Nr. 6
Die Gleich beit
Großstädte in zunehmendem Maße die fog. Pflegeämter für Gefährdetenfürsorge und Krankheitsbehandlung als Abteilung ihrer fommunalen Wohlfahrtspflege. Altona und Dresden find vorangegangen, die letztere Stadt hat unter Mitarbeit unferer Genofsinnen und Genossen mustergültige Einrich tungen geschaffen. In Frankfurt a. M. haben wir die fommunale Gefährdetenfürsorge längst. Eben beraten wir mit dem Polizeipräsidium, in welcher Weise die Stadt am 1. April bei Schließung der Bordelle an Stelle der Sittenpolizei einzutreten hat. In Görlitz und anderswo ist man mit der Einrichtung des kommunalen Pflegeamts beschäftigt. Ueberall in diesen Städten verschwinden allmählich polizei liche Reglementierung und Bordelle und geht die Ueberwachung der Geschlechtskrankheiten und damit auch der Prostitution in die gesundheitliche und soziale Fürsorge der Pflegeämter über. Natürlich ist die Hilfe der Polizei zur Erfassung der Widerstrebenden nach wie vor notwendig. Sie macht auch noch ihre regelmäßigen Streifen. Die geschlechtsfrank Aufgegriffenen liefert sie in die Verwahrungsanstalten der kommunalen Pflegeämter oder der mit der Gemeindeein richtung arbeitenden Vereine ab. Sonst tritt die Polizei gegen einzelne fürsorgebedürftige Männer und Frauen auf Ersuchen des Pflegeamts in Aftion, wenn alle gütlichen Mittel des Pflegeamts erschöpft sind und es gilt, Wider spenstige der Heilung zuzuführen, aber immer durch das Pflegeamt und nach seinen gesundheitlichen und sozialen Regeln.
Darf ich mich nun bei Ihnen, ganz privatim, erfundigen, wie sich bei Ihnen die Verhältnisse entwickelt haben? Ich werde nach Erscheinen meines Buches über diese Frage viel fach als Gutachter angegangen und habe mehrfach in Vorträgen vor Gemeindebeamten und Städtevertretern die neueren Einrichtungen darzustellen. Wichtig wäre es, ob das Polizeipräsidium ebenfalls die Sittenpolizei abbauen will und dadurch das dortige städtische Gesundheitsamt ver anlaßt, die modernen Ersatzeinrichtungen zu schaffen. Mit bestem Dank im voraus für Ihre Auskunft und- besten Grüßen Ihr ergebener Dr. M. Qu.
die Bedeutung des Eides aufmerksam und fragte sie schließlich, ob sie in der heute hier anwesenden Mutter des fraglichen Kindes jenes Mädchen wiedererkennen, mit dem sie vor nun bald zwei Jahren geschlechtlichen Umgang gepflogen haben wollten.
Die also Befragten waren sich über ihre Aussage, die sie ja bereits früher vor demselben Richter gemacht hatten, völlig im flaren. Sie erklärten beide, ihre damalige Bekundung aufrechtzuerhalten und in der Anwesenden mit absoluter Sicherheit die Frieda Lindner aus 2. wiederzuerkennen. Sie machten auch noch nähere Angaben über verschiedene Einzelheiten.
Der Richter war über die Dreistigkeit der beiden empört, ließ sich aber nichts merken. Eindringlich ermahnte er sie, ja die Wahrheit zu sagen. Sie sollten ihr Gewissen nicht durch eine Unbedachtsamkeit belasten. Ihre Aussage schädige die Mutter und das Kind in schwerer Weise, zudem stehe auf Falscheid Zuchthausstrafe. Schließlich sei ja ein Irrtum nicht ausgeschlossen. Es fönne ja eine andere gewesen sein, mit der sie damals verkehrt hätten. Vielleicht deren Schwester, die heute mit aus A. herübergekommen sei.
Nach diesen Worten ließ er Frieda Lindner, die inzwischen herbeigeholt worden war, unter anderem Bornamen ins 3immer rufen. Die beiden Schwurzeugen ließen ihre Blicke über die Hereingetretene gleiten, um darauf einmütig zu befunden, daß ihnen diese völlig unbekannt sei.
Auf die Frage des Richters, ob sie bereit seien, ihre Ausfage zu beeiden, antworteten beide mit einem sicheren„ Ja“. Der Richter erhob sich, bedeckte sein Haupt mit dem schwarzen Barett und ließ den einen der beiden Männer die Anfangsworte der Eides formel nachsprechen. Hierauf brach er die
Die Frauen und die Staatskirche
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Auf den in Nr. 4 der„ Gleichheit" erschienenen gleichnamigen Artikel von Val. Gerhard- Eulo ist uns nachstehende Erwiderung zugegangen. Die Red.
Bei der großen Bedeutung, die die Frage für uns Frauen hat, ob Religion und Sozialismus miteinander vereinbar sind, möchte ich ganz besonders auf folgendes aufmerksam machen:
Daß unsere Partei in den Kreisen religiös empfindender Frauen auch da, wo sonst alle Vorbedingungen für die Mitgliedschaft gegeben sind, auf Ablehnung stößt, liegt vor allem daran, daß religiöse Fragen- also Angelegenheiten, die letzten Endes jeder mit sich selbst abzumachen hat- nicht immer mit dem nötigen Zartgefühl behandelt werden.
Niemand, der sich zu einer Religion bekennt und der also glaubt, daß es auch Dinge gibt, die wir nur gefühlsmäßig empfinden können( wie das Gefühl von einer Macht über uns), wird es etwa dem, der anderer Ansicht ist, verübeln, wenn er sich für seine Person dem Glauben gegenüber ablehnend verhält. Sehr oft dünken sich aber die Aufgeklärten" als besondere Parteigenossen und sind in ihrer Art recht unduldsam. Gerade die Frauen werden durch Aeußerungen, die sich gegen ihre gefühlsmäßige Denkart richten, ganz besonders abgestoßen.
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Nur durch äußerste Rücksichtnahme auf die Anschauung anderer können wir Sozialisten beweisen, daß es uns Ernst damit ist, daß Religion Privatsache ist. An dieser Rücksichtnahme hat es bisher vielfach gefehlt! Als Sozialisten müssen wir in der Achtung vor jeder ehrlichen Anschauung vorangehen. Soweit eine firchliche Gemeinschaft- heiße sie, wie fie wolle sich in den Dienst einer einseitigen Politik stellt und somit das Religiöse hinter das Politische zurücktritt, müssen wir selbstverständlich die kirchliche Organisation als politische Gegnerschaft bekämpfen. Dieser Kampf hat aber vor dem Religiösen Halt zu machen.
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Wenn wir uns taftvoller da verhalten, wo es sich um eine Gesinnung handelt, die jeder mit sich selbst abzumachen hat, dann werden die religiös empfindenden Frauen bald einsehen, daß der idealistische Sozialismus auch ihren Anschauungen vollauf gerecht wird. Gertrude Eisfelder
weitere Eideshandlung ab und sagte den beiden ihre Schlechtigkeit auf den Kopf zu.
Als diese merkten, in welche Falle sie gegangen waren, wurden sie äußerst bedrückt. Der Richter eröffnete ihnen, daß sie auf der Stelle wegen versuchten Falscheides in Haft genommen würden. Schwere Strafe stünde ihnen bevor. Durch ein offenes Eingeständnis fönnten sie diese abschwächen.
Angesichts der für sie verlorenen Situation und in der Hoffnung auf zu erwirkende mildernde Umstände bekannten die zu dem schlimmen Spiel Bereitgewefenen, daß der von der Kindesmutter als Vater angegebene Herr sich in einer Schenke an sie herangemacht habe. Im Gespräch habe dieser von ihnen erfahren, daß sie beide vor zwei Jahren in A. als Soldaten gestanden hätten. Darauf habe er sie aufgefordert, ihm in seiner Alimentationsfache als Eideshelfer zu dienen. Für das Glücken feines Planes habe er ihnen eine größere Summe zugesichert. Da sie beide ohne Arbeit gewesen seien, hätten sie sich schließlich hierzu bereit erklärt. Der Fremde habe ihnen hiernach einen geringen Teil der genannten Summe als Vorschuß ausgehändigt, worauf man sich eingehend über Zeit und Dertlichkeit der zu bezeugenden Dinge verständigt habe.
Nachdem diese Erklärungen zu Protokoll genommen waren, verfügte der Richter die Inhaftierung der beiden. Wenige Tage später fand die Verhandlung in A. statt. Der Anstifter zu dem versuchten Falscheid wurde zur Zahlung der Unterhaltskosten für das Kind verpflichtet. Da er wohlhabend war, wurde ein Teil seines Vermögens für diesen Zweck beschlagnahmt. Er selbst wurde in Haft genommen, um nach einigen Wochen zu einer hohen Gefängnisstrafe verurteilt zu werden. Das gleiche Schicksal ereilte seine beiden Eideshelfer,