95 D i e Gleichheit Nr. 10 Schutzimpfungen und Heilsera Von Dr.®. Wolff Die Bekämpfung der ansteckenden Krankheiten ist eine jzaupt- aufgäbe der modernen Hygiene geworden. Seit Louis P a st e u r s und Robert Kochs bahnbrechenden Arbeiten weiß man, daß Kleinlebewesen pflanzlicher und tierischer Art, die als Bazillen und Protozoen gekennzeichneten Mikroorganismen, die an- steckenden Krankheiten verbreiten. Typhus und Cholera, Diphtherie und Masern, Malaria und Fleckfieber werden durch solche Mikro» organismen verursacht, wenn es der rastlos arbeitenden Forschung auch nicht immer gelungen ist. denKrankheitserreger" für alle Arten der übertragbaren Krankheiten aufzufinden. Der Kampf gegen die Infektionskrankheiten ist infolgedessen ein Kampf gegen die Bazillen geworden, auch da, wo wir die Natur des einzelnen Bazillus noch nicht genau kennen. Ein Beispiel dafür liefern uns die Pocken, jene schrecklich« Infektionskrankheit, der in früheren Jahrhunderten viele Hunderttausend von Menschen jährlich erlagen, der noch im Anschluß an den Krieg von 1870/71 auch in Deutsch « land mehr als 100 000 Menschen zum Opfer fielen, das Dreifach« dessen, was der damalige Krieg, eine Spielerei gegen den Welt- krieg, an blutigen Todesopfern gefordert hatte! Den Erreger der schwarzen Pocken kennen wir noch nicht: trotz- dem haben wir in der S ch u tz p o ck e n i m p f u n g das souverän« Mittel, der Krankheit Herr zu werden. Di« Impfung hält etwa zehn bis zwölf Jahre vor: dann erlischt der Impfschutz wieder und kann durch eine neue Impfung leicht vervollständigt werden. Die Wirksamkeit der Schutzimpfung hat sich gerade während des Weltkrieges bewährt, wo unsere Truppen vollständig von Pocken verschont geblieben sind, obwohl sie im Osten und Südosten dauernd mit poaenverseuchter Bevölkerung zu tun hatten. Erkrankt sind seit dem Jahre 1916 in Deutschland nur eine Reihe von vorwiegind älteren Leuten, die seit langem nicht geimpft waren und infolge- dessen keinen genügenden Schutz mehr gegen das Pockengift bejahen. Nach dem Vorbild der Pockenschutzimpfung hat mau während des Krieges zwei andere Schutzimpfungen in großem Maßstabe durchgeführt, die Typhus - und C h o l e r a s ch u tz un p s u n g. Entsprechend der Erfahrung aus früheren Kriegen, wonach diese Darmkrankheiten ebenso wie die Ruhr gewaltig unter den dicht beieinander wohnenden und der Friedenshygiene entbehreno-a Soldaten um sich zu greifen pflegen, sollte versucht werden, diese Infektionskrankheiten durch Schutzimpfungen ihrer Schrecken zu berauben. Es besteht kern Zweifel, daß auch hier die Impfungen erläutert an dem Wachsen dieses Unternehmens die Entwicklung der Volkswirtschaft, und zwar der modernen Wirtschaftsform. Wir sehen, wie dieser kleineStaat" zu Außenhandel, Zollwesen und Deoisenrechnung kommt. Der Gütcrberg ist eine angesammelt« Menge Arbeitskraft, die der Allgemeinheit gehört. Für sein Wachstum zu sorgen, ist die Pflicht und da» Ziel jedes einzelnen. So stellt das Buch auch die Erläuterung des Genossenjchasts- gedankens dar. Für uns ist die Schilderung mitunter etwas naiv und einseitig, aber das wäre noch nicht der größte Schaden. Gelegentlich kam- men wir jedoch in Widerspruch. So z. B. sagt derLudwigs- länder" Siedler(die Insel ist Ludwigsland genannt worden) un- gefähr folgendes:Mein Stundenlohn reicht nicht aus, jeden zer- rissenen Schuh von mir und meiner Familie beim Schuster flicken zu lassen, weshalb ich die Reparatur des Schuhwerks selbst vor- nehme und natürlich dabei, weil Uebung und geeignetes Werkzeug fehlt, viel Zeit vergeude. Der Schuster hätte Besseres in der halben Zeit gemacht. Nichtiger wäre es gewesen, ich hätte in meiner Nähmaschinenfabrik(in der er beschäftigt ist) Ucberstuuden machen und damit den Schuster bezahlen können." Der Mann geht dabei von dem Gedanken aus, daß der geübte Schuster für dieselbe Arbeit nur die halbe Zeit gebraucht und bezahlt bekommt, während er, der Fabrikarbeiter, für sich trotz der Ueberstunden, mehr freie Zeit gehabt hätte, als wenn er die Stiefel allein repa- ricrte. Das führt natürlich zu ganz falschen Aufsasiungcn. Der Lohn des Arbeiters ist dazu da, seine notwen- digrn Bedürfnisse zu decken, und dazu gehört auch die Reparatur des Schuhwerks durch einen Schuster. Man kann doch unmöglich als normal und wünschenswert annehmen, daß der Arbeiter, um sein Schuhwerk zu ergänzen und instandznholten, erst Ueberstunden machen muß. Es stecken in dem Buch übrigens sehr viel Anspielungen aus den Achtstundentag. Man merkt deutlich die Absicht des Verfassers, wenn er eine»alten großen Erfolg gehabt haben. Diese Kriegsseuchen hätten einen viel gewaltigeren Umfang in unfern und den feindlichen Heeren genommen, wenn nicht überall die Schutzimpfungen durchgeführt worden wären. Der Ausbruch der Krankheiten konnte zwar nicht immer verhindert werden: in den meisten Fällen verliefen aber Typhus und Cholera bei geimpften Soldaten viel leichter als bei nicht geimpften. Durch die Schutzimpfungen wollen wir versuchen, den Menschen immun, d. h. unempfindlich gegen eine spätere Infektion zu machen: ö» diesem Zweck führen wir ihm das Krankheitsgift In abgeschwächter Form zu, machen ihn also in unschädlicher Weis« leichtkrank(wie etwa bei der Pockenimpfung) und veranlassen ihn dadurch, in seinem Organismus Abwehrstoffe in reichlicher Menge zu bilden, die ihn vor späterer Erkrankung schützen, selbst wenn das Krankheitsgift immer wieder an ihn herantreten kann. Diese« ideale Mittel, den Kampf mit den Bazillen aufzunehmen, läßt sich leider nicht überall durchführen. Man ist nicht immer in der 6age� das Krankheitsgift so abzuschwächen, daß seine Einverleibung kein« Gefahr für den Menschen bedeutet. Teils kennen wir das Krank- heitsgift nicht genau, wie etwa beim Scharlach, beim Fleckfieber, bei den Masern, können es nicht in Reinkultur züchten, teils haben wir nicht die Macht, die Bazillen, die wir kennen, in ihrer Giftigkeit so abzuschwächen, daß wir es wagen dürften, daraus einen wirk» samen und doch harmlosen Impfstoff zu gewinnen. Das ist der Fall zum Beispiel bei der Tuberkulose, der Diphtherie , dem Wund- starrtrampf. Die diese Krankheiten verursachenden Bazillen könne» wir nicht so abschwächen, daß wir damit eine ungefährliche Krank- heit zum Schutz gegen spätere Infektionen hervorrufen können. Da die Bazillen selbst zu giftig waren, hat man nun versucht, Tiere mit ihnen oder dem von ihnen gebildeten Gift zu Immimt» sieren und auf diese Weise Heilsera zu gewinnen, die in groß� Menge Abwehrstoffe gegen die Bazillen enthalten. Das ist in vor» bildlicher Weise Behring für die Diphtherie und den Wund» starrkrampf gelungen. Die mit dem Gift der Diphtherie - und S'.irr» krampfbazillen vorbehandelten Pferde liefern das berühmt« L>e;l» serum oder, genauer ausgedrückt, das Diphtherie- oder Starr» krampf-Antitoxin(Toxin~ Gift, Antitoxin= Gegengift), da» seinen Siegeszug über die ganze zivilisierte Welt genommen hat. Die erkrankten Menschen, die mit diesem Serum behandelt melden, brauchen infolgedessen die Gegengifte nicht selber zu bilden, sonZen» bekommen sie schon fertig zugeführt: sie werden passiv irnim» nifiert im Gegensatz zu den Schutzgeimpften, die selbsttätig, als» aktiv in ihrem Körper die Abwehrstoffe bilden müssen. Di« Gewerkschaftler" zu der Ueoerzeugung kommen läßt, daß der lO'ch- Stundentag eine Selbstverständlichkeit ist, wenigstens für di« Jahre, bis wiraus dem Gröbsten heraus find". Man muß das Buch also mit großer Vorsicht und Aufmerksam» keit lesen, und sich daraufhin in das Studium unserer sozialistische» volkswirtschaftlichen Literatur vertiefen. E. Rdt. Die Buchhandlung Vorwärts I. H. W. Dietz Nachf., Berll» SW. 68, Lindenstr. 3, hat in letzter Zeit folgende Neuerscheimmge» herausgegeben: kommenlar zum Reichsjugendwohlsahrlgeseh. van D r. Ca- s p a r i, Preis 15 Mk. Ebenfalls für alle in der Wohlfahrtspfleg« Tätigen wichtig, besonders in Anbetracht des in Beratung stehen» den Gesetzentwurses. Geschichte der modernen Gesellschaftsklassen ln Deutschland , vo» Paul Kampffmeyer , dritte vermehrt« und verbesserte Auf- tage, Preis broschiert 18 Mk.. gebunden 24 Mk. Das Wert ist eine gedrängte deutsche Sozial- und Kulturgeschichte. Kullurlehre des Sozialismus, von GustavRadbruch, 12 Mk. Volkstümliche Einführung in das Marxstudium, von Paul Fischer, durchgesehen und vervollständigt von Paul Kampfs» meyer, Preis 6 Wk. Im Dienst der Entente, von Gen. Keil, 3 Mk. Die Schrift zeigt an Hand des ftanzösischen Geheimberichts Nr. 7 den Landes» verrat unserer Alldeutschen. Der große Alalow. Jubiläumsausgabe des Kommentars zum Be» triebsrätegesctz von Dr. Georg Flatow, Preis 100 Mk., bei sofortiger Bestellung zum ermäßigten Preise von 90 Mk. Ferner noch zwei Erläuterungen zu unserem Görlitzer Pro» gramm: Kullur- und Schulpolitik, von Antonie Pfülf , 2 Mk., und Sozialpolitik, von Max O u a r ck, 1F0 Mk.