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Die Gleich beit

Aufenthalt in London   wieder eine faufmännische Stellung in jener Firma in Manchester   an. Nicht zuletzt in der Absicht, durch diese Tätigkeit den Raum für eine wirtfame materielle Unterstützung feines Freundes Marr zu schaffen.

Durch Jahrzehnte hat Engels von seinem Arbeitsver. dienst die Familie Marg unterstüßt, nicht in der Art eines Gönners, fondern in der stillen des treuen Freundes und Kameraden. Er hat nie selbst eine Familie gegründet. Um so wirksamer tonnte er sich der größeren Aufgabe widmen, dem überragenden Freunde zur Seite zu stehen, damit deffen Lebenswert im Interesse der arbeitenden Klaffe vollendet werde. Es blieb aber nicht nur bei der geldlichen Unter­stützung. Viel wichtiger und bewundernswerter ist die geistige Hilfe, die Engels an Marg gewährte. Er, der selbst den größten Teil des Tages auf dem Kontorbod über fauf­männische Rechnungsbücher saß, fand trotzdem Gelegenheit, nicht nur umfangreiche Briefe mit Marg über die ver­schiedensten wissenschaftlichen Fragen zu wechseln, die sie beide bewegten, sondern auch seinem Freunde den schrift­stellerischen Broterwerb zu erleichtern, indem er deffen Auf­föße ins Englische übersetzte, folange Marg nicht selbst in der

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In diesem engen Zusammenwirten troh räumlicher Trennung schmiedeten die beiden Freunde jene geistigen Waffen, die heute von der sozialistischen   Arbeiterschaft der ganzen Welt im Ringen mit dem Kapital benutzt werden. Sie lösten die sozialistische Theorie los von der gefühls­mäßigen Systembauerei der Utopisten und stellten sie auf die feste Grundlage kritisch- wissenschaftlicher Beweisführung. Die Entwicklung des Sozialismus von der Utople zur Wissenschaft" hat Engels selbst eine in diefer Erilzeit ent standene Schrift genannt und schon durch diesen Buchtitel der gesamten Arbeit von Marg und Engels die charakte ristische Bezeichnung gegeben.

So ward das Eril zur Waffenschmiede, nicht für eine neue preußisch- deutsche Revolution im Sinne des März, sondern für die größere Revolutionierung der Hirne, wie sie in der Arbeiterschaft der ganzen Welt, feit Gründung der Sozialdemokratie besonders auch in Deutsch  land vor sich ging.

Sprache des Landes ganz sicher war. Aber darüber hinaus Schulunterricht im Geiste der Völker­

suchte und lieferte er für Marg noch oft das einschlägige Ma­terial, das er für seine Arbeiten brauchte. Ja, er schrieb fogar, um Marg Zeit für seine wissenschaftliche Tätigkeit zu laffen, manchen Artikel felbst, der dann im Namen von Marg und für dessen Rechnung an amerikanische   Blätter zum Abdruck ging.

Unverwüftlich in seiner Arbeitskraft, war Engels auch un­verwüftlich in seinem Freundschaftsverhältnis zu seinem großen Gesinnungs- und Arbeitsgenossen. Zweifellos war Mary von beiden der überragende Denker, aber trotzdem ist das große Werf, das sie geschaffen, nur als ein gemeinsames anzusehen. Sie haben sich derart gegenseitig in ihrem Schaffen beeinflußt und ergänzt, daß oft kaum noch festzu­stellen ist, wann der Einfluß des einen stärker als der des anderen war. Und schließlich war Engels der praktischere von beiden, der schon nach dieser Richtung eine unentbehr liche Ergänzung zu der Gelehrtennatur von Marg bedeutete.

Matten mit bunten Blumen bestickt, wie Sterne, die am nächtigen Himmel schwimmen. Gelbe und braune fruchtbirgende Felder, die Täler in blau und filber, die wandernden Wolfen über uns und die helleuchtenden Wiesen, die sonnentrinfenden Höhen und Berge, die stillen Seen und der jungfräuliche Gesang in den frisch­laubigen Wäldern all!

Das fonntägige Lachen und Jauchzen, das Tanzen und Springen. Das trunkene Fröhlichfein und das Vergessen der Enge der Stadt! Und die Mißmutigen, die Berzweifelten, die Ungläubigen und Zerbrochenen?

Und die inmitten den grauaufsteilenden Häuserquadern, den grün­lüfternen fordernden Schächten und Höfen? Die in den elenden Gassen und lichtarmen Kellerlöchern, verzweifelt und dumpf? Schwefter! Bruder! Gehe hin zu ihnen, faß ihre Hände und fage, daß es Frühling ist!... Walther G. Ofchilewsti.

Der Blinde im Frühling

Er ichreitet langfam hin wie alte Frauen Mit welkem, abgewendetem Geficht. Kein Strahl das Dunkel feiner Augen bricht. Er liebt nicht wie die Wolken Berge bauen. Die Wälder grünen und die Fimmel blauen: Den holden Farbenzauber Ipürt er nicht. Und einmal doch wird leine Seele licht: Duftfchwere Lüfte hauchen durch die Huen. Da muß er feine kalten Arme heben Und ist den warmen Winden hingegeben

Und duldet die Umarmung felig, ftumm.

Und inniger die Lüfte ihn umfächeln

Und bringen leinen ftarren Mund zum Lächeln Und find ihm wie ein Evangelium.

Kas Stamm.

versöhnung

Ludwig Börne   hat es einmal als die Bestimmung der Frauen bezeichnet, die zerfallenen Böller, die sich befriegenden Bürger zu vereinigen, zu verföhnen". In der Tat sind die Frauen der vera fchiedenen Bölker untereinander nicht so verschieden wie die Männer, bei denen die nationalistischen Leidenschaften weit stärker sind. Börne begründet dies aus dem Mutterherzen der Frauen, das ftets das nämliche gewesen sei, zu allen Zeiten, bei allen Bölfern, unter jedem Himmel. Gegen die Richtigkeit diefer Tatsache spricht nicht der Umstand, daß in Deutschland   für Demofraten und Sozialisten, also die Parteien, die den Krieg befämpfen, mehr Männer als Frauen ihre Stimme bei den Wahlen abgeben, für das Zentrum und die beiden Rechtspartelen aber mehr Frauen als Männer. Ties wird anders werden, wenn die Frauen politisch mehr aufgeklärt werden. Da die Frauen von Natur internationaler fühlen und denken, fo sind sie als Mütter und Lehrerinnen vor allen Dingen dazu be stimmt, das kommende Geschlecht im Geiste der Völkerperföhnung" zu erziehen, wie es in Artikel 148 der Reichsverfassung vor

Büchersch au

Aufgaben fünftiger Völkerbund- Erziehung" von Dr. Elisa­beth Rotten. Mit einem Geleitwort von Friedrich Wilhelm Foerster  . Verlag Ernst Rohwolt, Berlin  . 23 Seiten. Preis 4 Mr. Die Leiterin der Pädagogischen   Abteilung der Deutschen Liga für Völkerbund hat in einer ausgezeichneten fleinen Schrift, zu der Foerster das Geleitwort schrieb, Grundgedanken der Bölkerbund politik niedergelegt, wie fie fie gern verwirklichen möchte. Die Berfasserin ist sich vollkommen bewußt, daß ihre Arbeit Grund legen muß zu etwas welt- und ideengeschichtlich unerhört Neuem". Sie weiß ferner, daß dieser erste Bersuch von manchen Irrtümern, von manchen Fehlgriffen begleitet sein wird, und daß erst eine endgültige Form gefunden werden muß. Doch was fie bis jetzt an Grundgedanken ihrer Arbeit bekennt, läßt die Zuversicht wach­fen, daß ihr Ziel erreicht wird. Sie geht aus von der Entwicklung Deutschlands   in den letzten 50 Jahren, da der technisch- wirtschaft liche Fortschritt alle berauschte, die rechtlich- ethische Entwidlung aber dafür ins Hintertreffen geriet. Um diesen Mangel auszu gleichen, darf nun nicht plöhlich eine platte pazififtische Gesinnung in der Jugend großgezogen werden, die in den Stunden der Not nicht standhalten könnte, sondern der Erzieher seht viel tiefer ein. Nicht im Verstand, sondern viel tiefer im Gefühlsleben und im religiösen Gewissen der Menschheit sollen die Hemmungen gegen den Krieg eingelagert sein, und das Gefühl wird als positiver Faktor für die Bildung des Willens zu vernunftgemäßem Handeln gewertet".

Eine schwere, die ganze heutige Pädagogik umftürzende Aufgabe liegt in diefem einfachen Programm beschlossen. Aber eine Jugend, die in diesem Geist erzogen ist, wird eine neue Welt oufaubanen imftande sein, in der die Feindseligkeiten zwischen den Klassen, die Feindseligkeiten zwischen Nationen nunmehr der Bergangenheit angehören. M. R.