlten Be­dürfnis Abhilfe getan. Bisher gab es für Frauen nur Almanachs und Jahrbücher, die von bürgerlichen Verlegern herausgegeben und von rein bürgerlichem Geschmack geleitet waren. Den Bedürf nissen der Arbeiterfrauen entsprachen diese Bücher nicht. Ganz im Gegenteil wirkten sie nur schädigend auf das Geschmacksempfinden unserer Mädchen und Frauen, denn sie lenkten die Leserinnen un merklich in das Fahrwasser seichter und oberflächlicher Unterhal tungslektüre. Da aber unter den Frauen ein starkes Bedürfnis nach unterhaltender und leicht belehrender Lektüre vorliegt, ist der Gedanke entstanden, für die arbeitenden Frauen besonders ein ent sprechendes Jahrbuch zu schaffen, und dieser Gedanke hat in dem sozialdemokratischen Frauen- Hausschatz" der Genoffin Wilhelmine Kähler   eine glückliche Form gefunden.

Das Buch ist 128 Großoftavseiten stark und zeigt einen sehr schönen, geschmackvollen Einband. Nach einem stimmungsvollen farbigen Bilde( ,, Weiden  " von Ernst Henseler  ) bringt es ein mit Zeichnungen aus dem Frauenarbeitsleben geschmücktes Kalenda. rium und dann in bunter Reihenfolge Erzählungen, Gedichte, Ar­tikel und Blaudereien aus der Feder unserer bekannten führenden Barteigenoffinnen und genossen. Die zarten, weichfließenden Verse Ludwig Lessens, die stille Poesie der Gedichte von Storm, Mörike  , Fontane  , Reimes, die kraftvollen und hoffnungsdurch glühten Lieder von Clara Müller- Jahnke   und Clara Bohm- Schuch  wechseln ab mit ernsten politischen, volfswirtschaftlichen und ande ren belehrenden Aufsätzen, die Namen wie Marie Juchacz  , Gustav Radbruch  , Toni Pfülf  , Gertrud Hanna  , Clara Bohm- Schuch  ,