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standen, aber auch sonst bei ihrer Werbetätigkeit sich aufs allerschärfste bekämpften. Dies trat besonders in Erscheinung, als nach dem Kriege von 1866 in dem neugeschaffenen Nord­deutschen Bunde auf Grund des allgemeinen Wahlrechts ein fonstituierender Reichstag gewählt wurde. In diesen kon­ftituierenden Reichstag war fein Lassalleaner, wohl aber als Bertreter der Sächsischen Volkspartei August Bebel gewählt worden.

Der Deutsch - Französische Krieg, der im Sommer 1870 aus­brach, vertiefte zunächst den 3wiespalt zwischen beiden Par­teien. Bebel und Liebknecht, die in Sachsen gewählt wurden, enthielten sich bei der Abstimmung über die von Bismard im Norddeutschen Reichstag geforderten Kriegskredite ihrer Stimme, indem sie erklärten, daß sie weder durch Bewil ligung für die Bismarcksche Gewaltpolitit, noch durch Ab­lehnung für die imperialistischen Bestrebungen Napoleons III. Partei ergreifen wollten. Die Lassalleschen Abgeordneten Schweizer, Fritzsche und Mende hingegen stimmten den ge­forderten Krediten zu, indem sie zwar nicht im Reichstag, wohl aber in ihrer Presse zum Ausdruck brachten, daß gegen­über den französischen Angriffsgelüften die Verteidigung ein Gebot der Pflicht sei.

Auch innerhalb der Eisenacher Partei waren die Meinungen durchaus geteilt. Die Zentralbehörde dieser Partei, der fo­genannte Braunschweiger Ausschuß, nahm gegen die beiden Abgeordneten Bebel und Liebknecht Stellung und erklärte, daß es unbedingte Pflicht der deutschen Arbeiter sei, den französischen Ueberfall auf Deutschland abzuschlagen. Erst als Napoleon III. bei Sedan gefangengenommen, die fran­ zösische Republik ausgerufen war und daraufhin die An­nerionsabsichten Bismards immer flarer wurden, traten so­wohl der Braunschweiger Ausschuß als auch die Abgeord­neten der Lassalleaner gegen die Fortführung des Krieges auf. Der Braunschweigische Ausschuß veröffentlichte eine große Protesterklärung mit der Wirkung, daß der kommandierende preußische General Bogel von Fenstein sämtliche Mit­glieder des Braunschweiger Ausschusses gefangensetzte und in Ketten nach der ostpreußischen Feftung Lözen transportieren ließ, ebenso einige bekannte Mitglieder der Eisenacher Partei in Hamburg . Die Gefangenfeßung der Braunschweiger mußte zwar nach einiger Zeit mieder aufgehoben werden, da sich durch Klage vor Gericht herausstellte, daß der Falden­Steiner in Braunschweig nichts zu kommandieren und daher feine Befugnisse weit überschritten hatte.

Die Nachwirkung dieser gemeinsamen Stellungnahme gegen die Annerionsbestrebungen Bismards zeigte sich na ch Beendigung des Krieges in bösartigster Weise. Schon bald nach der ersten Abstimmung im Reichstage hatten nationa­listisch aufgewiegelte Studenten in der Wohnung Liebknechts fämtliche Fensterscheiben eingeworfen und auch Bebel die gleiche Demonstration zugedacht. Hieran wurden sie aber nur dadurch verhindert, daß Bebel im Hinterhause wohnte und der Pförtner des betreffenden Hauses rechtzeitig die Tür zur Straße geschlossen hatte. Die Behörden aber waren durch Die Haltung der beiden Abgeordneten und ihres Leipziger Blattes, das seit der Gründung der Eisenacher Partei den Namen Boltsstaat" angenommen hatte, dermaßen patriotisch erregt, daß sie gegen Bebel , Liebknecht und den Mitredakteur des Boltsstaats" Adolf Hepner ein Strafverfahren wegen Hochverrats in Szene fetzten. Die Leipziger Geschworenen verurteilten auch Bebel und Liebknecht zu mehrjähriger Festungshaft. Gleichzeitig begann gegen alle Arbeiterorganis fationen ein zäher politischer und gerichtlicher Kleinfrieg, der vielfach zur Auflösung der Organisationen und zur Bestra fung ihrer jeweiligen Leiter führte.

Auf der anderen Seite aber hatte die Nachwirkung des Krieges eine große Arbeits Infigteit geschaffen und dadurch das Bedürfnis nach festerem Zusammenschluß der Arbeiter auch in Gewerkschaften immer deutlicher in Erscheinung treten lassen. Lokale Streifs waren an der Tages­ordnung und der Kampf um Arbeitszeit und geregelter Lohn

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schärften den Arbeitern deutlicher noch als die gelehrtesten Vorträge die Notwendigkeit ihrer klassenmäßigen Organi Jation ein.

Aber auch gelegentliche gemeinsam geführte Kämpfe gegen

gemeinsamen Gegn schuf den Bruderzwist nod) I nge nicht aus der Welt. Es bedurfte erst des konzentriert.n Bor stoßes preußischer Gewaltpolitit, um den streitenden Bruder­parteien begreiflich zu machen, daß nur eine straffe Busam menfassung ihrer Kräfte dem gemeinsamen Ansturm wider­stehen konnte. Der Weg dafür wurde bereitet, nachdem Schweizer von der Leitung des Allgemeinen Deutschen Ar­ beitervereins zurückgetreten war und eine neue juiche Ber folgungsepidemie, die mit dem Namen des Staatsanwalts Tessendorf eng verknüpft ist, alle Organisationen der Arbeitervereine aufgelöst hatte. Nach langen Vorberatungen gelang es erst im Jahre 1875 den Vertretern beider Parteien, auf dem Vereinigungstongreß von Gotha eine einheitliche Partei mit neuem Programm herzustellen, die fortab den Namen Sozialistische Arbeiterpartei Deutsch­ lands " trug.

Die Frauen in den Notstands­maßnahmen für Sozialrentenempfänger

Die große Not der Empfänger von Renten aus der Invaliden­und der Angestelltenversicherung erforderte, daß ihnen durch besen. dere Maßnahmen eine Hilfe bereitet wird. Beträgt doch z. B. eine Invalidenrente trotz allen Leuerungszulagen auch heute nur noch etroa 95 Mt. im Monat. Es erschien das Gesetz vom 7. Dezember 1921 mit einer Ergänzung vom 24. April 1922, das die Gemein. den verpflichtet, den erwähnten Rentenempfängern auf Antrag eine Unterstützung nach näheren Vorschriften zu gewähren. Sie ist in der Invalidenversicherung in einer felchen Höhe bemeffen, baß das Gesamtjahreseinkommen des Empfängers ciner Invaliden. oder Altersrente den Betrag von 3000 Mt., einer Witwenrente von 2100 Mt., einer Waifenrente von 1200 Mt. erreicht. Entsprechende Unterstützungen find an Empfänger ven Ruhegeld oder Hinterblie. benenrente aus der Angestelltenversicherung au gewähren, an Wit men jedoch nur, wenn sie invalide im Sinne der Invalidenversiche rung find. Hat der Empfänger Kinder unter 15 Jahren, die nicht selbst Renten beziehen, so erhöht sich die für das Gesamtjahres einkommen anzurechnende Grenze um 500 Mt. für jedes Kind. Für das vierte und jedes weitere Kind beträgt diese Erhöhung 600 Mt. Elternlose Entel unter 15 Jahren, deren Unterhalt der Renten­empfänger ganz cter überwiegend bestreitet, werden jenen Rin. dern gleichgestellt. Ein neuer§ 2a beftimmt: Die Unterstüßung fann, soweit besondere Umstände es erfordern, bis zu einem solchen Betrag erhöht werden, daß das Gesamtjahreseinfommen des Empfängers einer Invaliden- oder Altersrente eber eines Ruhe. geldes den Betrag von 4800 mt., einer Witwenrente von 3300 Mt., einer Baifenrente von 2000 Mt. erreicht. Die Form dieser Aus­geftaltung bringt jebenfalls viel Streitftoff, denn was find befon dere Umstände"? Entweder die Unterstützung ist auf Grund der näher vorgesehenen Berechnung zu zahlen oder sie ist nicht zu zah len. Es muß auch eine bestimmte Einheitlichkeit bestehen. Man hätte also follen das Eriftenzminimum gleichmäßig auf 4800, 3300 und 2000 mt. erhöhen.

Bei Berechnung des Gesamtjahreseinfommens bleibt ein etwaiger Arbeitsvetdienst bis zum Jahresbetrage von 4000 Mt. außer An­fatz. Bis zum Betrage von 1200 Mt. insgesamt sind auf das Ge­famijahreseinkommen nicht anzurechnen Bezüge aus der Militär­oder Kriegsversorgung, der fnappfhaftlichen Bersicherung, aus öffentlichen oder privaten Versicherungen, aus privaten Unter. stützungseinrichtungen sowie aus Sparguthaben.

Nun temmen aber einige Vorschriften, die namentlich für die Frauen außerordentlich nachteilig sind und die, wenn fie buch­stäblich eingehalten werden, in den weitaus meisten Fällen dahin führen, daß sie überhaupt nichts erhalten. Ebenso un günstig sind diese Vorschriften für die Empfänger von Waisen. renten Das Gefes fagt nämlich:" Die Bezüge der Hinterblie benen sind hierbei( das heißt bei der Anrechnung der aufgeführten Unterstübungen usw.) zusammenzurechnen. Einkommen aus unter. stützung durch Angehörige ist auf das Gefamijahreseintommenn in. soweit nicht anzurechnen, als es über die gesetzliche Unterhalts. pflicht oder über vertraglich übernommene Berpflichtungen hin. ausgeht."