Für unsere Mütter und Hausfrauen

Nr. 9

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Beilage zur Gleichheit o O O O O O O O O

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Inhaltsverzeichnis: Aus der Geschichte unseres Hausrats: Herd und Herdgeräte. III. Von Hannah Lewin- Dorsch. Das gefährliche Alter. Von Hermann Wendel  . Zitronen und Apfelfinen. Von M. Kt. Feuilleton: Herakles. Von Adam Asnyk  . Wie Klein- Janek sterben mußte. Von Ketty Guttmann  .

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Aus der Geschichte unseres Hausrats.

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Bon Hannah Lewin- Dorsch.

Herd und Herdgeräte.

III.

Zum Herde gehörten schon frühe ein paar Geräte, um das Feuer anzufachen und instandzuhalten. Im Althochdeutschen wird zum Beispiel die Ofenfrücke erwähnt, ein einfaches Instrument, mit dem man die Glut aufeinanderhäufte und die Asche zusammenfegte. Es ist eine Stange, deren eines Ende ein viereckiges oder halbkreis förmiges Brettchen trägt. Der Bäcker verwendet noch heute ein ganz ähnliches Gerät. Auch der Feuerhaken oder Schürhaken, der jetzt noch zu jedem mit Kohle geheizten Zimmerofen gehört, geht ins frühe Mittelalter zurück. Zum Anblasen der Glut gebrauchte man fächerförmige Wedel   aus Schilf, aus Blättern oder aus Stroh geflochten und später die bekannten Blasebälge. Der Feuerdeckel, Feuerstulp oder Stülpe   war ein hutartiges Gerät von Kegel- oder Halbkugelform, das man des Nachts zum Schutze gegen Feuers­gefahr über die glühenden, mit Asche bedeckten Kohlen stülpte; in den mittelalterlichen Küchen Deutschlands   finden wir es gewöhnlich aus Messingblech. Auf alten Bildern schon sieht man neben dem Herde den Besen zum Abkehren der Herdplatte an der Wand hängen; dem gleichen Zwecke diente auch der Fledermisch aus Gansflügeln; solche fand ich übrigens auch noch jetzt in älteren Haushaltungen über dem Herde hängend. In mittelalterlichen Gedichten kommt bei der Küchenausstattung nicht selten der Panzerfleck" vor, den wir auch noch zum Herde und seinem Zubehör rechnen dürfen. Er dient zum Reinigen der Böden des Kochgeschirrs vom schwarzen Herdruß und besteht aus einem Stück Drahtgeflecht, Drahtpanzer. Grimm macht in seinem berühmten großen Wörterbuch darauf auf­mertsam, daß in der Gegend von Basel   ein zum Reinigen der Pfannen gebrauchtes Kleines Drahtgeflecht noch jetzt Harnischblät" genannt werde( Blät= Fleck, Flicken, Lappen). Dieser, Panzerfleck" hat sich ja auch, wie bekannt, in vielen Gegenden von Deutschland  bis in die Gegenwart hinein erhalten und wird von unzähligen Frauen alle Tage in ihrer Küche benutt. So unscheinbar er aus­sieht, und so unansehnlich und schmußig sein Amt ist, so ehrwürdig ist er doch durch sein Alter. Neben jeder Feuerstelle hing in alten Küchen auch stets ein Kessel- und Pfannenunterfeger, oft sogar deren mehrere. Sie wurden als Unterlage benutzt, wenn man die rußigen Schüsseln von der Glut der Herdplatte hob und auf den Tisch setzte, um die Mahlzeit zu halten. Denn ein Umfüllen der Speisen aus dem Kochtopf in besondere Schüsseln kannte man natürlich zunächst noch gar nicht; und später, als dergleichen Geschirr gebräuchlich wurde, fand es sich doch auch nur in reicheren Küchen. Wird doch auf dem Lande und in ärmlicheren Haushaltungen auch heute noch die Pfanne mit den gerösteten Kartoffeln, mit den geschmälzten Knödeln oder dergleichen geradewegs vom Herde auf den Eßtisch gestellt; und auch heute noch braucht man dann Pfannenuntersetzer, gerade wie früher. Im Mittelalter waren diese meist aus Stroh geflochten. In den niederdeutschen Häusern des nordwestlichen Deutschland   findet man sie jetzt unter dem Namen Schüsselkranz oder auf Platt: Schötelfrans. Es sind hübsche zierliche Gerätlein, die ihre Entstehung häufig der Hand eines kunstfertigen Schäfers verdanken. Der Schötelfrans besteht aus etwa 5 Zentimeter langen und Zentimeter breiten Holzpflöcken, deren jeder in der Mitte einen Einschnitt trägt. Durch Verzapfung in diese Einschnitte werden die einzelnen Holzstäbchen zu einem kunstvoll aussehenden Kranze von etwa 22 Bentimeter Durchmesser und 5 Zentimeter Höhe zu fammengefügt. Jezt sammelt man diese anspruchslosen alten Geräte für die Museen, während sie früher in jedem, auch dem einfachsten Haushalt zu finden waren; die mittelalterlichen Küchenbeschreibungen vergessen nie, dieses Gerät zu erwähnen als einen notwendigen Bestandteil der Einrichtung.

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Wichtiger im Gange der Kultur und charakteristischer für den Herd und seine ganze Ausstattung, als die eben behandelten so­

1911

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Der

genannten kleinen Herdgeräte", sind einige andere Stücke des Haus­rats, die gleichfalls mit der Feuerstelle zusammenhängen, und von denen wir vorab den Feuerbock erwähnen müssen. Der Feuerbock ist seit Jahrhunderten unter einer Unmenge verschiedener Namen bekannt; er heißt: Feuerroß, Feuerhengst, Feuerhund, Brandbock, Brandeisen, Brandreide, Brandrute, Brandert usw. Man darf den Feuerbock vielleicht das wichtigste unter allen Herdgeräten nennen, wenigstens vom Standpunkt der Völkerkunde aus. über die Geschichte seiner Entstehung und Verbreitung im Laufe der Zeiten sind wir noch nicht in allen Punkten genügend aufgeklärt; aber wie vieles da auch im einzelnen noch zweifelhaft sein mag, das steht doch durchaus fest," sagt der Kulturforscher   Professor Meringer in Graz, daß seine Erfindung in sehr alte Zeiten zurückgeht". Jedenfalls reicht der Feuerbock bis in prähistorische Beiten hinauf, wie eine Anzahl von vorgeschichtlichen Funden be weist. Auf deutschem Boden allerdings scheint er so frühe noch nicht bekannt gewesen zu sein, wenigstens fehlen Belege dafür. Alle Funde von prähistorischen Feuerböcken sind in Italien   gemacht worden, oder doch in Gegenden, die unter italischem Kulturein­fluß standen; das nördlichste Exemplar fand sich, soviel ich weiß, auf dem Grund des Sihlflüßchens, nicht weit von Zürich  . Feuerbock dient als Unterlage für die großen Holzscheite, die man auf der Herdplatte entzünden will. Er besteht aus einem halbkreis­förmig oder halbmondförmig gebogenen Gestell aus Ton oder aus Metall, das an seinen beiden Enden durch Füße unterstützt ist. Man hat zu unterscheiden den vierbeinigen und den dreibeinigen Feuerbock; der erstgenannte stellt die ältere Form dar, alle vor­geschichtlichen Feuerböcke sind ausnahmslos vierbeinig. Häufig ist die Form äußerst einfach: über je zwei Füßchen rechts und links ist eine Stange oder ein Wulst gelegt, der an beiden Seiten mehr oder weniger bügel- oder hornartig in die Höhe gebogen ist. Man hat die Urform vom Halbmond abgeleitet, auch wohl vom Hörner­paar des hochgeschätzten und oft heilig gehaltenen Rindes. Sicher lich hat der alte Feuerbock eine noch nicht völlig und einwandfrei aufgeklärte Beziehung zu frühen kultischen Anschauungen gehabt. In Deutschland   ist der Dienst des Feuerbockes lange Zeit hin­durch von dem sogenannten Wilstein" erfüllt worden, über den wir in einem früheren Aufsatz berichtet haben; er ist aus Stein und dem Herde fest angebaut. Vielleicht kaum vor dem Jahre 1000 nach Christi Geburt   wurde der Wilstein" ersetzt durch den Feuer­bock, der sich von Süden nach Norden hin verbreitete. Übrigens ist dieses für Deutschland   damals neue Kulturelement nicht von allen Germanen angenommen worden, bei den nordisch- germanischen Völkern findet es sich nie. Hingegen hat man ihm auf südlicherem Boden nach und nach, neben der Erfüllung seines eigentlichen Zweckes: die Holzscheite zu unterstützen, noch manche andere Haus haltungsfunktionen übertragen. Der Feuerbock hat infolgedessen Erweiterungen und Veränderungen seiner ursprünglich einfachen Form erfahren, von denen wir später reden wollen.

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Das gefährliche Alter.

Unter anderen Büchern gleicht Das gefährliche Alter" von Karin Michaelis  * einem Feldstein, der in einen Sumpf hinein­platscht und die Frösche zum entrüsteten Quaken bringt. Von Däne­ mark   kam das Buch, und ehe es in Deutschland   gelandet war, schallte schon von drüben der laute Streit der Meinungen herüber. Hier tobte er mit nicht minderer Leidenschaft. Im Handumdrehen hatten sich zwei Parteien gebildet. Die einen, voran die mehr oder minder verschrobenen Amazonen der bourgeoisen Damenemanzipation, aber auch ganz gescheite Köpfe darunter, riefen begeistert: Hört die neue Offenbarung! Die Frau zwischen vierzig und fünfzig ist entdeckt! Sie fordert das Recht auf Umarmung! Die Frau zwischen vierzig und fünfzig ist die Losung der Zukunft! Die anderen, in der Haupt­sache die Vertreter der flanellenen Tugend mit und ohne Bäffchen, zeterten in sittlicher Entrüstung: Das Buch ist ein Giftquell! Die Frau zwischen vierzig und fünfzig hat kein Recht auf Leidenschaft und Umarmung! Die Frau zwischen vierzig und fünzig gehört im

* Karin Michaelis  , Das gefährliche Alter. Tagebuchaufzeichnungen und Briefe. Konkordia, Deutsche Verlagsanstalt G  . m. b. H. Berlin   W 30.