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Die Gleich heit

Mit Ausbruch des Krieges, der Handel und Wandel lahm legte und alle heimische Fabrikation auf Kriegsmaterial ein­stellte, fanden auch die Heimarbeiterinnen zum großen Teil Aufnahme in den Fabriken. Wohl verdienten sie hier mehr Geld, aber sie fanden kaum noch die Zeit, die rationierten Lebensmittel einzukaufen. Wer erinnert sich nicht der langen Polonaisen, die täglich vor den Läden Aufstellung fanden. Selbstverständlich wurde dadurch die Ernährung im allge­meinen schlechter, und besonders wirkte sie auf die jungen Kinder. So stieg mit dem Knappwerden der Lebensmittel die Kindernot und die Unterernährung im allgemeinen. Die nicht ganz widerstandsfähigen und die während des Krieges geborenen Kinder fiechten langsam dahin, bis der Kirchhofs rasen sie deckte. Auch in der Nachkriegszeit forderte der zu nächst noch herrschende Lebensmittelmangel und die steigende Teuerung aller Bedarfsartikel noch viele Opfer.

Da nahten die Freunde aus Amerika und zum Teil auch aus England, vertreten durch die Quäker. Aus sozialen und menschenfreundlichen Beweggründen errichteten sie hier in Deutschland eine umfassende Kinderhilfe durch Speisung von Kindern und unterernährten Jugendlichen bis zu 18 Jahren. Diese Speisungen, unter dem Namen Quäferspeisungen" be­fannt, erweiterten sich nach und nach so, daß auch Schwangere und stillende Mütter an dieser Speisung teil­nehmen fonnten. Geradezu segensreich hat diese Speisung Der Unterernährung in Deutschland entgegengewirkt. Das Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat durch den deutschen Zentralausschuß für die Auslandshilfe ( D32.) beim Kinderhilfswerk mitgewirkt durch unentgeltliche Lieferung von Mehl und Zucker und Gewährung freien Transports der Waren in die einzelnen Speisungsorte ab Hamburg . Auch der Reichstag hat wiederholt Mittel, und zwar legtmalig im Dezember 1921 100 Millionen Mark, zur Lieferung von Mehl und Zucker bewilligt. Ende des Jahres 1921 find die Quäfer von der Leitung der praktischen Durchführung ihrer Aufgabe zurückgetreten, und ein großer Teil der Quäferfommission ist nach dem hungernden Ruß­ land gegangen, um dort Hilfe zu bringen.

Der Deutsche Zentralausschuß für die Auslandshilfe E.B. hat es nun für notwendig gehalten, in der Deutschen Auslands

Mary Wollstonecraft

Von Anna Blos- Stuttgart

Die Französische Revolution, die verschiedene Frauen und Männer auf den Plan gerufen hatte zur Befreiung des weiblichen Ge­schlechts, hat deren Forderungen nicht erfüllt. Zwar hatte die tühne Olympe de Gonges den berühmten Satz geprägt: Die Frau ist frei geboren und von Rechts wegen dem Manne gleich." Aber Theodor v. Hippel, der Vorfämpfer der Frauenbewegung in Deutschland , wies in seinem Werk: Die bürgerliche Verbesserung der Weiber", das im Jahre 1792 erschien, darauf hin:" Frankreich , wo jetzt alles gleich ist, ließ die Hälfte des Menschengeschlechts un­erlöft." Gleichzeitig mit Hippels Wert erschien in London eine Schrift, welche, ebenfalls durch die Französische Revolution an­geregt, die gleichen Forderungen zur Befreiung der Frau enthielt. Diese Schrift heißt: Eine Verteidigung des Rechts der Frau." Ihre Berfafferin ist Mary Wollstonecraft . Aus Liebe zum ganzen Menschengeschlecht läßt sie diese Schrift erscheinen, um die Frauen in einer Stellung zu sehen, die sie nicht zum Rückschritt verdammt, sondern vorwärts schreiten läßt nach jenen erhabenen Gesetzen, die das Wesen der Moral bilden".

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Ihr Gatte, William Godwin , schrieb in der Einleitung zu Marys Biographie: Es gibt wohl nicht viele Menschen, deren Charakter­Schilderung in näherer Beziehung auf das öffentliche Wohl und auf bie allgemeine Veredelung stehen könnte, als die Verfasserin der Berteidigung der Rechte des Weibes."

Mary Wollstonecraft wurde am 27. April 1759 geboren. Ihr Bater war ein heftiger Despot, ihre Mutter dessen erste und untertänigste Untertanin".

Marys Unterricht war wie der der meisten Mädchen jener Zeit fehr mangelhaft. Sehr früh erwachte der Wunsch in ihr nach persönlicher Freiheit, gestützt auf geistige Arbeit". Da sie diese in thren Stellungen als Gesellschafterin und Erzieherin nicht fand, wandte sie sich der Schriftstellerei zu. Ihre erste Liebe galt einem

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hilfe einen besonderen Ausschuß für Kinderspeisung zu bilden. Diefer arbeitet seit dem 1. Januar und hat auch bereits gute Proben seines Wirkens abgelegt.

Jm 1. Quartal 1922 wurden abzüglich der Sonn- und Feiertage sowie Ferientage an 85 Speisetagen in 1564 Ge meinden und 7900 Ausgabestellen durchschnittlich täglich eine halbe Million Kinder und Erwachsene gespeist. An Lebens

mitteln wurden 8000 Tonnen verabreicht, die mittels 800 Waggons auf dem Schienenwege in die einzelnen Ges meinden geleitet wurden. Die Lebensmittel hatten einen Versicherungswert von etwa 200 Millionen Mart. Der Her stellungswert der einzelnen Mahlzeit belief sich auf 4,80 Mr. einschließlich örtlicher Verwaltungsausgaben. Die Vera waltungskosten des DZA. und der Mittelstufen betrugen auf die einzelne Portion berechnet nur 2 Pfennig. Die Auf wendungen für Kinderspeisung decken sich zur Hälfte aus Mitteln Deutschlands und zur Hälfte aus Mitteln der Amerikanischen Kinderhilfsmission. Für die einzelne Mahl zeit wurde in den einzelnen Speifungsorten bis zu 1 Mr. Entschädigung pro Mahlzeit erhoben. Kinder, deren Eltern gar nichts zahlen können, dürfen nicht von der Speisung zurückgestellt werden. Sie erhalten die Speisung dann un entgeltlich.

Den sehr Bedürftigen ist durch diese Einrichtung eine große Hilfe geboten, die sich besonders in der heutigen Zeit der Lebensmittelteuerung auswirken dürfte. Bei dem besten Willen sind heute weite Kreise der Bevölkerung nicht in der Lage, ihre Kinder so zu nähren, wie notwendig, um die Kriegsschäden verschwinden zu machen. Aus diesen Gründen ist zu wünschen, daß sich größere Kreise, so der Reichstag , die Regierungen der einzelnen Länder sowie die Gemeinden mehr mit der Notwendigkeit der Kinderspeisung beschäftigen und dafür Mittel in ihren Etat einstellen nach dem Grund­say:" Was man für die Kinder gibt, münzt sich um in ge sunde Volkskraft." Vor allem auch müßte diese Kinderfür sorge das Interesse der weiblichen Parlamentarier, der Stadträtinnen und weiblichen Stadtverordneten oder Ge meinderatsmitglieder in Anspruch nehmen und von ihnen ge fördert werden. Wilhelmine Kähler ,

Maler Füßli aus Zürich . Da dieser verheiratet war, blieb die Liebe platonisch. Um sich davon zu befreien, ging Mary 1792 nach Paris . Hier lernte sie den amerikanischen Schriftsteller Gilbert Imlay kennen, dem es gelang, ihr leidenschaftlich nach Zärtlichkeit verlangendes Herz zu gewinnen. Sie vertraute sich, wie Godwin fagt, einem Manne an, von dessen Ehre und Grundsätzen sie eine äußerst hohe Jdze gefaßt hatte. Ihr Zutrauen war unein geschränkt; ihre Liebe war unbegrenzt. Um ihn nicht für die Schulden haftbar zu machen, die Mary für ihre Familie über nommen hatte, ging fie ein freies Verhältnis mit Imlay ein, wenn sie sich auch Mrs. Imlay nannte. Als Mary sich Mutter fühlte, zeigte sich Imlay ihrer hingebenden Liebe unwürdig. Er verließ sie. Zweimal versuchte sie, in ihrer Verzweiflung ihrem Leben ein Ende zu machen. Dann aber nahm sie es mutig auf.

Mary machte nach ihrer Rückkehr nach London Godwins Bea fanntschaft und aus der Freundschaft wurde allmählich Liebe. Erst nach einem halben Jahr wurde der sehr glücklichen Ehe ohne Cere monie" die äußere Form gegeben. Godwin hatte in seinem Wert " Politische Gerechtigkeit" den Satz aufgestellt, daß das ununter brochene Zusammenleben zweier Menschen der geistigen Entwid lung der einzelnen Persönlichkeit hinderlich sei. Als Mary sich aber wieder Mutter fühlte, sollte dem Kinde die Stellung gegeben werden, die das erste entbehrte. und die Eheschließung wurde legitim vollzogen. Leider starb Mary bei der Geburt des Kindes und damit endete ein reiches, vielversprechendes Frauenleben. Aber in ihrem Werke lebt Mary Wollstonecraft noch heute. Godwin schreibt in seiner Dentschrift über die Verteidigung der Frauen rechte: Noch nie trat ein Schriftsteller mit einem brennenderen Berlangen, nicht durch Rednerschmuck zu blenden, sondern durch die Kraft seiner Gründe zu siegen, für seine Sache auf als fie. Sie betrachtete sich, als stände sie da auf dem Kampfplage zur Berteidi­gung einer Hälfte des Menschengeschlechts, die unter einem Joche feufze."

Das Wert Marys weist sicher Ungleichmäßigkeiten und Mängel

Ebe

Friedrich- E