Nr. 12
Die Gleichheit
Urteil fällen fönnen, wenn auch das männliche Geschlecht durch weg wirklich denken kann. Heute behauptet man das vielfach ganz ohne Grund.
Dazu kommt ein weiterer Unterschied zwischen den beiden GeIchlechtern: während der Mann am reinen, abstrakten Denken, an ber Theorie und am Theoretisieren nur zu oft schon Genüge findet, wird die Frau feineswegs davon allein befriedigt. Ihr Sinn ist viel mehr auf das Praktische gerichtet, und bewußt oder unbewußt fragt fie bei jeder Sache nach ihrer praktischen Nutzanwendung. Beide Tatsachen sind eigentlich bekannt. Zudem haben wir ja eine ganze Reihe von Frauen in der Partei, die es zum mindesten wissen müssen. Und doch nehmen wir bei unserer Bemühung, die Frauen für den Sozialismus zu gewinnen, nicht genügend Rücksicht auf diese weiblichen Eigenheiten.
Wir müssen eben mit unserem seitherigen Grundsatz brechen, Die Frauen auf die gleiche Art wie den Mann für den Sozialismus gewinnen zu wollen. Es führen viele Wege zum Sozialismus. Und der Weg der Frau ist ein anderer als der des Mannes. Er muß notgedrungen ein anderer sein infolge ihrer anderen Veranlagung, Vorbildung und bisherigen Erziehung. Wenn auch nicht für alle, so doch für den größten Teil der Frauen führt der Weg zum Sozialismus, zum Gemeinschaftsleben über die Mutterschaft. Hier ist das Reich, wo die Frau Herrscherin ist. Ueber die Fragen ber Mutterschaft und des Kindes führt die große Linie, auf der die Frau über die Interessen des einzelnen hinaus für die Gefamtheit zu bewegen und zu gewinnen ist.
Hier muß unsere Arbeit einsetzen und die Frau in theoretischer Aufklärung und praltischer Einführung und Schulung im Sinne bes Sozialismus für die großen Aufgaben erzogen und gewonnen werden, die ihr als Mutter und Erzieherin der jungen Generation gestellt sind. So werden wir einen Stamm Frauen mit praktischen und theoretischen Kenntnissen auf diesen Gebieten heranbilden tönnen, was uns bitter nottut.
K. H.
Chemische Heilmittel und Ungeziefervertilgung im Rampf gegen die Bazillen
Bon Dr. G. Wolff
Trotzdem feit der bakteriologischen Aera der medizinischen Wissenschaft immer neue Heilsera und Schuhimpfungen erfunden worden sind, zum Teil gute, zum Teil schlechte, nur der Ruhmsucht oder dem Geldbeutel dienende, fönnen wir längst nicht alle Infettionsfrankheiten auf diese Weise verhüten oder behandeln. Bahlreiche andere Bege müssen noch dazu dienen, die Gefahr, die der Volksgesundheit durch die ansteckenden Krankheiten droht, zu vermindern. Die Krankheitserreger selbst zu vernichten, sie im Körper des Menschen, in den sie einmal eingedrungen sind, zu töten, ist das Bestreben Ehrlichs gewesen, der durch seine chemotherapeutischen Versuche bahnbrechend gewirkt hat. Durch bie Entdeckung des Saivarfans ist nicht nur die Syphilis, sondern find auch andere Krankheiten des Menschen, wie Rückfallfieber und Frambösie( eine in Indien heimische Krankheit), ferner Tierfrankheiten, wie die Brustfeuche des Pferdes, heilbar geworden. Diefer Großtat der medizinischen Wissenschaft werden wir Dank zollen müssen, auch wenn sich die kühnsten Erwartungen des Entdeckers nicht erfüllt haben. Ein ähnlicher Weg wird schon seit vielen Jahren in der Bekämpfung der Malaria beschritten, die in den füdlichen Ländern von allen Infektionskrankheiten das größte hygienische Interesse beansprucht. Die Erreger des Wechselfiebers, bie Malariaplasmodien, werden durch das aus der Chinarinde gewonnene Chinin noch bei sehr starker Berdünnung abgetötet. Darauf beruht die in allen Ländern der Erde eingeführte Heil. behandlung der Malaria mit Chinin. Leider befizen wir solcher Heilmittel, die den Krankheitserreger töten, ohne dem Menschen zu schaden, nur sehr wenige.
Wirkungslos find unsere Heilversuche bisher dem Fleck fieber gegenüber gewesen, jener akuten Infektionskrankheit, die durch ben Krieg in einer Weise die östlichen und südöstlichen Länder Europas ( Rußland , Rumänien , Serbien , Türkei ) heimgesucht hat, wie man es feit langem nicht mehr fannte. In Deutschland war die Krankheit der jezigen Aerztegeneration fast unbekannt. Das Fleckfieber, auch Flecktyphus oder Hungertyphus genannt, ist die Krankheit des menschlichen Elends. Wo Hungersnot und Unsauberteit herrschen, breitet sich dos Fleckfieber aus. Denn, wie die großen Erfahrungen des Weltkrieges gelehrt haben, wird die Krankheit ausschließlich durch Läuse übertragen. Wo feine Läuse vorhanden sind, da gibt es auch kein Fleckfieber; darum ist es in den Ländern mit höher entwickelter geistiger und hygieni
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scher Kultur ausgestorben, während es in Rußland , auf dem Balkan , in Kleinasien , in Nordafrika , in Merito schon vor dem Kriege heimisch war.
Der Kampf gegen das Fleckficber richtet sich nicht unmittelbar gegen die Krankheitserreger, die uns ihrem Wesen nach noch nicht ficher bekannt sind, sondern gegen die Läuse, die als Zwischen. wirte des Krankheitsgiftes die Infektion von einem Menschen auf den andern übertragen. Die Fledfieberfranken selbst sind nicht ansteckend in dem Sinne, daß sie unmittelbar die Krankheit auf andere Menschen verbreiten. Darin hat das Fleckfieber eine gewisse Aehnlichkeit mit der Malaria, die gleichfalls nur durch Zwischenwirte, die Anophelesmücken, von einem Menschen auf den andern übertragen wird. Nur in deren Organismus fönnen fich die Malariaerreger weiterentwickeln und vermehren. Ganz ähnlich beim Fledfieber. Nur die Laus, vorwiegend die Kleiderlaus, vermag das Krankheitsgift zu züchten und weiterzuverbrei. ten. Andere blutsaugende Insekten, wie Wanzen und Flöhe, haben diese Fähigkeit nicht. Hier liegen biologische Feinheiten vor, in deren Rätsel die Wissenschaft noch nicht eingedrungen ist.
Die Tatsache, daß nur die Läuse das Fleckfieber verbreiten, erklärt die Maßnahmen, die so erfolgreich zur Unterdrückung der Krankheit geführt waben. Ueberall da, wo eine gründliche Entlausung durchgeführt werden konnte, ist die Seuche ausgestorben. Deshalb hat sie während des Krieges infolge der sorgfältigen Ueberwachung der Grenzen nicht nach Deutschland eingeschleppt werden fönnen. Erst als die zurückflutenden Menschenmassen infolge der überstürzten Abrüstung die gesundheitlichen Sicherheits. vorschriften nicht mehr beachteten, die vorher zwangsweise durch geführte Entlausung an den Grenzen gegen Rußland und Defter. reich umgingen, hielt auch das Fledfieber in Deutschland seinen Einzug. Inzwischen ist die Epidemie, die im Frühjahr 1919 ihren Höhepunkt erreichte, wieder überstanden, da bei uns selbst in den traurigsten Zeiten die Berlaufung der Bevölkerung nie einen solchen Grad erreichen wird wie in Rußland oder auf dem Balkan . Dazu gilt der Gebrauch von Wasser und Seife in Deutschland selbst der ärmsten Bevölkerung als eine zu natürliche und notwendige Maßnahme.
Ein Heilmittel, wie das Chinin für die Malaria, haben wir zur Behandlung des Fledfiebers leider nicht. Um so mehr muß das Bestreben der Hygiene darauf gerichtet sein, den Krankheitsausbruch zu verhüten, also der Läufevertilgung die größte Aufmerksamkeit zu widmen.
Ans der Frauenbewegung des Auslandes
Die Wahlen in Ungarn . Unter den 70 Kandidaten der ungarischen sozialdemokratischen Partei sind in der Hauptstadt Budapest drei Frauen aufgestellt: Anna Kéthly , Privatangestellte; Bilma Schmidtmayer, Buchdruckereiarbeiterin, und Frau Knur, Metallarbeiterin. Bei glücklichem Wahlausgang dürfte die erstgenannte gewählt werden. Trok sehr starker Behinde rung der Wahlpropaganda durch die Behörden und Horthyschen Organe ist die Versammlungstätigkeit eine sehr rege. Sz. B.
Indien. In Madras und Bombay ist den Frauen das Stimm recht zuerfannt worden. ⭑
China . Zum erstenmal hat eine geborene Chinesin ihr medizinisches Doktoreɣamen gemacht, und zwar an einer englischen Universität. In China fannte man als weibliche Aerzte bisher nur Ausländerinnen.
Das neue internationale Abkommen zur Bekämpfung des Frauen- und Kinderhandels wurde in Bern von den Gesandten Deutschlands , Schwedens , Ungarns , der Tschechoslowakei und Chinas unterzeichnet. Auch der Vertreter Großbritanniens in der Schweiz hat das Abkommen im Namen der indischen Regierung unterzeichnet mit dem Vorbehalt, daß der indischen Regierung das Recht zusteht, an Stelle des in der Konvention festgelegten Alters dieses evtl. auf 16 Jahre festzulegen.
Aus unserer Bewegung
München . Anläßlich eines Parteitages für den Bezirk Oberbayern- Schwaben fand am ersten Osterfeiertag eine Frauenfonferenz des Bezirks statt, in der als Resultat der Besprechungen folgende Beschlüsse gefaßt wurden:
1. In jedem Ort muß mindestens eine Bertrauensperson sein. 2. Bo ein Ortsverein nicht gegründet werden kann, muß zunächst eine Sektion eines nahegelegenen Ortsvereins geschaffen werden.